Petition für Wlan in Altenheimen: Freies Netz für Senioren
Auch ältere Menschen wollen ins Internet. Doch nur in wenigen deutschen Pflegeheimen gibt es kostenloses WLAN. Eine Petition soll das ändern.
Wie bringt man Menschen bei, Smartphones zu bedienen, die zuvor noch nie einen Computer eingeschaltet haben, die noch nie von Browsern, WhatsApp oder Skype gehört haben, die teils noch denken, dass ein falscher Mausklick das gesamte Internet löschen kann? Dagmar Hirche weiß es. Schließlich haben sie und ihre Kollegen schon knapp 4.000 Senioren den Umgang mit Smartphones, Tablets und Co beigebracht.
Hirche ist Vorstandsmitglied des Vereins „Wege aus der Einsamkeit“, der in den Hamburger Vereinsräumen und im Digitalen Lernzentrum Berlin kostenlose Computer- und Smartphonekurse für Senioren anbietet, aber auch Kurse direkt in Pflegeheimen – sofern es dort eine stabile Netzverbindung gibt. „Das Internet kann die Menschen aus der Einsamkeit holen. Sie können am Weltgeschehen teilhaben, mit der Familie kommunizieren oder einkaufen“, sagt sie, „und immer mehr Senioren wollen das auch.“
Es gibt nur ein Problem: ohne Anschluss auch kein Internet. Denn in den wenigsten Alten- und Pflegeheimen gebe es entsprechende Angebote, schon gar nicht kostenlos, sagt sie. Dagegen will der Verein jetzt mit einer Petition vorgehen, die an die Bundesregierung gerichtet ist.
„An immer mehr Orten entstehen kostenfreie WLAN-Angebote. Aber die meisten Menschen in den Pflegeheimen sind nicht mehr mobil, sie können nicht einfach zum nächsten Hotspot gehen. Die Angebote müssen zu ihnen kommen“, sagt die 61-Jährige. Und das müsse auch Aufgabe der Politik sein.
Überhebliche Argumente
Das Argument, alte Menschen würden Onlineangebote ohnehin kaum nutzen, hält sie für überheblich: „Es ist nicht das Interesse, das fehlt, sondern der richtige Zugang. Auch Senioren müssen an der Digitalisierung teilhaben können, sonst grenzen wir sie nur noch mehr aus.“
Tatsächlich bieten nur wenige deutsche Pflegeheime einen kostenlosen Internetanschluss an, so das Ergebnis einer Studie des Portals pflegemarkt.com. Dafür wurden 575 Pflegeheimleiter nach der Verfügbarkeit von WLAN in ihren Einrichtungen befragt. Das Ergebnis: Nur knapp ein Drittel der befragten Heime bietet den Bewohnern überhaupt die Möglichkeit einer WLAN-Nutzung an. Der Anteil der Heime mit kostenlosem Netzzugang ist mit 6 Prozent noch geringer.
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.
Zumindest einige Heime haben das Problem erkannt. So plane ein Viertel der Senioreneinrichtungen ohne Netz, in absehbarer Zeit nachzurüsten. So etwa die französische Korian-Gruppe – Deutschlands größter privater Pflegeheimbetreiber –, die bis Jahresende gut die Hälfte ihrer 220 Pflegeheime mit kostenlosem WLAN ausstatten will.
Damit reagiert man auch auf die steigende Nachfrage, die Zahlen des Statistischen Bundesamts belegen. Nutzten im Jahr 2010 nur knapp 35 Prozent der über 65-Jährigen das Internet, waren es 2017 schon mehr als die Hälfte. Bei den 45- bis 64-Jährigen liegt der Anteil sogar bei 93 Prozent.
Um das Thema Digitalisierung und Alter weiter voranzutreiben, fährt Hirche unterdessen quer durchs Land, hält Vorträge, diskutiert in Gesprächsrunden und teilt ihr Anliegen auf diversen Social-Media-Kanälen. „Nur wenn wir mehr Menschen auf das Thema aufmerksam machen, kann sich wirklich etwas verändern“, sagt Hirche. Die etwas mehr als 1.000 Unterschriften der Petition sind ein erster Schritt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Ampel-Intrige der FDP
Jetzt reicht es sogar Strack-Zimmermann
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag