Peter Altmaier über die Endlagersuche: „Mein Lieblings-Grüner ist Trittin“
Der CDU-Umweltminister ist hochzufrieden mit dem Konsens zum Atommüll. Da kann er sich sogar Lob für die Grünen leisten. Doch regieren will er weiter mit der FDP.
taz: Herr Altmaier, wer ist eigentlich Ihr Lieblings-Grüner?
Peter Altmaier: Soll ich die jetzt alle aufzählen?
Nein, einer reicht.
Der 54-jährige Jurist aus dem Saarland wurde im Mai 2012 Bundesumweltminister als Nachfolger von Norbert Röttgen. Zuvor war er parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion und Staatssekretär im Innenministerium, noch früher EU-Beamter. In der Partei gilt er als Unterstützer einer Öffnung zu den Grünen.
Ich will ja niemanden eifersüchtig machen. Aber wenn’s nur einer sein soll, dann nehme ich Jürgen Trittin. Aber er ist natürlich nicht der Einzige. In der Pizza-Connection habe ich vor vielen Jahren mit dafür gesorgt, dass Berührungsverbote zwischen Union und Grünen durchbrochen wurden.
Was schätzen Sie an Trittin?
Er hat als mein Vorgänger im Amt des Bundesumweltministers große Erfahrung und weiß, wovon er spricht. Darum arbeite ich gern mit ihm zusammen. Er spielt noch immer gern den Vorzeige-Linken, aber im entscheidenden Moment kann er auch über seinen Schatten springen – wie jetzt bei der Endlager-Einigung.
Die ist ja noch recht frisch. Am Dienstag haben sich Regierung und Opposition, Bund und Länder über einen Neubeginn der Endlagersuche geeinigt. Was ist das richtige Adjektiv für diesen Kompromiss?
Die Einigung kann man schon als historischen Durchbruch bezeichnen. Nach dem Atomausstieg 2011 beendet sie endgültig einen 30-jährigen Konflikt mit weitreichenden Folgen für die künftige „politische Geografie“. Bisher ist die Endlagerfrage ohne ausreichende Beteiligung der Öffentlichkeit und im parteipolitischen Konflikt behandelt worden. Das ist jetzt vorbei.
Aber gehen die eigentlichen Probleme jetzt nicht erst los?
Natürlich, und es gibt auch keine Garantie, dass die Endlagersuche jetzt konfliktfrei vonstattengeht. Schließlich stehen bisher kaum Bewerber Schlange, die sich als Standort bewerben. Aber wir haben jetzt erstmals die Voraussetzung für ein faires Suchverfahren geschaffen, an dem alle gesellschaftlichen Gruppen beteiligt sind.
Zumindest eine Gruppe ist nicht einverstanden: Die Anti-Atom-Bewegung kritisiert, dass erst ein Gesetz beschlossen wird und dann in einer Kommission über die Grundlagen entschieden wird. Wäre das nicht andersrum sinnvoller?
Das hätte man machen können – wenn vor vier Jahren mit der Konsenssuche begonnen worden wäre. Jetzt gab es bei allen Beteiligten die Sorge, dass sich das Zeitfenster für einen Kompromiss wieder schließt, wenn wir bis nach der Bundestagswahl warten.
Wieso das? Rechnen Sie mit einem Regierungswechsel?
Nein. Trotzdem werden nicht unbedingt alle Beteiligten die gleichen sein, so dass man in vielen Fragen neu anfangen müsste. Zudem haben vor einer Wahl, wenn sich noch alle Parteien Hoffnung auf Regierungsbeteiligung machen, alle ein gleichmäßiges Interesse daran, dass es zu einem Konsens kommt. Und durch die Kommission stellen wir trotz der Eile beim Gesetz sicher, dass in Ruhe diskutiert werden kann.
Sehen Sie nicht die Gefahr, dass die Ergebnisse der Kommission später einfach ignoriert werden?
Das kann ich mir nicht vorstellen. Natürlich sind die Abgeordneten unabhängig, denen können Sie keine formalen Vorgaben machen. Aber wenn wir jetzt eine Kommission im Konsens einsetzen, bin ich überzeugt, dass deren Empfehlungen auch im Bundestag eine große Chance auf Verwirklichung haben.
Ist das jetzt mehr Ihr Sieg – oder mehr der von Jürgen Trittin, der vor 13 Jahren schon mal ein ähnliches Verfahren geplant hat?
Es ist ein Sieg unserer parlamentarischen Demokratie, die in wichtigen Fragen immer wieder zu Konsensbildungen über Parteigrenzen hinweg imstande ist.
Eine sehr uneitle Analyse.
Sicherlich sehen Sie mich nach dieser Einigung als glücklichen Menschen. Als Umweltminister bin ich schon kraft Amtes nicht ganz unbeteiligt. Aber es ist auch ein Gebot der Klugheit, zu wissen, dass solche Gesetze viele Väter haben.
Weniger erfolgreich verläuft Ihre andere Großbaustelle, die Energiewende. Mit Ihrer „Strompreisbremse“ sind Sie krachend gescheitert.
Das würde ich nicht so sehen. Die Energiewende ist in allen Teilen richtig und notwendig. Aber die steigenden Kosten sind ein reales Problem, das die Akzeptanz des ganzen Projekts gefährdet. Darum habe ich Vorschläge gemacht, wie sich die Dynamik brechen lässt. Die sind in der ersten Runde nicht mehrheitsfähig gewesen. Aber ich bin überzeugt: In dem Ausmaß, in dem sich das Preisrisiko konkretisiert, wird auch bei SPD und Grünen ein neues Nachdenken einsetzen.
Dass beim Thema Energiewende fast nur noch über die Kosten geredet wird, ist doch auch Ihre Schuld. Zuletzt haben Sie mögliche Kosten von einer Billion Euro genannt. Ist das nicht reine Panikmache?
Nein, die Zahl ist schon real, das kann jeder nachrechnen. Sie gilt für den gesamten Zeitraum bis zum Jahr 2040, wenn wir bis dahin nichts ändern, und zwar für die Einspeisevergütungen, die bis dahin fällig werden.Hinzu kommen Leitungen, die Vorhaltung von Reservekapazitäten, die energetische Gebäudesanierung, Speicherausbau und Speicherforschung sowie E-Mobilität. Ich wollte darauf hinweisen, welchen Risiken wir ausgesetzt sind.
Aber auch ohne Energiewende müssten doch Kraftwerke und Leitungen irgendwann erneuert werden.
Das stimmt. Aber durch die Energiewende brauchen wir mehr Leitungen – etwa für die Windkraftwerke im Meer. Und wir brauchen zusätzlich neue konventionelle Kraftwerke als Reserve – für die Zeit, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht.
Ihre Rechnung ignoriert auch die großen Einsparungen der Energiewende – etwa durch vermiedene Umweltschäden.
Natürlich gibt es diese volkswirtschaftlichen Effekte. Aber der Rentnerin oder dem Familienvater, die ihr Haushaltsgeld verwalten müssen, ist die Frage des gesellschaftlichen Nutzens nur ein begrenzter Trost, wenn sie nicht wissen, wie sie ihre Stromrechnung bezahlen sollen.
Um denen zu helfen, muss man aber nicht zwangsläufig die Energiewende bremsen. Sie könnten auch die vielen Ausnahmen für die Industrie streichen oder die Stromsteuer senken.
An die Industrieausnahmen will ich ja ran – aber da hatten dann ausgerechnet rot-grün regierte Länder wie Nordrhein-Westfalen Vorbehalte.
Keine Frage: Bei diesem Thema sind Sie näher an den Grünen als an SPD oder FDP. Wünschen Sie sich nicht manchmal, mit Ihrem Lieblings-Grünen Jürgen Trittin am Kabinettstisch zu sitzen statt mit dem Energiewende-Blockierer Philipp Rösler von der FDP?
Nein. Ich weise darauf hin, dass ich mich gemeinsam mit Philipp Rösler auf die Kürzung der Industriesubventionen verständigt habe. Jürgen Trittin ist hier sehr viel leiser geworden.
Aber bei anderen Themen, etwa dem Emissionshandel, liegen Sie sich mit Rösler weiter in den Haaren. Bietet sich die Energiewende nicht für weitere schwarz-grüne Flirts an? Sie wäre doch der ideale Mann für diese strategische Option.
Diese Diskussion ist nicht real. Die Grünen sind vergeben, die CDU ist es auch. Uns steht ein Wahlkampf mit zwei klaren Alternativen bevor: Wir werben für die Fortsetzung dieser Koalition. Die CDU muss als Volkspartei der Mitte die bürgerliche Moderne abbilden. SPD und Grüne werben für Rot-Grün.
Aber Sie wissen, dass es im September in einem Fünf-Parteien-Parlament für keine dieser Koalitionen reichen könnte. Schließen Sie Schwarz-Grün für diesen Fall aus?
Ich spekuliere nicht darüber, was nach dem Wahlsonntag im September passiert. Das wäre unredlich. Aber Schwarz-Grün ist von den theoretisch denkbaren Optionen die theoretischste.
Wir halten fest: Sie schließen es nicht aus. Welches Ministerium würden Sie in einer solchen „Koalition der bürgerlichen Moderne“ anstreben?
Manch einer, auch bei den Grünen, wäre vielleicht ganz froh, wenn ich mein Amt als Umweltminister auch in Zukunft weiter ausübe. Die schwierigen und konfliktreichen Fragen der Energiewende müsste dann weiterhin ich verantworten.
Das klingt ja schon nach konkreten Verhandlungen.
Im Ernst: Ich verantworte ein hochspannendes Ressort und würde dies – in einer schwarz-gelben Koalition – gern weiter tun. Ich habe gerade erst angefangen.
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