Pfarrer über Aus für katholische Schulen: „Die Schulen galten als sakrosankt“
Die Schließung katholischer Schulen in Hamburg hat Bestürzung ausgelöst. Pfarrer Georg Bergner über Standortentscheidungen und das katholische Milieu.
taz: Ist das Bistum Hamburg jetzt zurück auf dem Weg zu den christlichen Ursprüngen, weniger Geld, weniger Institutionen, Herr Bergner?
Georg Bergner: Es gibt durchaus Leute, die das in diese Richtung deuten. Viele Jahrzehnte war es der Stolz der Kirche, viele Institutionen aufzubauen und zu betreiben. Es kann sein, dass man nun im Sinne einer neuen Bescheidenheit sagt: Wir müssen mit begrenzten Mitteln versuchen, das Mögliche zu erreichen – was vielleicht bedeutet, dass wir uns viele große und teure Institutionen so nicht mehr leisten können.
Heute scheinen katholische Schulen oft wenig mit einem katholischen Milieu zu tun zu haben, sondern sind ein Bildungsangebot, das man als Bildungsvorteil nutzt, vielleicht auch, weil man sich, gehässig gesprochen, einen geringen Migrantenanteil verspricht.
Da würde ich differenzieren: Es gibt nach wie vor ein klassisches katholisches Milieu, das Wert darauf legt, dass die Kinder eine Bildung in katholischen Einrichtungen erfahren. Dieses Milieu hat sich in den letzten Jahren stark verändert, es ist heute gerade auch migrantisch geprägt: Katholiken, die ihre Wurzeln in Polen, Portugal, Kroatien, Ghana und Nigeria haben. Gerade in ärmeren Stadtteilen wie Altona, Billstedt und Wilhelmsburg ist der Anteil der Migranten in den katholischen Schulen sehr hoch.
Und die andere Seite?
40, war von 2011 bis 2014 Leiter der Pastoralen Dienststelle im Erzbischöflichen Generalvikariat Hamburg und Mitglied des Bischofsrates. Seit 2017 ist er Pfarradministrator in Quickborn. 2018 wird er als Pfarrer ins Erzbistum Hamburg zurückkehren.
Die katholischen Schulen sind auch als Eliteeinrichtungen gesehen worden, das trifft für die eine oder andere Schule vielleicht auch zu. Vielleicht ist es auch ein bisschen schick, die Kinder auf Privatschulen zu schicken. Ich glaube, dass ein Teil der Empörung über die Schulschließungen auch aus diesem Milieu kommt.
Ein Vorwurf an das Erzbistum ist, dass gerade die Schulen in den ärmeren Stadtteilen geschlossen werden, weil die Eltern aus den Elbvororten mehr Geld für die Schulkasse mitbringen.
Das ist der Punkt, der mir bei den Schulschließungen sauer aufgestoßen ist. Von den betroffenen acht Schulen sind fünf Stadtteilschulen. Es sieht also so aus, als würde man sich von den Haupt- und Realschülern stärker zurückziehen – und das ist eine Entwicklung, die ich sehr bedauern würde. Mir kam der ketzerische Gedanke: Schließen wir Schulen nur unter finanziellen Gesichtspunkten oder hätte es da nicht aus der seelsorgerlichen und sozialen Perspektive eine andere Auswahl geben müssen.
Hätte es?
Konkret gesagt: Hätte man nicht, um Schulen an sozial schwierigeren Standorten aufrechterhalten zu können, an anderen Stellen schließen müssen? Man hätte sagen können: Um zu Beispiel die katholische Schule in Harburg zu erhalten, machen wir die Einschnitte in der Stadtmitte, wo es eine relativ hohe Dichte von Grundschulen gibt. Diese Anfrage habe ich auch.
Aber keine Antwort?
Die Antwort liegt zum Teil tatsächlich in den strukturellen Problemen. In Altona etwa gibt es eine zweizügige Stadtteilschule, da können Sie schwer eine gymnasiale Oberstufe einbauen, der Platz für notwendige Neubauten wie Mensa und Freizeitmöglichkeiten ist zu knapp und die bestehende Struktur ist ohnehin marode. In Barmbek ist es ähnlich. Von daher kann ich die Infragestellung eines solchen Standorts nachvollziehen – aber sie schmerzt mich schon.
Es heißt, dass man über die Schulen die Kinder für die Seelsorgearbeit erreicht. Sie haben lange in der Jugendseelsorge gearbeitet – ist Ihre Erfahrung, dass man eine Schule dazu braucht?
Das war immer ein spannungsreiches Verhältnis. Ich habe mich als Jugendseelsorger um Kontakte zu den katholischen Schulen bemüht – aber Schule ist da erst einmal Schule. Sie legt den Fokus auf eine gute Ausbildung und eine gute gesamtmenschliche Prägung. Die Möglichkeiten für die klassische Jugendseelsorge waren begrenzt. Ich habe mich hauptsächlich um den Bereich der katholischen Verbände, der Jugendgruppen und Messdiener gekümmert. Die Schulen selbst wehren sich teilweise gegen die Vorstellung, sie seien das Reservoir, aus dem man für die katholische Jugendarbeit schöpfen kann.
Es gibt Stimmen, die sagen, dass diese Prägung genauso gut eine staatliche Schule übernehmen kann.
Ich halte es für sinnvoll, dass es innerhalb der Bildungslandschaft auch Auswahl gibt. Ich glaube, dass viele Eltern ein solches Angebot suchen, weil sie eine hohe schulische Qualität und darüber hinaus eine religiöse Grundbildung wollen.
Woher kommt dieser große Zorn angesichts der Schließungen – ist das der gleiche, der losbricht, wenn die Bahn nicht den versprochenen Service liefert?
Ich glaube, dass die Bestürzung daher kommt, dass man bislang im Schulwesen sehr wenig Einschnitte gemacht hat. Die Schulen galten als sakrosankt, man hat sogar neue aufgebaut. Plötzlich wagt man sich an die Schulen heran und das ist eine große Kränkung – abgesehen von den Umständen, die möglicherweise auch dafür verantwortlich sind, dass die Reaktionen so heftig sind.
Welche Umstände meinen Sie?
Die Frage, ob man es so entscheiden musste, ob die Entscheidung richtig durchgespielt wurde, ob die Kommunikation richtig gelaufen ist.
Ist diese Kränkung eine der Katholiken selbst oder derjenigen, die die Schule als Dienstleistung nutzen?
Das kann ich schwer für die Allgemeinheit beantworten. Mein Eindruck ist, dass diejenigen, die aus dem klassischen katholischen Milieu kommen, sehr mit „ihren“ Schulen verbunden sind. Die Schulen gehören zu ihrer katholischen Heimat. Diejenigen, die es eher als Dienstleistung begreifen, sagen sich: Wir sind ja Mitglieder der Kirche, wir zahlen Kirchensteuer und das ist ein Punkt, an dem wir konkret etwas von der Kirche haben. Insofern wäre ich vorsichtig, dass einfach so zu verurteilen. Bei den Schulen herrscht der Eindruck, dass die Einrichtungen gut funktionieren und die Nachfrage da ist, während bei den Kirchenschließungen das Bröckeln sichtbarer ist.
Ist es bei den Schulen auch die Symbolik, die für Emotionen sorgt – gerade in der Arbeit mit den Jungen zu scheitern?
Wir haben seit 1995 eine große Sparwelle in den Gemeinden, es kam zu Kirchen- und zu Standortschließungen. Da haben Sie intern einen ähnlichen Protest, aber er äußert sich nicht so lautstark, weil er in der gesellschaftlichen Wahrnehmung als nicht so relevant angesehen wird.
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