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Personalpolitik bei der PolizeiUmstrittene Rochade

Die Polizeiführung tauscht zentrale Posten in Kreuzberg aus. Der Leiter des Abschnitts 53 wird versetzt. Eine Frau soll seinen Platz einnehmen. Daran gibt es Kritik.

Für zwei leitende Beamte ist die Reise in Kreuzberg zu Ende. Bild: dpa

Voll des Lobes waren Innensenator Frank Henkel (CDU) und Polizeipräsident Klaus Kandt, als sie nach dem 1. Mai vor die Presse traten. Dass der Tag so friedfertig verlaufen sei, sei das Ergebnis harter Arbeit. Die Polizei habe Exzellentes geleistet. Jeder in seinem Bereich. Auf taz-Nachfrage bestätigte Kandt eigens: „Auch die Direktion 5“.

Die Direktion 5, zuständig für Kreuzberg, wird von Stefan Weis geleitet. Vorstellbar ist, dass Weis das Lob des Polizeipräsidenten als Hohn empfunden hat. Ähnlich könnte es Lars Neumann ergangen sein. Neumann leitet den für Kreuzberg zuständigen Polizeiabschnitt 53. Sogenannte Brennpunktgebiete – Hotspots – gehören zu seinem Revier: der Görlitzer Park, die ehemalige Gerhart-Hauptmann-Schule, das Kottbusser Tor, der Oranienplatz. Im Vergleich zu Weis ist Neumann ein kleines Licht. Aber der Vorgesetzte Weis und der Untergebene Neumann haben eines gemein: Beide werden sie vom Polizeipräsidenten aus Kreuzberg versetzt.

Weis wird ab Juli die für Spandau, Charlottenburg und Wilmersdorf zuständige Direktion 2 leiten. Er war keine zwei Jahre Direktionschef von Kreuzberg. Sein Stellvertreter darf gleich mitgehen. Das klingt nach Reinem-Tisch-Machen. Offiziell wird von normaler Rotation gesprochen. Aus Polizeikreisen hört man: Weis sei das Bauernopfer – für die Versäumnisse der Politik, die der Eskalation im Görlitzer Park allzu lange zugesehen hatte. Dass Weis versetzt wird, ist seit Monaten bekannt. Dass auch Abschnittsleiter Neumann seinen Stuhl räumen muss, wurde letzte Woche bekannt. Nicht nur bei Teilen der Polizei – auch im Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg sorgt die Entscheidung für Fassungslosigkeit und Empörung. Mit Sachkenntnis habe das nichts tun, heißt es.

Die Bürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) bezeichnet die Entscheidung als absolut kontraproduktiv. Kreuzberg mit seinen vielfältigen Problemen brauche einen Abschnittsleiter, der Ruhe und Verlässlichkeit ausstrahle. Neumann verkörpere beides.

Neumann war auf einem Abschnitt in Neukölln tätig, bevor er vor knapp zwei Jahren nach Kreuzberg kam. Er sei kiezerfahren, habe ein gutes Standing im Revier, verfüge über ein solides Netzwerk zu relevanten Personen und Gruppen, sagt Herrmann. Auch Jana Borkamp, grüne Finanzstadträtin des Bezirks, bescheinigt Neumann Fingerspitzengefühl, auch was Flüchtlinge betreffe.

Und warum muss der Abschnittsleiter nun den Posten räumen? „Gezielte Frauenförderung“ wird aus gut unterrichteten Polizeikreisen als Grund genannt. Die Nachfolgerin steht bereits fest. Die Kriminaldirektorin Tanja Knapp, zurzeit Leiterin der Zentralen Prävention im Präsidium, soll den Abschnitt 53 alsbald übernehmen.

Der Frauenanteil bei der Schutzpolizei liegt derzeit bei knapp 24 Prozent. Bei der Kripo sind es 37 Prozent. Je mehr es die Karriereleiter hinaufgeht, umso weniger sind Frauen zu finden. Die Leitungsposten der sechs Direktionen sind ausschließlich von Männern besetzt. Von den insgesamt 37 Polizeiabschnitten in Berlin wird derzeit nur ein einziger von einer Frau geleitet.

Frauen in der Polizei

Es gilt also einiges aufzuholen. Dem Vernehmen nach ist Vizepräsidentin Margarete Koppers bei Personalangelegenheiten eine gewichtige Person im Präsidium. Die Juristin hatte die Behörde nach der Pensionierung des früheren Polizeipräsidenten Dieter Glietsch 2011 eineinhalb Jahre kommissarisch geleitet. Glietsch stand zwar für eine bürgerfreundliche Hauptstadtpolizei. Frauen in der Polizei nach vorn zu bringen war aber nicht zuförderst sein Ziel. Koppers ist Verfechterin einer Frauenquote.

Die Gelegenheit aufzuholen ist günstig, weil im höheren Dienst gerade eine größere Pensionswelle stattfindet. Laut Polizeipräsident Kandt ist in der Behörde ein Personalentwicklungsprogramm aufgelegt worden. „Auch unter dem Aspekt der Frauenförderung“.

Kreuzberger Posten

Aber rechtfertigt der Zweck die Mittel, nämlich die Versetzung eines fähigen Abschnittsleiters, der noch weit vom Pensionsalter entfernt ist? Immerhin könnte Tanja Knapp auch auf jedem der anderen 36 Abschnitte Leiterin werden. Warum wird ihr gerade der Kreuzberger Posten zugeschanzt?

Die Antwort aus gut unterrichteten Kreisen lautet: Nur an einem Hotspot werde eine Frau von der Politik wahrgenommen und könne sich für höhere Ämter profilieren. Und was, wenn das schiefgeht? „Da wird ohne Rücksicht auf Verluste eine Königin aufgebaut“, verlautet es sarkastisch aus Polizeikreisen.

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1 Kommentar

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  • Ob nun Frauen aufrücken oder Männer - die Problematiken der Berliner Polizei werden dadurch nicht geringer. Das Bewusstsein eines Polizisten hängt weniger vom Geschlecht, als von politisch-sozialen Einstellungen ab. So könnte jeder Karriere-Posten mit einer Frau besetzt sein und es würde trotzdem schlecht laufen. Außerdem müsste in Berlin dieser Schlüssel dann explizit Migranten-Frauen einschließen und damit meine ich nicht nur Russlanddeutsche, sondern auch türkischen -, kurdischen- oder arabischen Migrationshintergrund.