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Parteiwerbung zur BundestagswahlPropaganda vor Plakatierordnung

Kolumne
von Louisa Braun

Die AfD verstößt gegen sämtliche Regeln für Wahlwerbung. Dabei will ausgerechnet sie gegen Plakat-Zerstörer vorgehen.

Hängt das hier richtig? Das kommt bei Wahlplakaten in Deutschland auf die Stadt an Foto: imago/Müller-Stauffenberg

A usgerechnet der Partei, die sich die Forderung nach Recht und Ordnung auf die Fahnen geschrieben hat, fällt die Einhaltung von Regeln selbst am schwersten: Der Wahlkampf ist kaum angelaufen, da hat die AfD schon an mehreren Orten gegen die Plakatierordnung verstoßen. Die ist komplizierter als das deutsche Bildungssystem – für das Aufhängen von Plakaten hat jede Gemeinde eigene Regeln. In Berlin darf Wahlwerbung einer Partei zum Beispiel nur an jeder zweiten Laterne, aber nicht an Masten mit Verkehrsschildern und nur in Ausnahmefällen an Bäumen aufgehängt werden. Die Bayern sind da – genau wie beim Abitur – noch strenger.

In Nürnberg gibt es tatsächlich eine Obergrenze für Plakate. 500 Stück, nicht mehr, darf jede Partei im Stadtgebiet verteilen; jedes weitere kostet 4,70 Euro pro Standort und Tag. Damit die Obergrenze ja nicht überschritten wird, herrscht Kennzeichnungspflicht. Jede Partei erhält 500 neongelbe Sticker, mit denen die zulässig aufgehängten Poster markiert werden sollen. Am vergangenen Wochenende fielen in einer Nürnberger Straße AfD-Plakate ohne diese Sticker auf. Die sind nun aber wieder verschwunden.

Das muss AfD-Werbung auch noch aus Erding bei München. Hier gibt es zwar keinen Aufhäng-Stopp nach Stückzahl, vorgeschrieben ist aber, dass die Plakate ebenerdig auf dem Boden abschließen und mit einem Fuß unten befestigt sind. Es dürfen keine bedruckten Papptafeln einfach in der Luft baumeln. „Wir sind da strenger als die meisten anderen Gemeinden, weil wir dieses Flatterzeug nicht haben wollen“, erklärt Ordnungsamtleiter Robert Buckenmaier. Auch hier interessiert die Alternative für Deutschland sich wenig für die Verordnung. Noch immer sind hundert Plakate ohne entsprechenden Fuß mit Kabelbindern an Laternen angebracht.

Die Ironie am lässigen Umgang mit den Auflagen, unter denen Wahlplakate im öffentlichen Raum erlaubt werden, ist, dass ausgerechnet die AfD großen Wert darauf legt, dass ihre Wahlwerbung nicht abhanden kommt. Tatsächlich hat ihr Nürnberger Ortsverband 1.000 Euro Belohnung für Hinweise auf Plakatdiebe oder -zerstörer ausgesetzt. Woher er wohl das Geld nimmt? Vielleicht aus den Einnahmen des AfD-Online-Shops: Dort können Fans die Papptafeln „Neue Deutsche? Machen wir selber.“ und Co. einfach für 65 Euro pro 50 Stück nach Hause bestellen, um sie wild zu plakatieren.

Nicht auszuschließen, dass das auch letzte Woche vor dem Jüdischen Museum in Berlin so passierte, um das seit 2013 wahlwerbefreie Zone herrscht, nachdem die NPD 2011 dort mit dem Spruch „Gas geben“ geworben hatte. Zum Glück haben die Jusos die rund um das Museum aufgetauchten AfD-Plakate unter den Augen des Ordnungsamtes wieder abgehängt – für die Berliner Landesvorsitzende Beatrix von Storch erst mal ein Anlass, auf Twitter über die „Zerstörung“ der Plakate durch die etablierte Stadtpolitik zu schimpfen. Scheinbar kannte sie die Regeln auch nicht so gut. Nichts gegen Anarchie – doch als Anwärterin auf Sitze im Parlament sollte die AfD in den nächsten Wochen wohl noch dazu lernen.

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21 Kommentare

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  • "In Berlin darf Wahlwerbung einer Partei zum Beispiel nur an jeder zweiten Laterne, aber nicht an Masten mit Verkehrsschildern und nur in Ausnahmefällen an Bäumen aufgehängt werden."

     

    Bei vergangenen Wahlen war es öfters zu sehen, dass die Plakate der AfD an Bäumen gefestigt wurden und es gab Straßen, wo die Plakate nicht nur an jeder Laterne nacheinander hingen, sondern auch fast an jedem Baum. Das erweckte den Eindruck, dass die AfD viel mehr Plakate als alle anderen politischen Parteien hatte.

     

    Erstens müssen die Behörden gegen Verstöße der AfD mit Strafen, Sanktionen oder passenden Maßnahmen (Plakate abmachen!) vorgehen!

     

    Zweitens fragt man sich, woher sie so viel Geld für Plakate haben, wenn für diese rechtspopulistische Partei so wenig gespendet wird?

  • "Zum Glück haben die Jusos die rund um das Museum aufgetauchten AfD-Plakate unter den Augen des Ordnungsamtes wieder abgehängt..."

     

    Wäre das nicht eine Aufgabe für das Ordnungsamt? Warum werden den JUSOS hier staatliche Aufgaben übertragen?

    • @Jens Frisch:

      Das nennt sich Ehrenamt. Solange sie es unter Aufsicht tun, sparen sie uns damit einfach nur Steuergelder. Das Ordnungsamt hätte schließlich auch eine Firma dafür engagieren können. Aber Jusos sind billiger.

  • Meiner Meinung nach sind Wahlplakate sinnlose Umweltverschmutzung. Es wird doch hoffentlich keiner deshalb die Partei x und nicht die Partei y wählen, weil bei x die Wahlplakate so toll sind, oder?

    • @Martin74:

      Die Grünen in Graben-Neudorf sammeln die Plakat-Tafeln nach der Wahl wieder ein und verwenden sie bei der folgenden Wahl erneut. Genau aus diesem Grund.

       

      Deswegen sind es bei dieser Wahl auch wieder nur die Holzständer: Der Müll der Plastikschilder hat die regional aktiven deutlich mehr gestört, als der Aufwand die Plakate selbst zu bekleben und aufzustellen.

  • Sich aus Schusseligkeit nicht an Plakatierregeln zu halten ist schon ein himmelweiter Unterschied zur mutwilligen Zerstörung von Wahlplakaten.

    • @Sorsha:

      Wenn ich darüber nachdenke, wie viele kaputtgetretene Wahlplakate der Grünen und der Linken ich in den letzten Jahren gesehen habe, finde ich das auch ganz schön krass.

  • Liebe Frau Braun, Sie schreiben für die Taz und wissen nicht, was Anarchie ist? Oder schlimmer: sie machen sich eine zwar gängige, aber definitv falsche Definition zu eigen?

     

    Dass Sie damit tatsächliche Anarchist*innen diffamieren, ist kein gutes Ergebnis!

     

    Als Kurzeinstieg: Ein Interview mit Horst Stowasser http://www.graswurzel.net/304/stowasser.shtml

    • @Lesebrille:

      Wenn man sich nicht mal darauf einigen kann, was Anarchie im utopischen Sinne ist, wie soll es dann erst sein, wenn es Wirklichkeit würde?

       

      Aber lustig: "Frau Braun, so geht Anarchie". Wenn's Herr Stowasser sagt...

      • @Grmpf:

        Sie geben aber auch nicht auf. Jede politische Strömung/GEsellschaftsform hatte ihre Vordenker und musste mal "ausprobiert" werden. Das gilt für die Demokratie ebenso wie für die Diktatur oder Monarchie... oder, oder, oder...

        Es gibt aber sehr wohl seit langer Zeit (Anfang 19. Jh) Anarchisten die eine gewisse Vorstellung von einer anderen Gesellschaft haben. Daraus haben sich weitere Ideen entwickelt die zeitweise in kleinerem Rahmen auch umgesetzt werden konnten. Dummerweise gab/gibt es immer wieder Menschen, die diese Ideen von außen kaputt gemacht haben. Die momentane Krönung dürfte, wie unten schon erwähnt, Rojava sein. Aber das haben Sie ja schon "erfolgreich" mit Ihrem Nicht-Argument abgelehnt. Ansonsten kann ich Ihnen sagen, dass Menschen durchaus, abseits des Arbeitslebens, in kleineren anarchistischen Kreisen leben. Und ob Sie es glauben oder nicht: es ist manchmal schwierig, aber es funktioniert. Anarchismus ist halt keine "ichlehnmichdannmalzurück-Politik" sondern etwas an dem jede*r mitarbeiten muss damit es funktioniert. Zuviel Verantwortung für Sie?

  • Bei uns in Neuss hängen Plakate sämmtlicher Parteien verkehrt. Sei es in Kreisverkehren, an Ampeln oder Straßenschildern etc.

  • "...Nichts gegen Anarchie –..."

     

    Och mensch... ehrlich jetzt? Gude Frau Braun, auch Ihnen noch einmal: Anarchie bedeutet nicht eine regellose Gesellschaft...

     

    Und zu den Plakaten: hier bei uns in der Gegend leiden die meist ohnehin in kürzester Zeit unter Farbsucht, Selbstzerstörung und Auflösungserscheinungen... also eigentlich sind die Regeln da auch fast egal...

    • @Neinjetztnicht:

      Woher wollen Sie wissen, was Anarchie ist, wenn es nirgendwo auf der Welt ein Land gibt, wo Anarchie herrscht? Weil irgendwelche Leute über ihre utopischen Wunschvorstellungen schreiben?

      • @Grmpf:

        Anarchie ist die meinem moralischen Empfinden nach fairste und schönste Gesellschaftsform die sich Menschen ausgedacht haben. Und ja, auch hier gab es Vordenker... der Anarchismus ist ein nicht gänzlich junger politischer Gedanke, den sicher nicht ich geprägt habe.

        Es ist eine Utopie, aber sicher keine Utopie in der Chaos "herrscht"....

        (außerdem gibt es da die Region Rojava... das ist zwar keine wirklich anarchistische Gesellschaft dort, aber nicht weit entfernt...sehr faszinierend!)

        • @Neinjetztnicht:

          Rojava.. Na klar, Öcalan und seine Kindersoldaten...

          • @Grmpf:

            Na, da hat ja jemand richtig Ahnung...

             

            Aber sicher, auch an Rojava gibt es Dinge zu kritisieren. Auch wenn Ihr Argument just keines ist... oder können Sie das seriös belegen?

  • "In Nürnberg gibt es tatsächlich eine Obergrenze für Plakate. 500 Stück, nicht mehr, darf jede Partei im Stadtgebiet verteilen; jedes weitere kostet 4,70 Euro pro Standort und Tag."

     

    Da ist ja das Übergewicht reicher Parteien gesichert...

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      ...und es fährt auch bestimmt jemand rum und zählt die Plakete..mit oder ohne Sticker, der vermutlich leicht nachzumachen ist.

      • @Mitch Miller:

        "Am vergangenen Wochenende fielen in einer Nürnberger Straße AfD-Plakate ohne diese Sticker auf."

         

        Reicht das?