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Peter Weissenburger Mitarbeiterin der WocheSandra Weeser

Karikatur: Elias Hauck

Provokante Statements über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sind so etwas wie Volkssport geworden (siehe: den populistischen Twitter-Beitrag von Sahra Wagenknechts „Aufstehen“-Bewegung von Samstag, stilecht mit dem Schimpfwort „Regierungsrundfunk“ versehen). Der Rundfunkbeitrag ist unbeliebt, der dahinterstehende Apparat aber zu kompliziert – wie soll man sich dem nähern? Gerade Politiker*innen wetteifern gern um den besten Diss gegen ARD und ZDF.

Die rheinland-pfälzische FDP-Politikerin Sandra Weeser versuchte es neulich mit folgender Aussage auf Twitter: „#Netflix und #AmazonPrime sind zusammen günstiger als die #Öffentlichen. Trotzdem fordern Letztere immer wieder mehr Geld. Respektlos! #GEZ“. Hintergrund ist, dass in diesem Jahr die Sendeanstalten wieder ihren Wirtschaftsplan anmelden, eine Kommission (die KEF) ermittelt daraus den Finanzbedarf, danach entscheiden die Ministerpräsident*innen über die Höhe des Rundfunkbeitrags.

Da die ARD sich für eine Erhöhung ausspricht, die Politik das aber möglichst verhindern will, wird es zu Streit kommen. Ganz sicher. Dazu kommt, dass einige Länder vorgeschlagen haben, das ganze Verfahren zu ändern und den Rundfunkbeitrag automatisch mit den Preisen steigen zu lassen. Die FDP wiederum fordert schon lange, die öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu schrumpfen.

Schon verwirrt? Natürlich. Viel einfacher ist es, steile Thesen aufzustellen. Zum Beispiel die mit Netflix und Amazon. Sandra Weeser hat sich mit dem Vergleich jede Menge Häme im Netz abgeholt. Denn natürlich schicken die Streaming-Anbieter niemanden tagesaktuell in entlegene Regionen und recherchieren auch nicht wöchentlich über Industriespionage oder Steuerbetrug.

Obgleich es eine Debatte über die Aufgaben und die Zukunft der beitragsfinanzierten Sender geben muss – solche Vergleiche helfen wenig.

Was allerdings auch Sandra Weeser begriffen und sich vergangene Woche für den Fehltritt entschuldigt hat. „Diesem Tweet fehlte eine Menge Fingerspitzengefühl“, schrieb sie kurz vor dem Jahreswechsel. Wenn alle beim Thema Rundfunkbeitrag so einsichtig wären, wenn sie mal über das Ziel hinausgeschossen sind, dann wäre die Debatte um einiges angenehmer – und womöglich sogar produktiver.

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