■ Normalisierung der deutsch-chinesischen Beziehungen: Peking wahrt Kinkels Gesicht
Nach Meinung von Außenminister Kinkel sind die Beziehungen zu Peking nach den Gesprächen mit der chinesischen Führung jetzt wieder „gut“. Wie sich der Außenminister guter Beziehungen zu einem Regime rühmen kann, das massiv Menschenrechte verletzt, ohne sich daran indirekt mitschuldig zu machen, bleibt sein Geheimnis. Wahrscheinlich wollte er sagen, daß die Beziehungen jetzt wieder so sind, wie sie vor der chinakritischen Tibet-Resolution des Bundestages waren. Soll heißen: Es besteht jetzt keine Gefährdung deutscher Exporte mehr durch Beschlüsse des Bundestages, der bei Menschenrechten eine deutlichere Sprache spricht als die Regierung. Seit der Tibet-Resolution haben deutsche Diplomaten versucht, Peking klarzumachen, daß alles nicht so gemeint war. Kinkel ist jetzt hinter die Resolution zurückgefallen.
Geholfen hat ihm die Formulierung, der Menschenrechtsdialog solle „im Geiste gegenseitiger Achtung, gleichberechtigt und nicht konfrontativ“ erfolgen. Diese Formel drängt die chinesische Regierung zu keinen Konsequenzen und wahrt gleichzeitig Kinkels Gesicht. Kaschiert wird, daß Bonn keine konsistente Menschenrechtspolitik hat, auch wenn man Kinkel persönlich den Einsatz für einzelne Dissidenten zugute halten mag.
Die chinesische Regierung kann Kinkel erlauben, die Menschenrechte anzusprechen, weil Peking verstanden hat, daß Bonn im Interesse guter Wirtschaftsbeziehungen nicht nur keine Konsequenzen einfordert, sondern dabei selbst noch gegen eigene Grundsätze verstößt. Im Sinne glaubwürdiger Menschenrechtspolitik hätte Bonn keine Hermesbürgschaften für den Drei-Schluchten-Staudamm bereitstellen dürfen. Wer einen Menschenrechtsdialog führen will, darf kein Projekt unterstützen, das die Umsiedlung von 1,3 Millionen Menschen voraussetzt. Dies muß bei den Strukturen in China unweigerlich zu Menschenrechtsverletzungen führen.
De facto setzt die Bundesregierung in China allein auf „Wandel durch Handel“. Dies zeigt, daß sie zuerst an die Exportwirtschaft denkt und ihr die Menschenrechte zweitrangig sind. Zwar können weltwirtschaftliche Integration und Wirtschaftsreformen auch zu politischen Reformen führen – ein Automatismus für verbesserten Menschenrechtsschutz ist dies nicht. Der Schutz der Menschenrechte verlangt nach mehr, zumindest nach einer konsistenten Politik. Sven Hansen
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