Parteitag der CDU: Schicksal und Gemeinschaft
Wie es „Schicksalsgemeinschaft“ in den CDU-Antrag schaffte und was Delegierte dazu sagen. Eine kleine Wortkunde.
Schicksalgemeinschaft. Soso. Das Wort beschreibt eine Art bedrohte Notgemeinschaft, ein „Wir gegen die“, sprachlich gespeist aus lang zurückliegender Zeit. Schon zuvor in Gebrauch, verwendeten die die Nazis den Begriff als Synonym für ihre „Volksgemeinschaft“, deren Kennzeichen es war, Minderheiten auszuschließen.
Nach dem Ende der NS-Herrschaft wurde das Wort gern im Zusammenhang mit den Vertriebenen verwendet. 2006 erklärte Volker Kauder (CDU) dann, Einwanderer müssten sich zur „zur deutschen Schicksalsgemeinschaft“ bekennen.
Mit heftiger Kritik haben SPD und Grüne auf den Beschluss der CDU reagiert, die doppelte Staatsbürgerschaft einzuschränken. „Das ist ein schlimmer Beschluss“, sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel. Merkel könne nicht knapp eine Million Flüchtlinge einladen „und sich dafür bejubeln lassen“, dann aber die hier geborenen Kinder schlecht behandeln.
Justizminister Heiko Maas (SPD) warnte vor einem „riesigen Rückschritt für die Integration“. Er ergänzte: „Die einzige Partei, mit der die CDU die Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft umsetzen könnte, wäre die AfD.“
Grünen-Chef Cem Özdemir warf der CDU vor, Deutsch-Türken ausgrenzen zu wollen. (dpa, taz)
Der Leitantrag des CDU-Bundesvorstands ist nicht irgendein Papier. Der Inhalt dient als Grundlage für Gespräche mit der CSU, nach denen die Union ein gemeinsames Wahlkampfprogramm erarbeiten will. Auch deshalb kommt der Wortwahl Bedeutung zu. Erst kurz vor dem Parteitag hatte die Landesgruppe NRW dafür gesorgt, dass die „Schicksalsgemeinschaft“ ihren Weg in das Papier fand.
Hörte man sich unter den Delegierten um, gab es keine Vorbehalte gegen das Wort. Eva Söllner aus Hessen assoziierte damit „Menschen, die ein Schicksal zusammenführt, das sie sich nicht ausgesucht haben“. Für sie gehören „natürlich auch Migranten und Flüchtlinge dazu“. Etwas anders bewertete das der Thüringer Egon Primes. Für den Vertriebenen-Landeschef gehörten etwa Flüchtlinge, die in ihrem Herkunftsland vom Islamischen Staat verfolgt wurden, „zur Schicksalsgemeinschaft dazu – jedoch lediglich für eine Zeit. Die können später aber auch wieder zurück.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin