Petition der Woche: Raus aus der Schmuddelecke
Die Ampel will den Paragrafen 219a abschaffen. Doch Schwangerschaftsabbrüche sollten entkriminalisiert werden, fordert ein Bündnis.
Im Herbst 2017 gingen bundesweit tausende Frauen auf die Straße. Sie klebten sich den Mund mit Pflastern zu, um zu verdeutlichen, wogegen sie protestierten: Dass Ärzt:innen hierzulande nicht öffentlich darüber informieren dürfen, ob und wie sie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Die Proteste kochten zu dieser Zeit hoch, weil die Ärztin Kristina Hänel zu einer Geldstrafe von 6.000 Euro verurteilt worden war. Sie hatte laut Gesetz etwas Verbotenes gemacht: Sie informierte ungewollt Schwangere über ihre medizinischen Leistungen.
Nun sieht alles danach aus, als ob das Informationsverbot für Schwangerschaftsabbrüche nicht mehr lange Bestand hat. Die Ankündigung, den Paragrafen 219a abschaffen zu wollen, ist eines der ersten Vorhaben von Justizminister Marco Buschmann (FDP) in der Ampelkoalition. Zwar wird es voraussichtlich noch einige Monate dauern, bis der Paragraf tatsächlich gestrichen ist. Aber da Grüne, FDP und SPD schon in der vergangenen Legislatur jeweils eigene Gesetzentwürfe vorgelegt hatten, wird die Abschaffung aller Voraussicht nach eine eher leichte Übung.
Ganz anders sieht es im Fall des Paragrafen 218 des Strafgesetzbuchs aus, der Abbrüche generell kriminalisiert. Seit mehr als 150 Jahren sind sie in Deutschland grundsätzlich illegal und nur unter bestimmten Bedingungen straffrei. Gegen diese Kriminalisierung richtet sich nun ein Bündnis von Vereinen und Initiativen mit einer Petition auf Weact, der Petitionsplattform der Organisation Campact. Seit dem Start Mitte Februar haben schon über 72.000 unterzeichnet.
Zwar sei die geplante Streichung von Paragraf 219a ein erster Schritt – doch dieser reiche nicht aus, so Mitinitiatorin Leonie Kühn vom Verein Doctors for Choice. „Wir fordern die Ampelkoalition auf, Paragraf 218 zu streichen. Ein Schwangerschaftsabbruch darf keine Straftat sein.“
Die Entkriminalisierung von Abbrüchen ist Teil der Programme von SPD und Grünen, also von zwei der drei Regierungsparteien. Im Koalitionsvertrag steht sie trotzdem nicht. Lediglich eine Kommission soll prüfen, inwiefern es möglich ist, Abbrüche außerhalb des Strafgesetzbuchs zu regeln. „Bei der Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen versteckt sich die Bundesregierung bislang hinter Prüfaufträgen“, so das Bündnis, das sich konkret an Justizminister Buschmann, Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Frauenministerin Anne Spiegel (Grüne) richtet. Ziel der Petition sei es, durch Zehntausende Unterstützer:innen die Bundesregierung zum Handeln zu bringen.
Denn die Kriminalisierung von Abbrüchen hat schwerwiegende Folgen. Noch immer gelten sie als etwas Schmuddeliges, wenige sprechen darüber. In der medizinischen Ausbildung werden sie kaum oder gar nicht gelehrt, auch eine medizinische Leitlinie gibt es dazu noch immer nicht. Weil sie Stigma und Kriminalisierung fürchten, bieten zudem immer weniger Ärzt:innen Schwangerschaftsabbrüche an. Das wiederum führt dazu, dass einige Regionen hierzulande drastisch unterversorgt sind und ungewollt Schwangere bis zu 150 Kilometer weit fahren müssen, um einen Abbruch zu bekommen.
All das wollen die Initiator:innen der Petition ändern. Schwangerschaftsabbrüche, fordern sie, müssen „selbstverständlicher Teil öffentlicher Gesundheitsversorgung sein“.
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