Petition gegen Gin mit Götternamen: Wie Aldi Hindus verärgerte
Aldi Süd benennt eine Gin-Kreation nach Saraswati, der hinduistischen Göttin der Gelehrsamkeit. Anhänger des Hinduismus sind empört.
Spätestens seit der Ikeaisierung des Abendlandes wissen wir, dass Produktnamen ungewöhnlich ausfallen können. Problematisch kann es werden, wenn Firmen auf kulturelle oder religiöse Begriffe zurückgreifen. Wie etwa der Discounter Aldi Süd, der seine „von der asiatischen Küche inspirierte Gin-Kreation“ Saraswati nach einer hinduistischen Göttin benannte. Für unter 10 Euro gibt es einen halben Liter Spirituose mit Angelika- und Korianderaromen, ein bisschen Exotismus inklusive.
Im Hinduismus ist Saraswati die Göttin der Weisheit, des Wissens, der Kunst und Musik. Dies wird durch Objekte symbolisiert, die sie in ihren vier Händen hält: Die Veden, heilige Schriften der Hindus, stehen für universelles Wissen; die Gebetskette (Mala oder Japmala) symbolisiert Spiritualität. Außerdem hält sie eine Wasserschale (Kumandalu), welche für Reinigung und Kreativität steht, sowie ein Zupfinstrument (Vina) als Symbol für Kunst und Musik.
Besonders wichtig ist Saraswati für Schüler*innen: Bevor ein hinduistisches Kind zum ersten Mal einen Stift in der Hand hält, erbittet es im Tempel seinen Segen für einen erfolgreichen Bildungsweg. Auch in Universitäten wird die Göttin verehrt. „Nicht annähernd könnte der Name dieser Göttin mit etwas assoziiert werden, das nichts mit Bildung, Weisheit oder Kunst zu tun hat, und am allerwenigsten mit Alkohol“, schreiben die Initiator*innen einer Petition, die sich gegen Aldi Süd richtet.
Die Benennung sei respektlos, sagt auch Siva Sri Arumugam Paskarakurukkal, Oberster Priester der Hinduistischen Gemeinde in Deutschland. Insbesondere da der Hinduismus Alkohol ablehnend gegenüberstehe. Er unterstütze daher die Forderung der Petitionssteller*innen, das Aktionsprodukt auszulisten und sich bei der hinduistischen Gemeinde zu entschuldigen.
Kulturelle Aneignung des Hinduismus
Die Petition hebt außerdem hervor, dass es sich bei der Benennung um kulturelle Aneignung handle. Kulturelle Aneignung bedeutet, dass der dominierende, zumeist weiße Teil der Gesellschaft ein kulturelles Element einer marginalisierten Gruppe übernimmt, ohne dessen Herkunft und Bedeutung anzuerkennen oder zu respektieren. Dabei kann es sich zum Beispiel um Mode, Frisuren oder, wie in diesem Fall, religiöse Elemente handeln.
Hindus sind oft von kultureller Aneignung betroffen: Etwa wenn weiße Menschen sich zum Partymachen ein Bindi auf die Stirn kleben oder auf einem sogenannten Color Run mit Farbpulvern um sich werfen, eine Tradition des hinduistischen Holi-Fests. Die Petitionssteller*innen und Siva Sri Arumugam Paskarakurukkal erklären, dass sie die Aneignung jeder Religion verurteilen. Heute seien es die Hindus, morgen könnte es Angehörige jeder anderen Religion treffen, heißt es in der Petition.
Auf Anfrage der taz am Wochenende antwortet Aldi Süd, man möchte sich entschuldigen. Bei einer Wiederholung der Aktion würde man den Gin anders benennen. „Die Namensgebung Saraswati hat unser Lieferant gewählt, um die positiven Eigenschaften, die der hinduistischen Göttin Saraswati zugeschrieben werden, auch für das Produkt zu transportieren“, so die Pressesprecherin. Welche Eigenschaften das hätten sein sollen, lässt der Discounter offen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Aktionismus nach Magdeburg-Terror
Besser erst mal nachdenken
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Gedenken an den Magdeburger Anschlag
Trauer und Anspannung