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Petition gegen heimliche NacktaufnahmenZwei Frauen wehren sich

In der Sauna hatte ein Mann die beiden heimlich gefilmt. Sie zeigten ihn an, doch die Tat ist nicht strafbar. Nun sammeln sie Unterschriften.

Bei einem Saunabesuch sollte man sich sicher fühlen können Foto: Arnulf Stoffel/imago
David Muschenich

Aus Leipzig

David Muschenich

Rebecca P. und Anne S. wollen, dass die Bundesregierung das Strafrecht ändern. Aktuell gleiche es einem „Freifahrtschein für Voyeure“, kritisieren die beiden Freundinnen aus Leipzig in ihrer Petition. Denn wer nackte Menschen heimlich in der Sauna filmt, muss mit keiner Strafe rechnen. Das wissen sie aus eigener Erfahrung. Dagegen haben sie ein Petition gestartet.

Im Juli besuchten Rebecca P. und Anne S. eine textilfreie Wellnessoase in Leipzig. S. heißt eigentlich anders, möchte aber nicht, dass ihr Name mit dem Thema in Verbindung gebracht wird. Während die beiden Frauen nackt in der Sauna entspannten, fiel ihnen auf, dass ein Mann seine Handykamera auf sie gerichtet hatte. Sie stellten ihn zur Rede, riefen erst einen Saunamitarbeiter dazu und dann die Polizei. Der Mann gab zu, mehrere Frauen in der Sauna gefilmt zu haben, die Beamten konfiszierten sein Handy und leiteten Ermittlungen ein.

Zu dem Zeitpunkt schien alles klar: Der Mann würde eine Strafe bekommen und sich so was nicht noch mal trauen. Doch dann kam es anders.

Nach wenigen Wochen erhielten Rebecca P. und Anne S. einen Brief von der Staatsanwaltschaft. Die Ermittlung wurde Mitte August eingestellt. Die Sauna sei laut der bisherigen Rechtsprechung kein geschützter Bereich. Das Filmen sei, „auch wenn es zu missbilligen ist – nicht strafbar gewesen“, hieß es von der Staatsanwaltschaft. Für die beiden Freundinnen ein Schock.

Nackt in der Sauna gefilmt

Auf Anfrage der taz erklärte die Staatsanwaltschaft, das konfiszierte Smartphone habe der Mann wieder, samt der Nacktaufnahmen. Weil kein Tatverdacht mehr vorlag, fehlte auch eine Rechtsgrundlage, die Videos zu löschen.

Die taz berichtete Anfang Oktober über den Vorfall in der Sauna. Es ist nicht selten, dass Männer heimlich Frauen filmen. Das bestätigen An­wäl­t:in­nen und Betroffenenorganisationen. Anne S. und Rebecca P. erklärten schon da, sie wollten das Strafrecht verändern, damit sich Frauen wehren können und Täter abgeschreckt werden.

Mittlerweile hat die Petition der beiden Frauen aus Leipzig mehr als 25.000 Stimmen. Dieser Zuspruch fühle sich gut an, sagt Rebecca. Überrascht sei sie aber nicht. „Egal wem wir davon erzählt haben, die Leute haben geschockt reagiert.“ Sie glaube, dass es zu der Frage keine zwei Meinungen gebe, „weil das niemand gut findet, heimlich nackt gefilmt zu werden“.

Strafen für Voyeur-Aufnahmen

Die Diskussion darüber, sexuell motivierte Aufnahmen strafbar zu machen, hatte Anfang des Jahres schon eine andere Petition ins Rollen gebracht. Der Auslöser: In Köln filmte ein Mann im Februar den Hintern der Joggerin Yanni Gentsch. Die bemerkte das, stellte ihn zur Rede und wollte ihn anzeigen. Aber auch das ging nicht, keine Straftat. Also forderte Gentsch schließlich mit einer Petition, Voyeur-Aufnahmen strafbar zu machen – und sammelte mehr als 150.000 Unterschriften.

Im Oktober kündigte Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) dann ein Gesetz an, um unter anderem voyeuristische Aufnahmen strafbar zu machen. Ein konkreter Vorschlag liegt noch nicht vor. Trotzdem bekommt Hubig bereits Gegenwind.

Die Jus­tiz­mi­nis­te­r:in­nen der Bundesländer stimmten bei ihrer Konferenz im November in Leipzig mehrheitlich gegen den Vorschlag. Erklärend äußerte Sachsens Justizministerin Constanze Geiert (CDU) dazu: „Natürlich ist so ein Verhalten verwerflich und moralisch zu verurteilen. Aber das Strafrecht ist keine Supermoralinstanz.“ Es sei in solchen Fällen schwer, strafbares von nicht-strafbarem Verhalten zu unterscheiden.

Anne S. und Rebecca P. überrascht das. Anne S. betont, es sei „unglaublich, dass voyeuristische Aufnahmen, in unserem Fall nackt in sensiblen Räumen, nicht strafbar sind“. P. bestätigt das. Klar sei es nicht einfach, Gesetze umzusetzen. Aber sie wünsche sich, dass Po­li­ti­ke­r:in­nen sich in die Situation der Betroffenen versetzen. „Dass der Mann das Handy mit den Aufnahmen von uns und den anderen Frauen wieder zurückbekommen hat, ist eine Katastrophe.“

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