Parteitag des Front National: Marketing à la Marine
Der neue Name Rassemblement National sollte die Rechten aus der Schmuddelecke holen. Doch schon droht Marine Le Pen juristischer Streit.
Hinter der beschriebenen Fassadenrenovierung der rechtsextremen Bewegung, die es bereits zwei Mal in die Stichwahl der französischen Präsidentschaftswahlen geschafft hat, verbirgt sich allerdings mehr als eine rein kosmetische Retusche. Der Politologe Jérôme Fourquet fand dafür in der französischen Tageszeitung Libération treffend den Begriff einer „Marketing-Operation“. Das heißt: Hinter Label, Etikett und Slogan steht jeweils eine Verkaufsstrategie.
Marine Le Pen ist zum Schluss gelangt, dass sie mit ihrer Partei alleine nie an die Macht kommen kann. Sie braucht dafür Alliierte, Koalitionspartner oder „nützliche Idioten“ (der Ausdruck wurde für die Intellektuellen verwendet, die in den 30ern Stalin bewundert haben). Ihre Ausgangslage unterscheidet sich heute grundsätzlich von den Gründungsjahren, als ihr Vater Jean-Marie Le Pen die Fraktionen der zersplitterten extremen Rechten (Alt- und Neofaschisten, royalistische Gegner der Republik, Kolonialisten, religiöse Integristen) zu einer Gruppe von Außenseitern vereint hatte.
Das Ziel dieser damals geächteten Verlierer der Geschichte war eine Revanche. Da diese angesichts der moralischen und politischen Isolation nicht in Griffnähe war, erschöpfte sich die Taktik in der Provokation, die bis heute das Markenzeichen von Jean-Marie Le Pen darstellt. Gefährlich war dieser FN des letzten Jahrhunderts, weil Elemente aus seinem Rassismus und Geschichtsbild trotzdem in der öffentlichen Meinung banal wurden und Platz in der Rhetorik anderer Parteien fanden.
Marine Le Pens „Entdiabolisierung“ hat nicht geklappt
Jean-Marie le Pens Nachfolgerin hält es demgegenüber für möglich, mit einem kaum veränderten Programm die Regierungsmacht zu erobern. Das allein macht sie schon um einiges gefährlicher. Ihre bisherige Strategie der „Entdiabolisierung“, die einen Bruch mit dem Vater und der ganzen Vergangenheit impliziert, brachte ihr indes über die eigene Wählerschaft hinaus keine Unterstützung ein. Bei den Präsidentschaftswahlen von 2017 konnte Marine Le Pen als Finalistin gegen Emmanuel Macron nur auf die externe Wahlempfehlung des Souveränisten Nicolas Dupont-Aignan zählen, und auch dieser zieht eine durchmischte Bilanz dieser „Allianz“ mit der FN-Kandidatin.
Wie der Begriff Rassemblement (Sammlung) besagt, möchte die rechtsextreme Partei ein wesentlich weiteres politisches Umfeld anziehen und so laut Marine Le Pens Aussage am Sonntag als „regierungsfähige“ Partei anerkannt werden. Als Vorbilder schweben ihr zweifellos die Beispiele der Lega in Italien vor.
In Frankreich ist die Situation anders, die extreme Rechte bleibt aufgrund der ganzen Parteigeschichte anrüchig und aus der Sicht einer Mehrheit der befragten Leute eine „Gefahr für die Demokratie“. Für die Konservativen (Les Républicains) wäre ein Bündnis mit der Le-Pen-Partei selbst nach dem Rechtsrutsch unter dem neuen Parteichef Laurent Wauquiez politischer Selbstmord.
Die angestrebte nationalistische Koalition mit der bürgerlichen Rechten von Wauquiez ist auch für Politikwissenschaftler Jérôme Fourquet bis auf Weiteres eine Illusion: „Für eine Heirat braucht es zwei. Die Rechte von Wauquiez hat wie die zuvor nicht die Absicht, dem Werben von Marine Le Pen (…) nachzugeben. Diese Partei (RN) ist eine einsame Kraft, sich mit ihr zu verbünden, kommt teuer zu stehen.“
Name schon vergeben?
Marine Le Pen scheint dagegen der Meinung zu sein, dass ein paar Abstriche im Programm oder im Auftreten – so der vorläufige Verzicht auf einen Austritt aus dem Euro oder der demonstrative Ausschluss von allzu kompromittierenden Rassisten – genügen, um als Partnerin für die nach rechts abdriftenden Konservativen attraktiv zu werden.
Aus juristischen Gründen könnte sich nun der Namenswechsel des FN in RN als nutzlos erweisen: Eine politische Splitterpartei, die sich auf das Erbe von Charles De Gaulle beruft, hat nach eigener Aussage den Namen „RN – Rassemblement National“ beim Marken- und Patentamt eingetragen und unter dieser Bezeichnung bereits an Wahlen teilgenommen. Ihr Parteiführer Igor Kurek verweigert der Le-Pen-Partei die Verwendung dieses von ihm gepachteten Namen und wirft Marine Le Pen „Dilettantismus“ vor.
Die Parteichefin will nach Medienberichten nun gegen die Splitterpartei vorgehen, der FN haben den Namen schon 1986 eintragen lassen. Ihr Vater Jean-Marie Le Pen bestätigte das – natürlich nicht, ohne ihr gleich noch eins mitzugeben: Die Namenswahl zeige einen „Mangel an Originalität“.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei VW
Massiver Gewinneinbruch bei Volkswagen
VW-Vorstand droht mit Werksschließungen
Musterknabe der Unsozialen Marktwirtschaft
Verfassungsgericht entscheidet
Kein persönlicher Anspruch auf höheres Bafög
Kamala Harris’ „Abschlussplädoyer“
Ihr bestes Argument
Zu viel Methan in der Atmosphäre
Rätsel um gefährliches Klimagas gelöst
Nahostkonflikt in der Literatur
Literarischer Israel-Boykott