Parteien: Regieren kann von Vorteil sein
Bremens Delegierte beim SPD-Konvent noch uneins über Koalitionsfrage. Der Abgeordnete Carsten Sieling verspricht sich von CDU-Partnerschaft Gewinn für Bremen.
Alle Zeichen stehen auf „große Koalition“ in Berlin, nachdem am Samstag der SPD-Parteikonvent beschlossen hat, dass die SPD in Koalitionsverhandlungen gehen soll. Für die abschließende Mitgliederbefragung wurden schon organisatorische Weichen gestellt.
Mit großen Überraschungen rechnet im Grund da aber niemand mehr – seitdem die Grünen sich aus der Koalitionsdebatte verabschiedet haben, gibt es ernsthaft keine Alternative mehr. „Schon rein rechnerisch wären die sechs Stimmen Mehrheit von Rot-Rot-Grün einfach zu wenig“, sagt der Bremer SPD-Bundestagsabgeordnete Carsten Sieling. Er kam 1995 in die Bürgerschaft, hatte für Rot-Grün geworben – und musste gleich loyal zu Schwarz-Rot sein. „Die großen Koalitionen verfolgen mich geradezu“, sagt er.
Für Bremen könnte aber eine Regierungsbeteiligung der SPD in Berlin einige Vorteile bringen, findet Sieling. Das ganze Paket der Arbeitsmarktpolitik, das mit der CDU schon sondiert ist, würde Bremens Sozialkassen entlasten: Mindestlohn, Einschränkungen der Leiharbeit, Eingrenzungen von Werkverträgen.
Bei Infrastrukturprojekten wie den geforderten Lärmschutzmaßnahmen, insbesondere an Bahnstrecken, bei der Anbindung des Jade-Weser-Ports und schließlich bei dem leidigen Streit um die Planung der A 281 könnte der direkte Zugang zur Regierungsbank von Vorteil sein. Die Förderung der Windenergie steht für Sieling oben auf der Liste.
Schließlich ist der Finanzpolitiker Sieling – bisher jedenfalls – der Berichterstatter im Finanzausschuss für den Themenbereich Länderfinanzausgleich, der mit einer „Föderalismuskommission III“ demnächst konkret bearbeitet werden soll im Hinblick auf das Jahr 2019. Der „Solidarpakt Ost“ läuft dann aus, der Solidaritätszuschlag wird aller Voraussicht nach mit neuer Zweckbestimmung weiter erhoben werden, schätzt Sieling.
Gisela Schwellach war als stimmberechtigte Delegierte beim Parteikonvent. Eine „ernsthafte, kontroverse Diskussion“ habe es da gegeben, sagt sie, es sei eben „für die SPD eine schwierige Situation“. Verständlich, nachdem die Partei sich im Wahlkampf sehr entschieden gegen eine große Koalition positioniert hatte.
„Wer SPD wählt, entscheidet sich gegen Frau Merkel und nicht für sie“, so ließ sich Andrea Nahles noch im Juni von der Welt zitieren. Alles andere sei „eine bösartige Unterstellung“, so die Generalsekretärin weiter. So forsche Töne gibt’s freilich jetzt auch von den GegnerInnen der großen Koalition kaum mehr. Natürlich hätte die SPD „gern allein regiert“, sagt Schwellach. Nun müsse man halt sehen, ob genügend „sozialdemokratischen Punkte“ durchzusetzen seien.
Dass die drei Bremer Delegierten am Ende unterschiedlich abgestimmt haben, zeige eben, dass es in der SPD in dieser Lage „gemischte Gefühle“ gebe, sagt der Landesvorsitzende Andreas Bovenschulte, der wie Sieling nur aufgrund seiner Funktion als Gast an dem kleinen Parteitag teilgenommen hat. Als großes Problem bleibe, wie die CDU sich die Finanzierung der zu verabredenden Maßnahmen vorstelle, wenn sie Steuererhöhungen ausschließen wolle. Nur wenn mit den „Mindestforderungen“ wenigstens ein Teil des im Wahlkampf geforderten „Politikwechsels“ durchgesetzt werden könne, „lohne“ sich eine Koalition mit der CDU.
„Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit den Sozialdemokraten“, sagt Elisabeth Motschmann, die neue CDU-Bundestagsabgeordnete, und verweist darauf, dass sie ja darin schon „geübt“ ist – in Bremens großer Koalition war sie Kultur-Staatsrätin. Schließlich sei es der „Wählerauftrag“, Alternativen gebe es nicht. Auch die Kanzlerin, so Motschmann, sehe den Koalitionsverhandlungen „sehr entspannt“ entgegen. Nur bei der Energiewende sei es schwierig, da würden die Gespräche möglicherweise etwas länger dauern.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!