Parteitag der Berliner Grünen: Mietern helfen, nicht Eigentümern
Die Grünen wollen ein Wohnungswirtschaftsgesetz und einen „Vermieter-Führerschein“. Eine Mitgliederbefragung für die Spitzenkandidatur lehnen sie ab.
Vorstandswahlen stehen dieses Mal nicht an. Um Wohnen und Mieten geht es, als Landesparteichef Philmon Ghirmai dazu den zentralen Antrag des Treffens vorstellt – und das gleich mit einer Attacke auf Regierungschef Kai Wegner (CDU) verbindet. Die Mieter hätten nämlich mehr verdient „als einen Kai-guck-in-die Luft, der nur Scheindebatten über Hochhäuser und die Bebauung des Tempelhofer Feldes führt“, sagt Ghirmai. Breiter Applaus begleitet seine Worte. Im Saal ist nicht die Frage strittig, ob Berlin mehr bezahlbare Wohnungen braucht, sondern der Weg dorthin.
Kern des Antrags – aus dem ab einer erhofften Rückkehr der Grünen in den Senat 2026 Regierungspolitik werden soll – ist ein Wohnungswirtschaftsgesetz. Ghirmai hat es im Vorfeld Journalisten gegenüber für als bislang einmalig in Deutschland bezeichnet. Es würde den Wohnungsmarkt mehr als bisher regeln und Vermieter stärker kontrollieren. Wer mehr als 100 Wohnungen vermietet, soll das ohne eine Lizenz – den sogenannten „Vermieter-Führungsschein“ – nicht länger dürfen. Wer mehr als 1.000 davon in seinem Eigentum hat, soll einen Teil davon für Menschen mit geringem Einkommen reservieren müssen, wie es bereits für die landeseigenen Wohnungsunternehmen gilt.
Die Grenzziehung bei 100 Wohnungen erscheint manchen zu niedrig und zu sehr auch jene anzugehen, die die Grünen gar nicht im Visier haben: sozial eingestellte kleinere Vermieter und Genossenschaften. 500 sollen es stattdessen sein, fordert ein Antrag, den schließlich am stärksten Delegierte des vom Realo-Flügel dominierten Kreisverbands Mitte unterstützen. Eine einzelne Delegierte hingegen fordert den Führerschein schon ab 10 Wohnungen – nach einem aufwendigen Abstimmungsverfahren bleibt es bei 100.
Ruf nach „radikalen Veränderungen“
Was immer wieder auftaucht, ist Kritik daran, Wohnungen als Weg zum Geldverdienen zu betrachten. „Keine Profite mit der Miete“, fordert in der Debatte etwa die Grüne-Jugend-Chefin Marie Graser. Sie sieht in dem Antrag des Landesvorstands einen Anfang für „radikale Veränderungen in der Wohnungspolitik“. Eine Definition jenes Begriffs, gegen den sich Graser wendet, fehlt jedoch: Wo beginnen „Profite“? Und was ist noch zulässiger Ertrag, der Vermietern ein Einkommen sichert und Unterhalt, Sanierung und vielleicht auch von den Grünen gewünschten Neubau ermöglicht?
Eine Streichung hingegen kann sich durchsetzen: Die Eigentumsförderung für Familien auf Landesebene zu prüfen fällt auf Drängen der Kreuzberger Landesparlamentarierin Katrin Schmidberger, führende Vertreterin des linken Parteiflügels, aus dem Antragtext. Aus ihrer Sicht gibt es angesichts von Berlins miserabler Haushaltslage Wichtigeres, als den Eigentumserwerb zu fördern.
Ghirmais Co-Parteichefin Nina Stahr versucht für den Landesvorstand mit einer Gegenrede die Förderung zu retten. Doch am Ende folgt eine knappe Mehrheit von 71 zu 68 Schmidbergers Position.
Weit weniger knapp fällt das Nein zu einem Antrag aus, über künftige Spitzenkandidaturen zur Abgeordnetenhauswahl per Mitgliederbefragung zu entscheiden. Das hatte der Kreisverband Mitte gefordert, mit rund 2.300 Mitgliedern der größte im Landesverband. „Wer sich in Berlin zur Wahl stellt, sollte keine Angst vor den Mitgliedern haben“, argumentiert Kreisvorstandsmitglied Timur Ohloff – ohne eine Mehrheit der Delegierten davon überzeugen zu können.
Künftig mehr Delegierte
Was die Grünen tatsächlich ändern, ist die Zahl der Delegierten bei ihrem Landesparteitag: In der von 2016 bis heute von 6.000 auf 14.000 Mitglieder gewachsenen Verband entschieden bislang unverändert nur rund 150 Delegierte über Parteiangelegenheiten – bei der CDU beispielsweise sind es fast 300 bei rund 12.000 Mitgliedern. Nach einer Satzungsänderung sind es bei den Grünen künftig 180.
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