Parlamentswahlen in Russland: Gehorsam und Gleichgültigkeit
Klar hat der Kreml bei der Wahl nachgeholfen. Doch wäre das Ergebnis grundsätzlich anders ausgefallen, wenn alles mit rechten Dingen zugegangen wäre?
D ie Dumawahlen sind gelaufen. Ohne größere Erschütterungen. Wladimir Putin und seine Mannschaft hatten alles vorab im Griff und garantieren, dass es weitergeht wie bisher. Präsident Putin thront im Mittelpunkt und lässt keine Abweichungen zu. Russland ist wieder ein autoritärer Staat an der Schwelle zur Diktatur. Volk und Wahlvolk lassen das aber auch mit sich machen.
Zugegeben, Anfang des Jahres gab es eine Menge Protest. Der Kreml konnte damit nicht umgehen und sorgte für Tabula rasa – mit Brutalität und hemmungslosen Sicherheitskräften. Die Zufriedenheit im Land ist dadurch nicht gewachsen, die Bereitschaft, sich offen gegen die führende Elite zu stellen, ist jedoch erneut geschwunden. Mit Demonstrationen wie nach den manipulierten Wahlen 2011 ist zurzeit nicht zu rechnen.
Russland ringt immer noch mit den Folgen der totalitären Herrschaft, und auch die nachwachsende Generation ist noch nicht frei davon. Wieder tendiert das Land dazu, Menschen zu vertreiben, die gesellschaftliche Selbstdiagnose verlangen. Stattdessen verspricht der Kreml bescheidene finanzielle Wohltaten und fordert die Empfänger auf, sich aus allem herauszuhalten. Ihnen erscheint es sinnvoll, für Leute mit Geld und Ressourcen zu stimmen.
Russlands ärmere Schichten halten sich noch immer an den Staat und wählen das System. Der Staat ist Arbeitgeber und Quelle kleinerer Zuwendungen. Überdies spielt er in der russischen Wirtschaft eine wachsende Rolle. Dies scheint vom Kreml auch gewollt zu sein. Wer abhängig ist, wird sich nicht gegen den Arbeitgeber wenden. Russlands autoritäres System ist vom Staat abhängig. Er prägt Gehorsam und nicht zuletzt auch Gleichgültigkeit.
Natürlich ergriff der Kreml alle Maßnahmen, um ein positives Wahlergebnis zu erreichen. Alte und neue Tricks wurden angewandt, die „administrative“ Kraft staatlicher Arbeitgeber erinnerte Staatsbedienstete an das gewünschte Wohlverhalten. Offen bleibt unterdessen: Wäre alles mit rechten Dingen zugegangen, wäre das Ergebnis grundsätzlich dann anders ausgefallen.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Thüringen
Das hat Erpresserpotenzial
Friedenspreis für Anne Applebaum
Für den Frieden, aber nicht bedingungslos
BSW in Sachsen und Thüringen
Wagenknecht grätscht Landesverbänden rein
Rückkehr zur Atomkraft
Italien will erstes AKW seit 40 Jahren bauen
Klimaschädliche Dienstwagen
Andersrum umverteilen
Tech-Investor Peter Thiel
Der Auszug der Milliardäre aus der Verantwortung