Pauli-Sportchef Schulte unter Druck: Der Sprachlose
Die Profis des FC St. Pauli rebellieren gegen Sportchef Helmut Schulte: Der Mannschaftsrat beschwerte sich bei Präsidium und Aufsichtsrat, weil Schulte kommunikationsunfähig sei. Nun hat er eine Bewährungsfrist.
HAMBURG taz | Helmut Schulte hat es nicht leicht in diesen Tagen. Nach dem Abgang von Erfolgstrainer Holger Stanislawski und dem Abstieg aus der 1. Liga soll der Sportchef des FC St. Pauli den Neuaufbau des Teams organisieren - und sieht sich zeitgleich einer Spielerrevolte gegenüber.
Nach dem Heimspiel gegen Bayern München erklärte der Mannschaftsrat gegenüber Präsidium und Aufsichtsrat, das Tischtuch zwischen Team und Schulte sei zerschnitten. Hauptvorwurf an den 53-Jährigen: Er sei kommunikationsunfähig, gehe den Spielern meist aus dem Weg und und sei für sie kein Ansprechpartner.
Konkreter Anlass: Als längst an die Medien durchgesickert war, dass die Spieler Florian Lechner und Marcel Eger im Rahmen der Verjüngungsstrategie gehen müssen, führte der Sportchef mit den Betroffenen über Wochen kein klärendes Gespräch. Schulte, der sich zu dem Konflikt "nicht äußern" will, verstecke sich hinter dem Trainerwechsel, halte Spieler und ihre Berater hin, statt Entscheidungen zu treffen, sei meinungsschwach und konfliktscheu, zürnte der Mannschaftsrat.
53, arbeitet bereits zum dritten Mal beim FC St. Pauli. Zwischendurch war er unter anderem kurzzeitig Trainer bei Dynamo Dresden.
Bislang hatte Schulte kaum mit kommunikativen Höchstleistungen aufwarten müssen. Alpha-Tier Stanislawski hatte stets die Fäden gezogen und alle wichtigen Gespräche geführt. Ihm war es egal gewesen, ob der von ihm ungeliebte Schulte sein Vorgesetzter war - solange er selbst alle wichtigen Entscheidungen treffen konnte, während der Sportchef den Papierkram erledigte und sich ansonsten weitgehend raushielt.
Nach Stanislawskis Abgang nutzte Schulte, dessen Standing im Verein schwach ist, nicht die Chance, das entstandene Vakuum auszufüllen. Stattdessen schaffte es der gebürtige Sauerländer binnen weniger Wochen, die ihm gegenüber ohnehin kritische Mannschaft vollends gegen sich aufzubringen.
Einzelne Spieler setzten Präsidium und Aufsichtsrat unter Druck, Präsidium und Aufsichtsrat handelten: Sie konfrontierten Schulte mit den Anwürfen, stellten ihn unter Aufsicht und gaben ihm eine letzte Bewährungsfrist. Präsident Stefan Orth und Präsidiumsmitglied Jens Duve werden ihn bei den wichtigsten Verhandlungen "unterstützend" zur Seite stehen und noch bis Jahresende hat Schulte Zeit, an den ihm angelasteten Defiziten zu arbeiten. Schafft er es nicht, ist die vorzeitige Trennung besiegelt.
Immerhin: Schulte scheint die Herausforderung anzunehmen. Mit Torwart Philipp Tschauner sowie den Abwehrspielern Lasse Sobiech und Sebastian Schachten hat er gerade wichtige Neuverpflichtungen unter Dach und Fach gebracht. Doch seine Autorität ist nach den Vorkommnissen der vergangenen Wochen nachhaltig ramponiert. Helmut Schulte hat es wirklich nicht leicht in diesen Tagen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Spardiktat des Berliner Senats
Wer hat uns verraten?
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg