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Pegida in Mecklenburg-VorpommernZusammenstöße in Stralsund

Die „MVgida“ macht einen aggressiven und gewaltbereiten Eindruck. Die Aufklärung erster gewaltsamer Auseinandersetzungen steht an.

Teilnehmer der MVgida in Stralsund am 12. Januar. Bild: dpa

STRALSUND taz | Es sollte kein friedlicher Marsch der MVgida („Mecklenburg-Vorpommern gegen die Islamisierung des Abendlandes“) in Stralsund werden. In den vergangenen Tagen verdichteten sich die Hinweise, dass aus dem „Abendspaziergang“ der MVgida am vergangenen Montag Übergriffen auf Gegendemonstranten erfolgt sind.

„Schon am Startpunkt eskalierte die Situation, später wurde eine Gruppe von etwa 40 Gegendemonstranten angegriffen“, sagt Robert Schiedewitz, Mitarbeiter der LOBBI (Landesweite Opferberatung, Beistand und Information für Betroffene rechter Gewalt in Mecklenburg-Vorpommern). Bisher seien mehrere Verletzungen bekannt.

Am Abend soll aus dem Tross mit rund 350 vermeintlichen Verteidigern des Abendlandes heraus eine Blockade von Gegendemonstranten durchbrochen worden sein – trotz der anwesenden Polizei. Nach einer Änderung der Route wegen der etwa 450 Gegendemonstranten erfolgte ein weitere Angriff, berichteten Betroffene Schiedewitz. An die 40 Demonstranten standen überrascht von der Routenänderung dem MVgida-Marsch gegenüber. Sofort sollen sie angegriffen worden sein.

Zu zweit und zu dritt hätten MVgida-Anhänger auf einzelne Gegendemonstranten eingeschlagen. Die überraschten Polizeikräfte am Ort der Schlägerei hätten sich zurückgezogen und zugeschaut. Die bisher bekannten Folgen seien blutige Nasen und geprellte Gesichter, so Schiedewitz. Neonazi-Gewalttäter seien von den MVgida-Organisatoren ungehindert auf Protestierende losgelassen worden.

Opfer oder Täter

Die Auseinandersetzungen in Stralsund streitet MVgida nicht ab. Auf ihrer Facebookseite betonen die Organisatoren jedoch, das sie nicht die Täter sondern die Opfer seien. Bereits nach 100 Metern wären sie von aggressiven Gegendemonstranten eingekesselt gewesen. Nur mit Hilfe „der eingesetzten Ordner der MVGIDA“ sei es „dann gelungen, einen freien Weg auszumachen“, schreiben sie. Später hätten sich dann „mutige MVgida-Teilnehmer“ erneut „den Angreifern in den Weg“ gestellt und den Demonstrationszug verteidigt.

Am Montag richtete MVgida neben Stralsund auch in in Schwerin einen „Abendspaziergang“ aus. In der Landeshauptstadt von Mecklenburg-Vorpommern war die Stimmung unter den 500 MVgida-Anhängern ebenfalls aggressiv gegen Gegendemonstranten und Journalisten. „Lügenpresse – auf die Fresse“ wurde skandiert, Gegendemonstranten angepöbelt. Über 800 Menschen protestierten dort gegen die selbst ernannten Patrioten.

Auf Nachfragen zu den Auseinandersetzungen und dem Polizeieinsatz in Stralsund verweist die Polizei mittlerweile auf das Innenministerium. Längst haben die offenen Fragen auch den Landtag erreicht. Der innenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Peter Ritter fordert von Innenminister Lorenz Caffier (CDU) diese „Vorfälle zügig aufzuklären“. Die Augenzeugenberichte hätten deutlich gemacht, dass MVgida-Teilnehmern äußert gewaltbereit agierten hätten, sagt Ritter, der auch wissen will, wie gegen die Gewalttäter ermittelt wird.

Es wird deutlicher, dass in Mecklenburg-Vorpommern NPD, rechte Hooligans und Freie Kameradschaften die Pegida-Bewegung dominieren. „Die MVgida ist ein Trojanisches Pferd der rechtsextremen Szene“, sagt Schiedewitz. Für diese Szene im Land habe sich eine neue Gelegenheitsstruktur ergeben, die es ihr ermögliche, sich auf themenverwandten Aufmärschen völlig ungehemmt zu verhalten und Kontakte ins gewaltbereite, bisher aber kaum mobilisierbare Hooligan-Milieu zu knüpfen. Neue Anmeldungen für Spaziergänge sollen bereits vorliegen.

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9 Kommentare

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  • Gesetze gelten:

     

    http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:32007R0863&rid=1

     

    Die sind nicht die Forderungen von A-Zegida. Das ist geltendes Recht, demokratisch legitimiert.

     

    Neu oder aussergewoehnlich sind weder die Tonart, der Wortlaut oder die Umgangsformen mit als Auslaender gekennzeichneten Menschen. Woher also die Aufregung, wenn jetzt nicht uniformierte, private Buerger die gleiche Sache zu ihrer erklaeren, und auch machen?

     

    Ist es wirklich verwunderlich, wenn staatliche Ordnungskraefte keine Motivation verspueren einzugreifen, wenn Kritiker der staatlichen Asylpolitik von kritischen Befuerwortern dieser Asylpolitik verpruegelt werden?

     

    Wenn dieselben Retter des Abendlandes, im Dienst, mit staatlichem Auftrag, dieselben Forderungen an Auslaendern vollstrecken wuerden, waere das kein Skandal, sondern ein Erfolg im Kampf gegen den internationalen Menschenhandel.

     

    Man muss sich schon doof stellen, um die Gemeinsamkeiten der A-Zegida mit der etablierten, demokratischen Rechtspraxis zu uebersehen. Linke, Auslaender, oder das was die Parteigaenger von unten dafuer halten, wird nicht erst seit ein paar Wochen verfolgt, geschaedigt oder ermordet.

     

    Das Einzige was A-Zegida von den regierenden Parteistandpunkten unterscheidet, ist deren fehlende Legitimitation. Praktisch, in der Sache ist man sich einig. Die Wahl der Mittel, die Menge der Zielpersonen ist unterschiedlich.

     

    Linke kritisieren den Gebrauch dieser Gewalt prinzipiell.

     

    Und da drueckt man dann schon gerne mal ein Auge zu oder aus, wenn teilweise berechtigte Forderungen, mit etwas Nachdruck, gegen erkennbare Gegner der nationalen Sache vorgetragen werden.

  • Liebe taz, ich schlage vor, Euch hier nicht auf Quellen Dritter zu verlassen. Fahrt selbst zur nächsten MVgida und berichtet daraufhin objektiv darüber. Hintergrund: Auch MVgida spricht von Gewalt während der Demo und Gegendemo, natürlich ging lt. MVgida die Gewalt aber von der anderen Seite aus. Wem soll ich nun glauben ? Muss ich mir ggf. selbst ein Bild vor Ort machen, wenn ich die Wahreit wissen will ?

  • Einfache Lösung: Mauer wieder aufbauen (paar Meter höher), Pegida, MVgida und die ganze Soße sowie die Islamisten-Pfosten dahinter, die kloppen sich gegenseitig auf die Köppe und das ganze als "Dschungelcamp" vermarkten. Mit dem Erlös Abschaffung der GEZ Gebühren, damit sich Interessierte sich das Spektakel kostenlos und ohne Werbepausen angucken können.

  • 1G
    1714 (Profil gelöscht)

    Die Polizei schaut zu? Irgendwie verdichtet sich der Eindruck immer mehr, daß ausgerechnet unsere Brüder und Schwestern von jenseits der Zonengrenze deutlich rechtslastiger sind als die Besserwessis. Doch damit nicht genug: die Exekutive und die Jurikative scheinen das zu unterstützen. Gerechtigkeit, Freiheit, das sieht ganz anders aus als das was von den Ostprovinzen an Nachrichten herüberschwappt...

    • @1714 (Profil gelöscht):

      btw, es heißt "Judikative" nicht "Jurikative"

    • @1714 (Profil gelöscht):

      Ja nun, so was kann vorkommen, wenn man sich ungeprüft ne komplette Diktatur einverleibt, wie man es anno 89/90 getan hat. Zu glauben, daß das von heute auf morgen alles lupenreine Demokraten würden, war mehr als naiv.

    • @1714 (Profil gelöscht):

      Muss man verstehen. Laut der sächsischen Kultusministerin Kurth ist die Demokratie in Ostdeutschland noch ein junges zartes Pflänzchen. Da kann sowas ja mal passieren. Und das nur, weil die Wessis den Ossis bis auf den grünen Pfeil alles weggenommen haben.

      https://www.taz.de/Sachsens-Kultusministerin-ueber-Pegida/!152779/

      • @meierj:

        Wenn ich das schon wieder lese; mannmannmann.

        Himmelsrichtung und politische Wirrköfigkeit haben echt nichts miteinander zu tun, Freunde. Ich empfehle einfach eine Kneipentour durch bestimmte Ecken in Dortmund oder eine Landpartie durch Oberfranken (zugegeben: OST-Ruhrgebiet und OST-Bayern) als Anschauung. Für den durchschnittlichen Reutlinger mögen die Horden der Hunnen hinter der Elbe wohnen und Sachsen irgendwo bei Kasachstan zu liegen, aber für eine Erklärung des PEGIDA-Phänomens taugt solcherlei Ressentiment kaum.

        • 1G
          1714 (Profil gelöscht)
          @Dorothea Pauli:

          So ganz ohne Satire ist der Text gar nicht gemeint. Eines jedoch ist auffällig: Verfahren wie etwa gegen Ramelow oder eben NICHT-Verfahren gegen augenfällige Polizeischlamperei sind im Westen so unwahrscheinlicher - wenn auch nicht unmöglich. Überall sind rechte Sympatisanten erkennbar, in den neuen Bundesländern jedoch eher flächendeckend und offen.