Parlamentswahl in Kroatien: Der nächste Sieg der Rechten droht
15 Prozent Arbeitslosigkeit machen der Regierung zu schaffen. Bei der Wahl am Sonntag stehen die Chancen gut für die nationalistische Opposition.
„Den Versprechungen der Parteien ist nicht zu trauen“, mischt sich ein junger Mann, ein Student aus Zagreb, ins Gespräch ein. „Die sozialdemokratische Partei verspricht viele neue Arbeitsplätze – fragt sich, warum sie in den letzten vier Jahre keine geschaffen haben.“
Ob aber das Oppositionsbündnis aus der wirtschaftlichen Stagnation mit mehr als 15 Prozent Arbeitslosigkeit Kapital schlagen kann, ist hier im Zentrum der zweitgrößten Stadt Kroatiens nicht zu erkennen. Zwar hängen die Wahlplakate „Für ein starkes Kroatien“ an allen erlaubten und unerlaubten historischen Mauern des Diakletianspalastes. Doch die nationalistische Volkstümelei der Kroatisch Demokratischen Gemeinschaft (HDZ) unter dem ehemaligen Geheimdienstchef Tomislav Karamarko kommt bei den traditionellen Stadtbürgern nicht so gut an.
„Wer Hakenkreuze auf Fußballfelder sprühen lässt, wer den Gruß des faschistischen Ustaschastaates während des Zweiten Weltkrieges zulässt, dem muss Einhalt geboten werden“, sagt der Verkäufer in einer Buchhandlung. Der Mann will seinen Namen nicht nennen, und das zeigt das Spannungsfeld an, das in den letzten Wochen in Kroatien offenbar geworden ist.
Zwar standen sich auch bei der vorausgehenden Wahl das linke und rechte Lager der kroatischen Gesellschaft unversöhnlich gegenüber. Doch die Diskussionen kreisten vor dem Eintritt in die EU 2012 vor allem um die notwendigen Reformen, die das Land zu durchlaufen hatte, um die sozialen und politischen Konsequenzen dieses Eintritts.
Ein Wähler in Split
Hauptsächlich die HDZ hatte damals Federn lassen müssen. Die vor 2011 noch an der Macht befindliche Partei war vom Kampf gegen die Korruption besonders betroffen. Der einstige Regierungschef Ivo Sanader musste für zehn Jahre ins Gefängnis, auch andere hohe Funktionäre wurden zu Haftstrafen verurteilt.
Doch der damalige triumphale Sieg des Sozialdemokraten Zoran Milanović und seiner Bündnispartnerin Vesna Pusić von der liberal-demokratischen Kroatischen Volkspartei (HNS) 2011 wurde im Laufe der letzten Jahre verspielt. Das links-liberale Bündnis war nicht in der Lage, die Wirtschaft des Landes zu beleben. Die vorausgehende Finanzkrise und die Stagnation der europäischen Wirtschaft insgesamt werden als Entschuldigung nicht mehr gelten gelassen. „Es gab einfach keine neuen Ideen für die Modernisierung der Wirtschaft“, beklagen Unternehmer und Wirtschaftswissenschaftler im ganzen Land.
Doch anstatt in diese Schwachstelle der Regierung zu stoßen, hat das rechte Lager unter Tomislav Karamarko seine ganze Strategie auf die Beschwörung nationalistischer Gefühle verwandt. Damit versucht es, die eigene Anhängerschaft vor allem in den ländlichen Gebieten und den städtischen Unterschichten zu mobilisieren.
Der eigentlich zurückhaltende und keineswegs als Volkstribun auftretende Karamarko wirkt wie ein von den klerikalen Laienverbänden, den Kriegsveteranen und Aktivisten aus dem rechtsradikalen Sektor Getriebener. Die Wahlkampfbotschaft ist offensiv, bisweilen aggressiv. Nach letzten Umfragen liegt das rechte Lager leicht vorn.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Kürzungen im Berliner Haushalt
Kultur vor dem Aus
Bundestag bewilligt Rüstungsprojekte
Fürs Militär ist Kohle da
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
BSW-Chefin im ZDF
Wagenknecht räumt Irrtum vor russischem Angriff ein
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren