Party Rund 300 Menschen feiern das Abstimmungsergebnis in Berlin: Sekt und Küsse unterm Regenbogen
Berlin taz | Vor dem Kanzleramt hat sich eine Phalanx bunter Regenschirme gebildet. Es regnet in Strömen und dennoch haben sich etwa 300 Menschen eingefunden, um die Ehe für alle zu feiern. Es ist gleich Viertel vor neun, über Lautsprecher können die Schwulen- und Lesbenaktivisten die Debatte im Bundestag verfolgen – als Johannes Kahrs (SPD) lautstark gegen Angela Merkel poltert, brandet kurz Applaus auf.
Die Stimmung ist gelöst. Vom Turnbeutel bis zur Joggingjacke leuchtet alles in Regenbogenfarben. Ein wenig Farbe vor der grauen Waschbetonfassade des Kanzleramts.
Danny Clausen-Holm hat einen der begehrten, halbwegs trockenen Plätze unter einem Baum ergattert und wartet auf das Ergebnis des Votums. „Ich hoffe, die Abstimmung ist bald durch“, sagt der Schwulenaktivist aus Schleswig-Holstein. „Das wäre besser für meinen Blutdruck.“ Seit 2010 lebt der 42-Jährige in einer eingetragenen Partnerschaft. „Für unsere Freunde und Familie war das damals schon eine richtige Hochzeit und eine richtige Ehe“, sagt Clausen-Holm. Endlich erkenne der Staat das auch an. „Das ist ein toller Tag für Schwule und Lesben“, ruft er aufgeregt.
Ein paar Meter weiter hat jemand eine Torte mitgebracht, die schon mal angeschnitten wird. Ein männliches Paar samt vor den Bauch geschnalltem Säugling posiert für ein Kamerateam. Auch Dirk Kirchmann hat den Weg zur „Ehe-für-alle-Partymeile“ gefunden und eine überdimensionale Regenbogenfahne in einen Regenmantel umfunktioniert. „Mich hat überrascht, wie schnell alles ging“, sagt der 50-Jährige, der sich für die SPDqueer engagiert. Seit 21 Jahren lebt er in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung. Die Ehe für alle ändert für ihn dennoch nichts. „Bloß weil ich jetzt heiraten kann, muss ich es ja nicht“, ruft er lachend.
Um neun Uhr zehn brandet unvermittelt Jubel auf. Die Abgeordneten haben abgestimmt. Die Ehe für alle kommt! Paare fallen sich in die Arme, Sektkorken fliegen knallend durch die Luft. Ein Übermütiger kann von seinem Begleiter noch knapp davon abgehalten werden, sich mit einer falsch ausgerichteten Konfettikanone in den eigenen Bauch zu schießen.
Jana und Johanna küssen sich. Die beiden 26-Jährigen haben sich unter einen Schirm gekuschelt. „Längst überfällig“ sei die Ehe für alle, findet Johanna. Wollen die beiden nun auch heiraten? Ein prüfender Blick wird ausgetauscht. „Nein“, lautet die Antwort wie im Chor.
Um kurz vor zehn Uhr bewegen sich erste Regenbogenschirme Richtung Hauptbahnhof. Dort ist es trocken. Und die Ehe für alle ist jetzt auch in trockenen Tüchern.
Jörg Wimalasena
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