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Parlamentswahl in PortugalRutsch nach rechts

Das konservative Bündnis bleibt stärkste Kraft, die Sozialisten schmieren ab, die Rechtsextremen legen kräftig zu. Wie geht es weiter in Portugal?

Luís Montenegro kann Ministerpräsident von Portugal bleiben. Eine eigene Mehrheit hat er mit seinem konservativen Bündnis nicht Foto: Violeta Santos Moura/reuters

Madrid taz | Was in den Umfragen wie ein Kopf-an-Kopf-Rennen aussah, wurde ein klarer Sieg der portugiesischen Rechten. Das konservative Bündnis Aliança Democrática (AD) des bisherigen Ministerpräsidenten Luís Montenegro gewann die vorgezogenen Neuwahlen am Sonntag mit 32,7 Prozent der Stimmen und 89 Sitzen – neun mehr als vor einem Jahr.

Sein Herausforderer Pedro Nuno Santos und seine Sozialistische Partei (PS) erzielte ein historisch schlechtes Ergebnis. Mit 23,4 Prozent hat die PS künftig gerade einmal 58 Abgeordnete, 20 weniger als bisher. Lediglich bei den Wahlen 1985 und 1987 mussten sie eine noch schwerere Niederlage hinnehmen. Kurz nach Mitternacht kündigte Santos seinen Rücktritt als Generalsekretär an.

Bis zuletzt musste die PS gar um den Platz als zweitstärkste Partei fürchten. Denn die rechtsextreme Chega (Genug) unter André Ventura legte stark zu. Sie kam auf 22,6 Prozent und ebenfalls 58 Sitze, neun mehr als vor einem Jahr. Letztendlich blieb Chega nur 52.000 Stimmen hinter den Sozialisten.

Die vorgezogenen Neuwahlen waren nötig geworden, als Regierungschef Montenegro im März ein Vertrauensvotum verlor. Ihm waren unlautere Geschäfte von Unternehmen seiner Familie vorgeworfen worden. Die Wahlen am Sonntag waren die dritten in nur drei Jahren. Die Vorhersage, die Portugiesen seien wahlmüde, bestätigte sich allerdings nicht. Die Beteiligung lag bei 64,3 Prozent, mehr als vier Punkte über der von vor einem Jahr.

Keine eigene regierungsfähige Mehrheit für Montenegro

Wahlsieger Montenegro, der bisher in Minderheit mit Duldung durch die Sozialisten regierte, hat trotz des guten Abschneidens mit seinen 89 Abgeordneten keine regierungsfähige Mehrheit im Parlament. Diese liegt bei 116 Sitzen. „Das Volk will keine andere Regierung und keinen anderen Premierminister. Wir verlangen, dass man uns regieren lässt“, forderte Montenegro in seiner Siegesrede in der Wahlnacht. Er feierte, dass der Abstand zu den Sozialisten von 51.000 Stimmen auf eine halbe Million angestiegen sei.

Ob die PS ihn erneut im Parlament unterstützen wird, muss sich in den nächsten Wochen klären. Ein Zusammengehen der AD mit Chega würde eine absolute Mehrheit bringen. Doch ein solches Bündnis hat Montenegro bisher ausgeschlossen. Er verteidigte im Wahlkampf die Brandmauer gegen rechts und besetzte zugleich die Themen der Chega, versprach Massenabschiebungen und mehr Sicherheit.

„Wir sind an einem Punkt angekommen, dass wir regieren können“, feierte der Chega-Chef, der ehemalige Sportkommentator Ventura, das Ergebnis seiner extremen Rechten. Chega habe sowohl die Kommunisten (3 Abgeordnete) als auch die Sozialisten „besiegt“ und den Linksblock, der künftig nur noch einen Abgeordneten haben wird, „weggefegt“.

Außerdem habe Chega „das seit 50 Jahren herrschende Zweiparteiensystem getötet“. Anders als bei den Wahlen vor einem Jahr bot Ventura Montenegro kein Regierungsabkommen an. Sein Ziel sei es, so bald wie möglich auch die AD zu überholen, erklärte er.

Chega gegen die Nelkenrevolution

„Heute rechnen wir mit der Geschichte ab“, erklärte Ventura unter tosendem Applaus und sprach von denen, „die sich während dieser 50 Jahre des Regimes gedemütigt gefühlt haben.“ Es war eine klare Absage an die Nelkenrevolution und die durch sie errichtete Demokratie. „Von heute an wird in Portugal nichts mehr so sein, wie es war“, betonte Ventura. Chega begann vor sechs Jahren mit gerade einmal 1,3 Prozent.

Portugal ist mit diesem Ergebnis einmal mehr weit von der Stabilität entfernt, die sich so viele wünschen. Montenegro muss nicht nur einen Weg für eine erneute Minderheitsregierung suchen, sondern sich weiter gegen die Vorwürfe verteidigen, sein Familienunternehmen Spinumviva, das Frau und Sohn führen, habe von seiner Position profitiert. Die linken Parteien bestehen weiterhin auf einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Auch die Staatsanwaltschaft beschäftigt sich mit dem Fall.

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