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Parteitag in NiedersachsenPiraten umschiffen heikle Fragen

Niedersachsens Piraten haben am Wochenende ihre Kandidaten für die Landtagswahl 2013 gewählt. Forderungen wie Straffreiheit für Holocaustleugner sorgten kaum für Diskussionen.

Meinhart Ramaswamy, neuer Spitzenkandidat der Piratenpartei in Niedersachsen. Bild: dpa

HANNOVER taz | Niedersachsens Piraten sind für die Landtagswahl 2013 aufgestellt – zumindest personell. Um Themen ging es beim Piratenparteitag am Wochenende in Nienburg nur am Rande, zwei Tage widmete man sich der Wahl der Kandidaten für die Landesliste.

Knapp sieben Stunden dauert am Sonnabend allein das Verfahren zur Vergabe von Listenplatz eins. Für die Spitzenkandidatur waren 38 Piraten – darunter zwei Frauen – angetreten. Durchgesetzt hat sich Meinhart Ramaswamy, 58 Jahre alt, promovierter Sozialwissenschaftler, Vorsitzender der Göttinger Piraten.

Seine Kür – ein wahrer Marathon: Je drei Minuten lang stellen sich die Anwärter den über 300 anwesenden Piraten vor, anschließend befragt sie das Plenum beim sogenannten Kandidatengrillen. Politische Inhalte spielen dabei eine Nebenrolle. Ob die Anwärter genug Zeit und ausreichend starke Nerven für das Amt mitbringen, ist die häufigste Frage.

Heikles wird umgangen – keine Fragen haben die Piraten etwa an den Bewerber Carsten Schulz, der Straffreiheit für das Leugnen des Holocausts und den freien Verkauf von Hitlers „Mein Kampf“ fordert. Schulz‘ Direktkandidatur im Wahlkreis Hannover-Mitte hat Niedersachsens Piraten-Landesvorstand deshalb annuliert. In Nienburg bezeichnet Schulz das als „intransparenten Beschluss“, der den basisdemokratischen Prinzipien der Piraten widerspreche. Seine Forderung sei eine „völlig zulässige Position“, sagt er. Und bekommt dafür zehn Prozent der Stimmen.

Gegrillt werden dagegen jene, die sich gegen Schulz positioniert haben. Jörg Pfannschmid aus Hannover etwa, der die Äußerungen publik gemacht hat und in Nienburg ebenfalls für Platz eins angetreten ist, wird gefragt, was er der Presse zuspielen werde, sollte er nicht gewählt werden. Warnungen wie die von Dirk Hillbrecht, einst Piraten-Bundeschef, heute Ratsherr in Hannover, man laufe Gefahr, „Vehikel für Themen zu werden, die nur am rechten Rand Applaus bringen“, bleiben die Ausnahme.

Piraten-Landeschef Andreas Neugebauer hätte sich für Aussagen wie diese mehr Applaus gewünscht, sagt er auf Nachfrage. „Es ärgert uns, dass wir wegen drei bis vier komischen Leuten solche Diskussionen führen müssen.“ Angesichts rasant wachsender Mitgliedszahlen lasse sich aber nicht verhindern, dass auch Leute beitreten, „die anders ticken.“

In Niedersachsen haben sich die Mitglieder auf 2.400 verdoppelt, seit die Piraten bei den Kommunalwahlen im September 2011 mit 58 Mandaten in Stadt- und Kreistagen landesweit und in die Landtage im Saarland und Berlin eingezogen sind.

„Wir können den Leuten beim Eintritt nicht in den Kopf schauen“, sagt Neugebauer. „Wir wollen aber auch keine Gesinnungsprüfungen, jeder verdient einen Vertrauensvorschuss.“ Er sei sich sicher, dass sich rechtsextreme Tendenzen „rausspülen“.

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9 Kommentare

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  • D
    dieter

    @freibeuter

    sehe ich ähnlich.

    Serdar Somuncu sei Dank!

    Wäre schön gewesen, wenn die TAZ hier genausoviel Hintergrundwissen gezeigt hätte.

    Das der Boulevard solche Aufreger-Themen aufbauschen muss, liegt in der Natur der Sache.

    Bei der TAZ habe ich eine andere Erwartungshaltung. Verbote von Parteien und Büchern sind doch so was von 50er Jahre!

    Wie kann man ernsthaft für das Verbot irgendeiner Meinung sein, und sich dabei auch noch ganz besonders demokratisch vorkommen?

    Ist das wieder son deutsche Seele Ding?

    Deniz Yücel, Bitte übernehmen!

  • P
    pablo

    Die Piraten haben ein Problem und zwar ein Rechtes Problem. Die Piraten müssen sich positionieren entweder rechts von der CDU/CSU oder links davon. Wer Leute in der Partei duldete die eine Straffreiheit für Holocausleugner fordern oder zum Beispiel Sitzblockaden als Nazi Methoden bezeichnet muss sich erstmal damit beschäftigen von die Partei stehen soll. Piraten bekennt Farbe seid ihr Braun oder Bunt so schwer ist das nicht. Und nur weil man mehr Mitglieder haben möchte kann man sich nicht um eine solch bedeutende Frage drücken.

  • O
    oni

    Ich war am Wochenende dabei und möchte trotzdem kurz auf den Artikel eingehen.

    Frau Havlicek schreibt nichts unwahres. Trotzdem stellt sie die Tatsachen in einem Spin dar, der Anwesenden auf der Aufstellungsversammlung als falsch aufstoßen muss.

     

    Es stimmt, dass Carsten Schulz keine Fragen gestellt wurden. Das war aber allein der Tatsache geschuldet, dass (fast) allen Anwesenden klar war, dass er absolut unwählbar ist. Was Hansi schreibt stimmt zwar, er ist wohl selbst kein Rechter sondern hat nur ein sehr krudes Verständnis von Meinungsfreiheit. Aber auch das hat in der Piratenpartei keine Mehrheit und er ist als Abgeordneter klar ungeeignet. Das ergibt sich vor allem aus seinen Reaktionen auf die Entscheidung des Vorstands seine Wahl zum Direktkandidaten zu anullieren.

     

    Die Fragen an Jörg Pfannschmidt waren meinem Eindruck nach auch nicht auf Carsten Schulz bezogen. Er ist bereits bei mehreren Parteitagen dadurch aufgefallen, dass er, nachdem er im Votum gescheitert war, sich anschließend an die Presse wandte um schlechte Stimmung zu machen. Dafür, dass er die Ansichten von Schulz öffentlich gemacht hat bin ich ihm dagegen sogar dankbar.

  • A
    andreas

    Ich würde die Piraten aus diversen anderen Gründen nicht wählen , aber wer von Meinugsfreiheit redet dann aber will das bestimmte Meinungen unter Strafe gestellt werden, hat den Sinn von Meinugsfreiheit nicht verstanden.

    Mir ist lieber Kommunisten, Faschisten und relligiöse Spinner(z.B. Salafisten) sprechen aus was sie denken, damit jeder hören kann welchen Depp er da vor sich hat.

    Zumal das gesagte oft(Ablehnung der Marktwirschaft, Israelbashing, Amerikahass, EU ablehnend) deckunsgeleich ist!

  • F
    freibeuter

    natürlich ist der taz alles was den grünen konkurrenz macht nicht recht.genauso etabliert wie diese partei ist nämlich die zeitung selbst.

    ich bin zwar auch kein piratenfan, aber finde die piraten ab und an durchaus erfrischend.

    freie meinungsäusserung sollte NIE verboten sein,egal wie dumm diese meinung auch ist.

    die npd spielt ohnehin mit diesem verbot und macht es andauernd lächerlich.jedes kind weiß doch was die npd politker meinen, wenn sie mal wieder sagen:

    "kein kommentar zum thema holocoust.in dieser BRD darf man sich schliesslich nicht frei äussern"

    damit stilisiert sich die NPD selbst zur rebellischen und aufrechten partei mit wahrheitsanspruch.

    hat die zivilgesellschaft etwa nicht die rethorische fähigkeit und fachliche kenntnis um in einer offenen debatte deutlich zu machen das es den holocoust gegeben hat?nun,das wäre wirklich ein armutszeugnis für alle demokraten.

     

    "mein kampf" gibt es überall zu kaufen,ausser in deutschland.serdar somuncu musste wohl erstmal als türke den deutschen beweißen, das dieses buch in all seiner boshaftigkeit doch auch ziemlich lächerlich und unfreiwillig komisch ist.

    wovor haben die leute angst?vor verborgenen wahrheiten in "mein kampf"?

    ich habe sie nicht gefunden und bin seit lektüre dieses buches nicht mehr der meinung das man hitler als bösartig aber intelligent bezeichen kann.

    böse schon-intelligent..eher nicht.

  • MD
    Martin Drees

    Es handelt sich bei den von Herrn Neugebauer als "komische Leute" bezeichnete Mitglieder leider nicht nur um irgendwelche unbekannten Neumitglieder, sondern vielmehr um den Berliner Parteichef, einen führenden Berliner Abgeordneten und um den Lübecker Direktkandidaten für die Landtagswahl. Wie lange wollen die das Thema denn noch herunterspielen, anstatt endlich für klare Verhältnisse zu sorgen?

  • P
    Piet

    Spitze!

    Sozialwissenschaftler, Vollbart, Baskenmütze –

    UND obendrein ein Ramaswamy!

     

    Praktisch das perfekte liberale Feigenblatt!

    A la bonheur!

  • M
    Mat

    Nun ja, sollte die NPD dereinst tatsächlich verboten werden: Die Piraten sind bereit zur Nachfolge.

  • H
    Hansi

    Es wäre interessant und wichtig zu wissen, ob die Straffreiheit für Holocaustleugner und den freien Verkauf Hitlers Buches aus einem bis zur Schmerzgrenze konsequenten Verständnis von Meinungsfreiheit gefordert wird.

     

    So sehr es für mich und wohl die meisten Menschen geradezu unerträglich ist, wenn jemand öffentlich die historische Tatsache des Holocaust leugnet oder relativiert, so sehr kann man darüber geteilter Meinung sein, ob dies strafrechtlich relevant sein soll oder ob es nicht besser ist, diese Leute rechts liegen zu lassen und jede Diskussion mit ihnen zu verweigern.

     

    Man denke daran, daß z.B. auch der größte Völkermord in der Menschheitsgeschichte, der an den Amerikanern durch die Europäer, vor allem Spanier, erst 2007 von Joseph Ratzinger relativiert und gerechtfertigt wurde. Dies ist aber weder in Spanien noch sonst irgendwo in Europa verboten und der Völkermordsrelativierer durfte sogar vor dem Bundestag sprechen.