Parteitage: Befragungsritual im Beliebtheitscontest
SPD und Grüne in Schleswig-Holstein bereiten sich auf Neuwahl vor. Landeschef Ralf Stegner und Kiels Oberbürgermeister Torsten Albig wollen SPD-Spitzenkandidat werden. Grüne wollen schnellstmöglich wählen.
Ralf Stegner macht es: Beim Parteitag am Sonnabend in Kiel kündigte der SPD-Landesparteichef an, dass er als Spitzenkandidat in den Landtagswahlkampf ziehen will, gegen den Kieler Oberbürgermeister Torsten Albig. Droht nun eine Schlammschlacht, ein Machtkampf, oder - wie RednerInnen auf dem Parteitag hofften - kommt es etwa zu einem Wettbewerb zum Wohl der Partei?
Das säuerliche Lob, das Stegner und Albig füreinander übrig hatten, zeugt nicht von herzlicher Freundschaft. Beide nutzten die Generaldebatte für ihre Vorstellung. Vor allem bei Albig, der bei den Delegierten bisher kaum bekannt ist, herrschte aufmerksame Stille, die mehrfach von Applaus unterbrochen wurde. Aber auch Stegner erhielt für seine kämpferische Rede und Angriffe auf die schwarz-gelbe Regierung viel Beifall.
Es ging eigentlich um Bildungspolitik beim Parteitag, und die 200 Delegierten beschlossen einen Leitantrag für gemeinsames Lernen und ehrten Ex-Ministerpräsidentin Heide Simonis für 40 Jahre SPD-Mitgliedschaft. Aber das Urteil des Verfassungsgerichts, das vorgezogene Neuwahlen bis spätestens September 2012 vorsieht, rückte die Kandidaten-Frage in den Vordergrund. Simonis versicherte, sie halte sich heraus: "Ich unterstütze im Moment niemanden, weil die Basis in einem Befragungsritual selber herausfinden möchte, wen sie gerne als Spitzenkandidaten haben möchte."
Alle SPD-Mitglieder im Land sollen sich an der Wahl des Spitzenkandidaten beteiligen.
Ende Oktober endet die Bewerbungsfrist.
Die Bewerber - zurzeit Torsten Albig und Ralf Stegner - sollen sich in allen 15 Kreisverbänden vorstellen.
Die Mitglieder geben im Februar bei einer Befragung ihr Votum ab.
Das letzte Wort hat offiziell ein Parteitag. Der soll aber dem Votum der Mitglieder folgen.
Die Konkurrenz schade nicht, fanden mehrere SozialdemokratInnen: "Stegner ist ein kluger Kopf, aber er kommt schlecht bei den Leuten an", so eine Delegierte. Ein Bekenntnis für Albig sei keine Kritik an Stegner, meinte ein Kieler Abgesandter. "Wer immer es wird, er hat die Mehrheit hinter sich." Das Rennen ist offen, denn Albig hat im Land keine starke Basis, und die Zeit, sich bei den Wählern bekannt zu machen, ist begrenzt.
"Bei gutem Willen kann binnen eines Jahres gewählt werden", erklärte Stegner. Die SPD habe "Vertrauen wiedergewonnen, weil die anderen schwach sind", so der Landeschef. "Aber das wird nicht reichen." Bildung, Energiepolitik und Stärkung der Kommunen nannte er als Schwerpunkte und verwies auf Bekanntes: "Wir hatten in das Programm von 2009 viel Kluges reingeschrieben." Den zweiten Teil seiner Rede machte Stegner zur persönlichen Bewerbung. Er gab zu: "Nicht nur der Gegner hat es schwer mit mir, manchmal auch die eigene Partei." Er habe aber an sich gearbeitet, auch sei die Entscheidung "kein Beliebtheitscontest". Erfahrung, Kompetenz, Führungskraft sei gefragt, so Stegner - es schwang mit, dass er das mitbringt.
Albig begann mit der Feststellung: "Die Menschen wollen eine Alternative." Es dauerte einen langen Augenblick, bis klar war, dass er die schwarz-gelbe Regierung meinte. Auch er nannte als Ziele die Stärkung von Bildung und Kommunen. Die Menschen hätten aber auch "Interesse an Köpfen hinter den Inhalten", sagte Albig, der betont ruhig sprach, ein verbales Gegenmodell zum angriffslustigen Stegner. Es sei gut, dass es in der SPD mehrere Kandidaten gebe - "die anderen haben nicht einen". Bis Oktober können sich weitere Bewerber melden, dann geht es an die Basis.
In der Koalitionsfrage sind die Kontrahenten sich einig: Wunschpartner sind die Grünen. "Eine rot-grüne Regierung wäre die", glaubt Stegner, "die am meisten erreichen könnte".
Die so Umworbenen tagten am Sonntag an Lübeck und verkündeten, für Neuwahlen bereit zu sein. Bei aktuellen Umfragen, die den Grünen etwa 18 Prozent vorhersagen, ist das kein Wunder. Und deshalb wollen sie "schnellstmögliche Neuwahlen", statt die Frist bis September 2012 auszuschöpfen. "Es ist höchste Zeit, wieder verfassungsgemäße Zustände herzustellen, um die drohende Politikverdrossenheit einzudämmen", sagte die Landesvorsitzende Eka von Kalben auf dem Kleinen Parteitag in der Hansestadt. In einem Beschluss heißt es, die nächsten zwei Jahre dürften "nicht zum Dauerwahlkampf gemacht werden", dem Land müsse "eine Hängepartie" erspart werden.
Bei der von den Verfassungsrichtern ebenfalls geforderten Reform des Wahlrechts wollen die Grünen eine Reduzierung der Wahlkreise von jetzt 40 auf nur noch 30 durchsetzen. Das Gericht hatte das Wahlgesetz für verfassungswidrig erklärt. Die Zahl von 40 Direktmandaten sei unverhältnismäßig bei einem Parlament von theoretisch 69 Sitzen. Wegen Überhang- und Ausgleichsmandate ist der Kieler Landtag jedoch zurzeit auf 95 Abgeordnete aufgebläht.
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