Personalquerelen in der FDP: Einer mit Humor
Wer führt eigentlich die FDP? Im Moment scheinbar niemand. Eine schöne Gelegenheit für Dirk Niebel, sich ins Gespräch zu bringen.
„Doch, doch, es gibt in der FDP jemanden, der meint, Dirk Niebel könne Parteichef. Sein Name: Dirk Niebel.“ So lautet ein Bonmot, der bei den Liberalen gern erzählt wird und dort regelmäßig für Heiterkeit sorgt.
Auch Dirk Niebel selbst sieht die Sache wohl so oder ähnlich. Anders wäre kaum zu erklären, warum der Entwicklungshilfeminister in einem Zeitungsinterview vorgeschlagen hat, seine Partei möge doch mit einer Doppelspitze in den Bundestagswahlkampf ziehen. Einem Duo, bestehend aus dem Parteivorsitzenden und einem besonders geeigneten Kandidaten, dem die Herzen und die Stimmen der FDP-WählerInnen nur so zuflögen.
„Sie sehen auch bei der SPD, dass ein Spitzenkandidat nicht zwingend Parteichef sein muss“, unterfüttert Niebel seinen Vorschlag gegenüber der Rheinischen Post. Gewöhnlich, fährt er freimütig fort, gelte ja der aktuelle Parteivorsitzende als Spitzenkandidat gesetzt – „es sei denn, es gibt gute Gründe, das anders zu entscheiden“.
Gute Gründe? Uijuijui, das klingt nicht gut für Philipp Rösler. Es klingt nach Tratsch und Sägen an Stühlen in einer Partei, in der die Abgeordneten zehn Monate vor der Bundestagswahl schon mal damit anfangen, sich gegenseitig fertig zu machen.
Man muss es ausschreiben, um es noch glauben zu können: Vierzehnkommasechs Prozent hatten die Liberalen 2009 im Bund geholt. 14,6! Das machte 96 Bundestagssitze mit allem Zipp und Zapp für die FDP. Dieser Tage liegen für jeden dieser Parlamentarier „gute Gründe“ vor, sich ein paar Fragen zu stellen, die eigene Zukunft betreffend.
„Zeitvertrag mit dem Wähler“
Wird es die FDP überhaupt wieder ins Parlament schaffen? Wenn nicht – in den Umfragen liegt sie seit Monaten unter der Fünfprozenthürde – ist eh alles egal und die Floskel vom „Zeitvertrag mit dem Wähler“ gewinnt an Bedeutung.
Wer darf bleiben, wenn die Liberalen es doch noch schaffen? Tja. Wie in den Landesverbänden um die besten Listenplätze gerangelt wird, konnte man gerade sehr schön bei der Südwest-FDP begutachten. Da hatte Ex-Landeschef Walter Döring versucht, seine Nachfolgerin Birgit Homburger aus dem Weg zu räumen. Die wiederum trickste Döring aus – und nun ist Dirk Niebel der Spitzenkandidat. Aber nur in Baden-Württemberg.
Und dann wäre da noch die Frage nach dem Parteichef. Wer führt? Tja, im Moment keiner. Philipp Rösler ist zwar der Parteivorsitzende, er hat auch ein Büro im Berliner Thomas-Dehler-Haus. Aber in Erscheinung tritt er eher als Bundeswirtschaftsminister sowie und als jener Mann, der bei den wichtigen Parlamentsdebatten stumm neben der Kanzlerin sitzt. Dass seine Tage spätestens dann gezählt sind, wenn die FDP bei der Niedersachsen-Wahl scheitert, ist ein offenes Geheimnis. Dass als sein Nachfolger ausgerechnet Fraktionschef Rainer Brüderle gehandelt wird (der bald nach der Wahl sein 68. Wiegenfest feiern wird), zeigt, wie unglaublich dünn die FDP-Personaldecke bereits ist.
Dieser blonde Mann in Nordrhein-Westfalen
Dirk Niebel, 49, hat seine Möglichkeiten offenbar messerscharf analysiert und tritt noch ein bisschen nach. Der Rheinischen Post sagt er: „Der Fraktionsvorsitzende, der Parteivorsitzende und alle anderen Mitglieder des Präsidiums müssen im Team die Bundestagswahl meistern.“ Was soviel heißt wie: der Philipp kriegts so offensichtlich nicht hin, da nutze ich doch die Gelegenheit, mich als FDP-Präsidiumsmitglied in den Vordergrund zu spielen.
Schön, dass Dirk Niebel tatsächlich glauben mag, er könne Parteichef. Es gibt da jedoch auch noch diesen blonden Mann in Nordrhein-Westfalen. Christian Lindner heißt der, war mal Bundestagsabgeordneter und FDP-Generalsekretär, ist in der Krise seines Landesverbandes nach Düsseldorf in den Landtagswahlkampf geeilt und hat sagenhafte 8,6 Prozent der Stimmen geholt. Seitdem macht er dort seinen Job als Politiker und insgesamt eine gute Figur. Und noch etwas kann er: Loyalität. Über Philipp Rösler war bis heute kein schlechtes Wort von ihm zu vernehmen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
Die Wahrheit
Der erste Schnee
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten