Pew-Studie über Ost-West-Unterschiede: Grob zusammengefasst
Die Akzeptanz von Homosexualität und Religionen variiert in Ost- und Westeuropa stark, so eine Studie. Nur: was ist eigentlich Osten?
„Die Ansichten von Ost- und Westeuropäern unterscheiden sich in der Bedeutung von Religion, der Betrachtung von Minderheiten und in sozialen Schlüsselthemen“, so lautet das Ergebnis einer Studie, die das US-amerikanische Meinungsforschungsinstitut Pew Research Center am Montag veröffentlicht hat.
Es handelt sich um eine Zusammenfassung mehrerer, teilweise bereits veröffentlichter Umfragen zu den Themen „Religiösität und nationale Zugehörigkeit in Zentral- und Osteuropa“ sowie „Christlichsein in Westeuropa“.
Damit umfasst die Metastudie Umfragen mit fast 56.000 Erwachsenen zwischen 2015 und 2017 aus 34 Ländern aus dem geografischen Europa. Erhoben wurde unter anderem, ob die Befragten Muslime oder Juden in ihren Familien akzeptieren würden und ob Abtreibungen und die Ehe für alle legal oder illegal sein sollten.
Dass die Ost- und Westeuropäer*innen – oder das, was sich das Pew Research Center darunter vorstellt – ganz unterschiedlich ticken, lässt sich zwar an punktuellen Ergebnissen gut belegen. Etwa, dass sich 88 Prozent der befragten Niederländer*innen vorstellen können, Muslime in ihren Familien zu akzeptieren, in Armenien hingegen nur 7 Prozent.
Lokale politische Kontexte ignoriert
Und doch fällt in Bezug auf die Studie selbst unangenehm auf, dass der US-amerikanische Blick offenbar immer noch gerne in dies- und jenseits des Eisernen Vorhangs einteilt. Ist es wirklich notwendig, die Einzelergebnisse aus den Ländern unter „Ost“ und „West“ zusammenzufassen?
Auf diese Weise werden allzu große Einheiten konstruiert, lokale politische Kontexte außer Acht gelassen – die etwa im Fall von Armenien gesondert betrachtet werden müssten und sich kaum mit Polen oder Lettland vergleichen lassen. Die Studie selbst mag differenziert sein, das gezogene Fazit hingegen pauschalisiert. So werden intolerante Einstellungen einiger zu „osteuropäischen Einstellungen“. Aussagen von Viktor Orbán werden zu „osteuropäischen Aussagen“.
Die Studie versäumt komplett, Osteuropa zu definieren. Da der geografische Raum, der betrachtet wird, zu heterogen ist, bemühen die Autor*innen die Vorstellung von einem osteuropäischen Werteraum: Es gebe „starke geografische Muster“, wie Menschen Religion, nationale Identität und Minderheitenfragen sähen. Ob das haltbar ist, ist fraglich. In jedem Fall ist es ein Zirkelschluss, wenn man von einheitlichen Werten ausgeht – und sie dann auch vorfindet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Berliner Sparliste
Erhöht doch die Einnahmen!
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid