Pflegemängel bleiben geheim: Keine Transparenz für die Alten

Obwohl es im Gesetz steht, werden Berichte der Heimaufsicht über Pflegeeinrichtungen nicht veröffentlicht. Das wird wohl so bleiben.

Missstände in Altenheimen sind oft auf den ersten Blick nicht erkennbar Foto: Arno Burgi/dpa

BREMEN taz | Für mehr Transparenz auf dem Markt der Altenheim-Anbieter sollte das im Jahr 2010 verabschiedete Bremische Wohn- und Betreuungsgesetz (BremWoBeG) sorgen – vor allem der Paragraf neun „Beratungs-, Informations- und Berichtspflichten der Behörde.“ Doch der wird nur in Teilen umgesetzt – und es scheint darauf hinauszulaufen, dass er im Zuge der momentanen Gesetzesevaluation beschnitten wird.

In Absatz 2 des BremWoBeG heißt es, dass die der Sozialbehörde unterstellte Heimaufsicht Prüfberichte über „unterstützende Wohnformen“ erstellt, die „die wesentlichen Ergebnisse der Prüfung sowie weitergehende Informationen zu den Leistungsangeboten, der Sicherstellung der Selbstbestimmung, der Förderung und Unterstützung bei der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sowie der Vermeidung von Benachteiligungen in der jeweiligen unterstützenden Wohnform enthalten“.

Diese Berichte, heißt es weiter in Absatz drei, werden gemeinsam mit einer Liste aller bremischen Angebote unterstützender Wohnformen veröffentlicht. In der Tat: Die Liste gibt es. Sie ist leicht zu finden auf der Internetseite der Sozialsenatorin. Berichte der Heimaufsicht sucht man hier allerdings vergeblich.

„Ihre Veröffentlichung setzt eine Vereinbarung mit den Verbänden der Einrichtungsträger voraus“, sagt dazu David Lukaßen, Sprecher der Sozialbehörde mit Verweis auf Absatz acht. Dort heißt es: „Die Verbände der verantwortlichen Leistungsanbieter, die kommunalen Spitzenverbände und die zuständige Behörde vereinbaren Näheres über die Erfüllung der Pflichten der zuständigen Behörde nach den Absätzen 2 bis 5 innerhalb von zwei Jahren nach dem Datum des Tages des Inkrafttretens. Kommt die Vereinbarung in dieser Frist nicht zustande, kann die Senatorin für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales eine entsprechende Rechtsverordnung erlassen.“

Die angestrebte Vereinbarung, so Lukaßen, sei leider nicht zustande gekommen. „Und eine Veröffentlichung gegen den Willen der Verbände würde sicher lange Rechtsstreitigkeiten nach sich ziehen.“ Nun werde das Gesetz ja ohnehin evaluiert, „und da müssen wir schauen, wo wir es verbessern können“. Benötigt würde „eine Regelung, die wir auch realistisch mit Inhalt füllen können“. Konkreter könne er zum jetzigen Zeitpunkt nicht werden.

Fest steht freilich, dass er diesen Teil des BremWoBeG offenbar für wenig realistisch hält – zum Bedauern von Reinhard Leopold, Gründer der Bremer Angehörigeninitiative „Heim-Mitwirkung“: „Es gibt kaum eine Möglichkeit, sich ein umfassendes Bild von der Qualität eines Pflegeheims zu machen. Die Heim-Benotungen des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen sagen gar nichts aus und auf Internet-Bewertungsportalen sind die Ergebnisse nicht verifizierbar.“ Auch die persönliche Inaugenscheinnahme bringt nicht viel, bestes Beispiel ist die „Seniorenresidenz Kirchhuchting“: Sie macht von außen wie von innen einen modernen und gepflegten Eindruck – die dortigen Missstände waren und sind für BesucherInnen nicht ersichtlich.

Eine Alternative sowohl zum Medizinischen Dienst der Krankenkassen als auch zu den zuständigen Behörden hat die Gewerkschaft Ver.di in Frankfurt/Oder entwickelt: Die „Ver.di-Empfehlungsliste für Altenheime in Frankfurt“ kann im Internet als pdf-Dokument heruntergeladen werden und beurteilt die dort angesiedelten Pflegeheime danach, ob sie einen Betriebsrat haben und einen gültigen Tarifvertrag, ob Kontakt zu Vertrauensleuten der Gewerkschaft besteht, wie viele LeiharbeiterInnen dort beschäftigt sind und wie hoch die Fluktuation des Personals ist.

Reinhard Leopold, Pflege-Experte

„Die Heim-Benotungen des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen sagen gar nichts aus und auf Internet-Bewertungsportalen sind die Ergebnisse nicht verifizierbar“

Das Frankfurter „Altenheim-Ranking“ ist in einem übersichtlichen Ampelsystem aufgebaut, auf den ersten Blick ist ersichtlich, welche Heime aus Gewerkschafts-Sicht empfehlenswert sind und welche nicht. Die „Residenz Kirchhuchting“ bekäme hier sicher nicht die Farbe Grün, da ihr Anteil an LeiharbeiterInnen und die Personalfluktuation so hoch ist, dass die Sozialbehörde den dort herrschenden Aufnahmestopp noch immer nicht aufgehoben hat.

Kirchhuchting ist freilich eine Ausnahme, da die Einrichtung unter besonderer Beobachtung der Heimaufsicht steht; der Betrieb in vielen anderen Altersheimen mit ähnlicher Personalsituation läuft indes ungehindert und aufgrund mangelnder Transparenz auch weitestgehend unbemerkt weiter.

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