Pascal Beucker über den Altersvorsitz im Bundestag: Tricksereien helfen den Falschen
Dass die konstituierende Sitzung des nächsten Bundestags von einem AfD-Abgeordneten eröffnet werden könnte, ist keine angenehme Vorstellung. Da scheint der Vorschlag von Bundestagspräsident Norbert Lammert genau richtig zu kommen: eine Änderung der Regeln für den Altersvorsitz – nicht mehr der Lebensälteste soll den Vorsitz bekommen. Sondern der Dienstälteste.
Auf den ersten Blick wirkt die Idee, die sich die Regierungskoalition zu eigen gemacht hat, durchaus sympathisch: der Rechtsaußenpartei per Geschäftsordnungsänderung den ganz großen Auftritt zu vermasseln. Es wäre aber trotzdem ein falsches Signal.
Sicher lässt sich darüber streiten, ob der Älteste oder besser der Diensterfahrenste als Alterspräsident amtieren sollte. Für den Bundestag und die meisten Landesparlamente gilt, wie schon in der Weimarer Republik, das biologische Senioritätsprinzip, in den Landtagen von Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein ist hingegen die Dauer der Parlamentszugehörigkeit entscheidend. Beides ist problemlos möglich – was nicht zuletzt an der zeitlich begrenzten Rolle liegt, die der Alterspräsident bis zur Wahl des Parlamentspräsidenten spielt.
Welche Variante man auch wählt: Die Entscheidung sollte aus grundsätzlichen demokratischen Erwägungen heraus getroffen werden, aber nicht danach, was gerade einer Parlamentsmehrheit politisch opportun erscheint. Genau das ist jedoch das Problem der von Union und SPD geplanten „Lex AfD“. Dabei könnte dieser unappetitlichen Partei kein größerer Gefallen getan werden, als ihr zu ermöglichen, sich mal wieder als Opfer der bösen „Systemparteien“ zu inszenieren.
Noch ist übrigens nicht einmal ausgemacht, ob die AfD überhaupt den ältesten Abgeordneten wird stellen können. Doch selbst wenn: Sinnvoller als Trickserei wäre Gelassenheit. Die bundesdeutsche Demokratie hält auch die Zumutung eines AfD-Alterspräsidenten aus.
Inland
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen