Pfiffige Produktnamen: Moingiorno, Bruschesto!
Unser Autor verspürt Hass auf einen Bio-Brotaufstrich und ist damit nicht allein. Doch warum eigentlich, fragt er sich.
N eulich am Schwielowsee. Bei einem Ausflug fällt mir ein Glas Aufstrich der Marke Zwergenwiese in die Hände. Die Sorte: Bruschesto, dazu als Erklärung: Bruschetta Pesto. Ich muss mich spontan erbrechen, und tue das auf Twitter: Ein Foto des Gläschens, dazu als Kommentar „Habe unnatürlich Hass auf diesen Namen 🤬“
Womit ich ich nicht rechne, ist die große Resonanz. Knapp 90 Leuten gefällt der Tweet, mehrere stimmen mir aktiv zu, unter anderem so: „Ich teile deinen Hass 🤬“, „Was ist das denn für ein Untier?“, „In Italien fährt man für so etwas ein.“ „Mein Hass fängt schon bei Zwergenwiese an“. „Auf alle von der Reihe 😭😡“.
Eine der Lieblingsfragen aller Gesellschaftsjournalisten – „Was macht das mit uns?“ – kann hier also mit „Offenbar eine ganze Menge“ beantwortet werden. Doch, noch beliebtere Frage unter Gesellschaftsjournalisten: „Warum eigentlich?“ Warum dieser Hass? Was triggert Zwergenwiese Bruschesto (abgesehen von äußerst fragwürdigen Einlassungen des Zwergenwiese-Herstellers zu Beginn der Corona-Pandemie, aber hier soll es um ästhetische Fragen gehen).
Bruschesto ist nur eine von vielen Sorten und alle haben schlimme Namen: Tomesan, Papucchini, Chilitoffel, Mepfel usw. Und klar, marketingtechnisch ergibt das Sinn, jedes der Wörter steht eindeutig für nur ein Produkt. Das „bleibt hängen“, „irritiert“ auch, und ist – sehr wichtig heutzutage – gut googlebar. Übrigens ist auch Zwergenwiese ein gut gewählter Name. Klingt zwar wie eine esoterische Kita-Gruppe, aber man kann es sich gut merken.
Nur ist „gut merkbar“ nicht gleich „ästhetisch“, das weiß jeder, der mal einen Ohrwurm von „An der Nordseeküste“ hatte (bitte, gern geschehen!). Auch sind zwei originelle Namen nicht besser als einer, zumal hier noch die Produktlinie streich’s drauf! in kecker Schreibschrift auf dem Gläschen steht. Macht insgesamt einen Pfiffigkeits-Overkill: Zwergenwiese streich’s drauf Bruschesto Bruschetta Pesto.
Dazu kommt, aber das ist vielleicht nur mein privater Spleen, die Uneinheitlichkeit der Sortennamen. Denn die sind gar nicht immer Wortanfang + Wortende wie bei Bruschesto. Sondern auch mal doppelter Wortanfang (Basitom: Basilikum, Tomate), Wortanfang + Mittelteil (Gelbie: Gelbe Bete, Zwiebel) oder gar Wortanfang + Nichts (Kürbi: Kürbis, Ingwer). Alles kann, nichts muss, ganz antiautoritär und (zwerg-)naseweis halt. Wenn aber alles kann und nichts muss, dann kann man es auch gleich lassen.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Unter all diesen Scheußlichkeiten ist Bruschesto der König. Denn erstens, was soll das sein, ein Brotaufstrich aus Pesto und … noch mehr Brot? Zweitens verkörpert der Name wie Arsch auf Eimer diese bleischwer-bräsige deutsche Italienliebe: Wer Bruschesto sagt, natürlich mit „sch“ gesprochen, der sagt auch unironisch „Prosetschio“ oder „Vitello Tomato“ und grüßt mit „Moingiorno“.
Und mir bleibt nur der Hass. Unnatürlicher Hass. 🤬
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