Parteitag der Grünen: Grüne in der Schrägläge
Die Basis schickt Spitzenkandidatin Ramona Pop mit mageren 61 Prozent Zustimmung in den Wahlkampf. Protokoll eines Showdowns.
Im Saal des Kino Kosmos summt es wie in einem Bienenstock. Eine fröhliche Nervosität liegt in der Luft. Über 800 Grünen-Mitglieder sind am Samstag Vormittag an die Karl-Marx-Allee gekommen, um ihre Landesliste zu bestimmen – und damit festzulegen, wer für die Partei im September ins Abgeordnetenhaus einzieht. Für das Führungspersonal eine Stunde der Wahrheit: Gleich wird sich zeigen, ob das, was sie sich in den vergangenen Monaten zurechtgelegt haben, von der Basis mitgetragen wird. Die Parteiführung will als Viererteam antreten, mit Fraktionschefin Ramona Pop an der Spitze.
Es kann dabei auch persönlich werden: Denn jede und jeder muss sich auf der grün ausgeleuchteten Bühne einzeln um einen Listenplatz bewerben. Die Kandidaten haben fünf Minuten Redezeit und zwei Minuten, um Fragen zu beantworten. Dann wird über sie abgestimmt.
Ramona Pop, Reala und seit Jahren im Parlament, tritt ans Rednerpult. „Koalition des Stillstands abwählen“, „Bilanz von Rot-Schwarz verheerend“, solche Dinge bellt sie ins Publikum. Sie hetzt vom Lageso über den BER zu den explodierenden Mieten. „Für mich passt der Senat so wenig zu dieser Stadt wie Marmelade zu Currywurst.“ Erst bei der Flüchtlingspolitik gehen die ZuhörerInnen merklich mit. „Ich will mit Euch kämpfen, dass unser Land nicht unbarmherzig, kalt und hässlich wird!“ Applaus brandet auf.
Dann die Abstimmung. Im Publikum fummeln sie an ihren kleinen Wahlcomputern herum. Nach wenigen Minuten wird das Ergebnis an die Wand geworfen. Da steht es, übergroß: Für Ramona Pop, Spitzenkandidatin der Grünen im anstehenden Wahlkampf, stimmen nur 60,6 Prozent. Fast jeder Dritte im Saal lehnt sie sogar ausdrücklich ab.
Ein Desaster. Für Pop und für die Partei. Wenn die Spitzenkandidatin schon die Grünenmitglieder selbst so wenig für sich begeistern kann, wie soll sie in den kommenden Monaten erst all die Menschen da draußen überzeugen? Vor der Wahl 2011 hatte Pop noch 67 Prozent bekommen, die damalige Spitzenkandidatin Renate Künast, die als Regierende Bürgermeisterin antrat, 91 Prozent.
Ramona Pop ist lang genug im Geschäft, um die Fassung zu wahren. Sie nimmt die Wahl an, die Blumen auch, ruft halblaut „Let‘s rock“ ins Mikrofon und verlässt schnell die Bühne.
Jetzt geht es Schlag auf Schlag. Ko-Fraktionschefin Antje Kapek, die für Platz 2 antritt, steigt ein mit einer Liebeserklärung an Berlin, wünscht sich Schwimmen in einer sauberen Spree, heißt ihre neuen syrischen Nachbarn willkommen. Und wird mit 73 Prozent gewählt.
Spitzenkandidatin Ramona Pop
Je weniger exponiert der Listenplatz, desto lockerer die KandidatInnen. So wirkt es jedenfalls bei Landeschefin Bettina Jarasch. In knallrotem Kleid steht sie auf der Bühne und verkauft sich nicht nur als eloquente Katholikin, sondern witzelt auch fröhlich herum. Sie bekommt mit 78 Prozent das beste Ergebnis der vier Führungsgrünen. Auch das ein indirekter Schlag für Ramona Pop: Jarasch gilt wie sie als Reala und ist offenbar trotzdem beliebt – allein an den Inhalten kann es also nicht liegen.
Bei der Wahl um Platz 4 bekommt es Landeschef Daniel Wesener plötzlich mit einem Grünenmitglied zu tun, ein Mann mit langen Zottelhaaren, der ihn für Probleme in Spandau verantwortlich macht. Wesener, in grauem Jackett, lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Er spricht über die Grünen als Anti-AfD, als Homo-Lobby. Wie Kapek wird er dem linken Flügel zugeordnet und erhält wie sie 73 Prozent der Stimmen.
Draußen im Foyer stecken die Realos resigniert die Köpfe zusammen. Offiziell kommentieren wollen sie das Ergebnis von Pop nicht. Nur so viel: „War zu erwarten.“ Nach der Wahl 2011, als die Grünen knapp an einer Regierungsbeteiligung vorbeigeschrammt waren, hatten sich der Realo- und der linke Flügel so zerstritten, dass eine Schlichtung nötig wurde. Nun hat es den Konflikt wieder an die Oberfläche gespült.
Dann kommt auch Ramona Pop ins Foyer, ihr Gesicht wirkt maskenhaft.
„Frau Pop, wie geht es Ihnen?“
„Gut!“
„61 Prozent – Rückenwind für den Wahlkampf sieht anders aus.“
„So ist das eben bei den Grünen. Sozialistische Ergebnisse kennt man von uns nicht.“
„Hätten Sie doch auf eine andere Reihenfolge im Viererteam setzen sollen?“
„Die Reihenfolge war nie umstritten.“
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Neu auf der Liste der Grünen:
Stefan Taschner zieht erstmals für die Grünen ins Parlament ein. Er kommt aus der Klimaschutzbewegung und hat den Energietisch mit initiiert.
Georg Kössler ist auch gesetzt, bislang Energiereferent der Bundestagsfraktion.
Sebastian Walter, Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft Schwulenpolitik, will sich künftig um Queerpolitik kümmern
Fadime Topac wurde auf den sicheren Platz 9 gewählt, Sozialpolitikerin aus Kreuzberg.
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