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Pharmariese betreibt KurswechselBilligere Medizin für die Armen

Glaxo Smith Kline will die Preise für Arzneien in armen Ländern senken und Tropenkrankheiten besser erfoschen.

In den Ländern des Südens sind die gängigen Medikamente gegen Krankheiten wie Tuberkulose oftmals mehr als 50 Jahre alt und verursachen starke Nebenwirkungen. Bild: dpa

BERLIN taz Die Front der Pharma-Konzerne gegen billige Medikamente für Entwicklungsländer bröckelt: während die deutsche Bayer AG am heutigen Mittwoch ihre Generika-Klage gegen die indische Regierung in Neu Dehli fortsetzt, kündigte der Pharma-Riesen Glaxo Smith Kline (GSK) einen Kurswechsel gegenüber armen Ländern an.

Bayer will in der zweitägigen Verhandlung die indische Regierung zu einer strengeren Zulassungspraxis für preiswerte Nachahmer-Medikamente zwingen. Der britische Konzern GSK geht einen anderen Weg: der zweitgrößte Arzneimittelhersteller der Welt kündigte an, seine Medikamente in den 50 ärmsten Ländern billiger anzubieten. "Unsere patentierten Produkte werden in diesen Ländern in Zukunft höchstens ein Viertel des Preises kosten, der dafür in den Industrieländern zu bezahlen ist", sagte Glaxo-Chef Andrew Witty in einer Rede an der Harvard Medical School in Boston. Zudem will GSK 20 Prozent der Gewinne, die das Unternehmen in den armen Ländern erwirtschaftet, in die lokalen Gesundheitssysteme investieren. "Wir treiben damit unsere Konkurrenz in eine Kehrtwende", sagte GSK-Sprecher Florian Martius der taz. Bereits seit acht Jahren vertreibe GSK Medikamente gegen Aids und Tropenkrankheiten in den ärmsten Ländern zum Selbstkostenpreis, sagte Martius.

Umdenken will GSK nach Aussage des 44jährigen Konzernchefs Witty auch bei bisher wenig erforschten Krankheiten, unter denen vor allem Menschen in armen Ländern leiden. Zu diesen Krankheiten gehören neben Tuberkulose (TBC) und Malaria auch die Schlafkrankheit und verschiedene Wurmerkrankungen. Mit jährlich 1,7 Millionen Toten ist TBC die tödlichste von ihnen, doch gängige Medikamente gegen die Krankheit sind 50 Jahre alt und verursachen massive Nebenwirkungen. Patienten müssen bis zu 20 Tabletten pro Tag einnehmen, die zu Taubheit, Blindheit und Depressionen führen können.

"Alle 30 Sekunden stirbt in Afrika ein Kind an Malaria", sagte Witty. "Um den ärmsten Ländern zu helfen, brauchen wir einen flexibleren Ansatz bei medizinischen Patenten". Bisher gibt es für die Pharmafirmen aber kaum finanzielle Anreize, um die teure Erforschung der Armutskrankheiten intensiv zu betreiben. GSK werde daher einen Patente-Pool einrichten, in dem Industrie und Wissenschaft ihre Erkenntnisse zu diesen Krankheiten bündeln und teilen können, sagte Witty.

Hilfsorganisationen begrüßten den Kurswechsel von GSK - allerdings unter Vorbehalt. "Die Initative ist zweischneidig", sagte Oliver Moldenhauer von Ärzte Ohne Grenzen. "Effektiver als ein Preisnachlass ist die Marktfreigabe von Generika". Dadurch könnten die Preise um bis zu 99 Prozent fallen. Zudem gewähre die Pharmaindustrie in den 60 ärmsten Ländern der Welt schon heute Nachlässe, die noch günstiger seien, als die 25 Prozent des Preises von Industrieländern. "Novartis verlangt etwa für seine Malaria Medikament in armen Ländern nur fünf Prozent des Preises, den die Mittel in reichen Ländern kosten". Auch die Idee vom Patente-Pool sei nicht neu, kritisierte Moldenhauer. "Die internationale Vereinigung für Arzneihilfe Unitaid hat bereits im vergangen Jahr einen solchen Patente Pool eingerichtet". Glaxo will den Zugang zu vorhandenen Aidsmedikamenten auch nicht erleichtern und seine Erkentnisse aus der Aids-Forschung auch nicht zum Patent-Pool beisteuern, sagte Moldenhauer.

Mit dem Vorstoß will GSK in dem hart umkäpften Pharmamarkt wohl auch seine Marktposition in Entwicklungsländern stärken. Nach Medienberichten stehen in dem Konzern wegen der Wirtschaftskrise bis zu 10.000 der 100.000 Arbeitsplätze auf der Kippe.

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