Passwörter und andere Widrigkeiten: Kreativ nur bei Schokoriegeln
Passwörter gehören zu den alltäglichen Ärgernissen. Warum nur tun wir uns so schwer damit? Unsere Kolumnistin hat da eine Idee.
1 23456789, 12345678 und hallo. Was das sein soll? Nein, nicht etwa die ersten Tippversuche aus dem Kurs Zehn-Finger-Tippen für Anfänger:innen. Auch keine Kontaktversuche von Extraterrestrischen. Sondern die am häufigsten genutzten Passwörter von Menschen in Deutschland.
Und, haben Sie es bemerkt? Das erste ist geradezu Zeugnis von Übereifrigkeit: Es hat nicht nur die häufig vorgegebenen mindestens 8 Stellen, sondern sogar 9. Hilft nur nichts, denn das Gesamtkunstwerk ist weiterhin in weniger als einer Sekunde knackbar – und die Anerkennung für die Extramühe bringt den gekaperten E-Mail-Account auch nicht zurück.
Nun ist das mit Passwörtern so eine Sache. Tech-Konzerne wie Google beschwören ihr Ende schon seit Jahren. Schließlich sind Passwörter unsicher und unbequem, warum also daran festhalten? Nun, vielleicht weil Fingerabdrücke, Iris-Scans, individuelle Muster im Elektrokardiogramm oder extra Hardwareschlüssel zum Authentifizieren auch ihre Haken haben, was Sicherheit, Komfort oder beides angeht. Und so beginnt der Ärger mit den Passwörtern schon beim Ausdenken.
Unser Gehirn ist nicht gut im Ausdenken von Sachen – außer vielleicht, es geht darum, zu erklären, warum schon wieder der letzte Schokoriegel aus der Süßigkeitenschublade verschwunden ist. Also eher: Unser Gehirn ist nicht gut im Ausdenken von komplexen Zahlen-Buchstaben-Sonderzeichen-Kombinationen, die gleichzeitig noch merkbar sein sollen.
Der Moment, in dem wir uns bei der Anmeldung für einen neuen Mail-, Social-Media- oder Bank-Account ein Passwort überlegen müssen, verursacht Stress. Und auf einmal ist das Hirn leer. Genauso leer, wie wenn es darum geht, das Passwort hinterher wieder zu erinnern. Deshalb kleben in Betrieben, in denen die Mitarbeitenden genötigt werden, sich alle paar Wochen ein neues Passwort zu überlegen, das nichts mit dem alten zu tun haben darf, standardmäßig Zettel an den Bildschirmen. Mit dem jeweils aktuellen Passwort drauf.
Dabei ist unser Gehirn eigentlich gar nicht schlecht im Merken. Lieder, die man als Kind oder Teenie rauf und runter gehört und gesungen hat und dann 20 Jahre nicht mehr? Der Text ist immer noch da, wenn die ersten Akkorde erklingen. Der Name der ersten großen Liebe? Auf einmal im Kopf, nur weil jemand mit dem gleichen Parfüm den Weg gekreuzt hat.
Was also tun? Sollten wir unsere Passwörter öfter singen? Oder pro Passwort einen eigenen Duft kreieren? Vielleicht. Denn wer so viel Aufwand betreibt, denkt sich bestimmt etwas Schöneres aus als 123456789.
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