Parteitag der Grünen: Aufsteigende Formkurve

Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch stand unter Druck, ihrer viel präsenten SPD-Konkurrentin Franziska Giffey Paroli zu bieten. Das hat geklappt.

Das Foto zegt ein rundes Haltestellenschild, unter dem zusätzlich ein Schild mit der Aufschrift "klimaschutz" angebracht ist.

Bettina Jarasch hielt bei ihrer Rede, bei der sie Klimaschutz ins Zentrum stellte, dem Druck stand Foto: dpa

BERLIN taz | First things first: Bettina Jarasch hat dem Druck stand gehalten. Ob man ihre Rede zum Auftakt des Grünen-Parteitags nun gut oder kämpferisch oder bloß gelungen nennen mag, ist Geschmackssache. Ziemlich sicher aber lässt sich feststellen, dass Jarasch merklich sicherer, souveräner und weit weniger nervös auftrat als noch im Dezember vor ihrer Wahl zur Spitzenkandidatin. Jarasch redete freier als damals, unterstrich Aussagen mit nicht einstudiert wirkenden Gesten, setzte Pausen, wirkte in ihrer Rolle weit sicherer.

Im Sport spricht man in solchen Momenten von einer aufsteigenden Formkurve. Im Vergleich zu SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey, dem Maß der Dinge in Sachen Ausstrahlung und Umarmungspotenzial, hat Jarasch zwar noch aufzuholen. Der Punkt aber ist: Bei Giffey erwartet man eine Top-Performance grundsätzlich, Jarasch kann damit überraschen.

Steigert sie sich Schritt für Schritt, von einem größeren Auftritt zum nächsten, so bleibt Dynamik erhalten und positive Resonanz garantiert. Wer im Sport nach Trainingsplan unterwegs ist, erreicht seinen Leistungshöhepunkt auch erst zum Saisonhöhepunkt. Und was für Sportler der Titelkampf, ist für Jarasch die Abgeordnetenhauswahl am 26. September.

Die Entscheidung fällt am 26. September

Während ihrer digitalen Parteitagsrede, bei der sie Klimaschutz ins Zentrum stellte, war Jarasch auf dem Bildschirm vor dem Hintergrund einer Berliner Stadtansicht zu sehen. Der Bildausschnitt zeigte aber nicht das Rote Rathaus, sondern die Marienkirche schräg gegenüber. Das konnte ins Bewusstsein rufen, dass Jarasch, langjährige Vorsitzende eines katholischen Pfarrgemeiderats in Kreuzberg, bei den Grünen an ein Milieu angebunden ist, das nicht gerade parteitypisch ist. Ihr Anspruch war und ist, vermeintliche Gegensätze miteinander zu verbinden – Innenstadt und Außenbezirke, Ökologie und Ökonomie.

„Ich bin eine Brückenbauerin“, hat sie in der Vergangenheit mehrfach gesagt, auch nach ihrer Nominierung im Oktober – und damit nicht immer überzeugt. Die Resonanz war auch: Wer so was tatsächlich kann und unter Beweis gestellt hat, braucht es nicht extra zu sagen. Am Freitagabend ließ Jarasch diesen Satz in ihrer Rede weg – und erweckte umso mehr eine Ahnung davon, dass sie tatsächlich Gräben überbrücken könnte.

Ob sich das mit der aufstrebenden Formkurve fortsetzt, werden, so banal das klingt, die nächsten Monate zeigen. Es wird das politische Gegenstück zu sportlichen Testwettkämpfen geben, es wird, je näher der 26. September rückt, die Intensität steigen. Wer wird Berlins erste Regierende Bürgermeisterin? Jarasch versus Giffey – es ist der Titelkampf des Jahres 2021.

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