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Parlamentswahl in KolumbienMehrheit für Rechtsparteien

Bei der Parlamentswahl behaupten sich die Anhänger von Präsident Uribe. Bogotás populärer Exbürgermeister Antanas Mockus steigt in den Präsidentschaftswahlkampf ein.

Juan Manuel Santos von der Uribe-Partei. Links erkennbar das "U"-Logo. Bild: dpa

PORTO ALEGRE taz | Erwartungsgemäß haben die Anhänger von Kolumbiens Präsident Álvaro Uribe bei den Parlamentswahlen am Sonntag ihre klare Mehrheit behaupten können. Bedeutsam ist dies vor allem im Hinblick auf die wichtigere Präsidentschaftswahl im Mai, zu der der rechte Staatschef nach dem Urteil des Verfassungsgerichts von Ende Februar nicht mehr antreten darf. "Die Kolumbianer wollen voranschreiten und auf dem Fortschritt aufbauen, der unter Uribe erreicht wurde", jubelte Exverteidigungsminister Juan Manuel Santos, der sich als Kronprinz des Hardliners geriert.

Doch das politische Panorama ist weitaus komplexer, als es bei einer dritten Kandidatur Uribes gewesen wäre. Bei der Abstimmung über den Präsidentschaftskandidaten der mit Uribe verbündeten Konservativen kommt es zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen der früheren Außenministerin und Botschafterin Noemí Sanín und dem jungen Uribe-Liebling Andrés Felipe Arias, der bis Februar als skandalumwitterter Landwirtschaftsminister amtiert hatte. Am Montagmorgen hatte Sanín hauchdünn die Nase vorne - bis die Wahlbehörde nach Betrugsvorwürfen die Auszählung stoppte und das Ergebnis für Samstag ankündigte.

Im künftigen Senat haben die "U-Partei" und die Konservativen zusammen 50 von 102 Sitzen. Hinzu kommen acht Senatoren der rechtextremen PIN-Partei, deren enge Verbindungen zu Drogenhändlern und Paramilitärs bekannt sind.

Mit 18 Prozent und 18 Sitzen im Senat ist die Liberale Partei nun die stärkste Kraft der Opposition. Der Alternative Demokratische Pol, der 2006 als innovatives Projekt der zivilen Linken Furore gemacht hatte, kam nur noch auf knapp 8 Prozent. Das katastrophale Ergebnis ist die Quittung für die tiefe Zerstrittenheit der Linken und die mittelmäßige Zwischenbilanz von Pol-Bürgermeister Samuel Moreno Rojas in Bogotá.

Groß heraus kamen die "drei Tenöre" Antanas Mockus, Enrique Peñalosa und Lucho Garzón, die populären Hauptstadt-Bürgermeister von 1995 bis 2007. Die drei unkonventionellen Politiker hatten sich im Oktober 2009 zur Grünen Partei zusammengeschlossen. Aus dem Stand erreichten die Grünen bei den Senatswahlen 5 Prozent. Bei ihrer Präsidentenvorwahl setzte sich der Philosoph und Mathematiker Mockus durch.

Über Nacht wurde der frühere Universitätspräsident, dessen "Bürgerpädagogik" weit über Kolumbien hinaus Bewunderer fand, zum schillerndsten Anti-Uribe-Kandidaten. Manche trauen ihm sogar den Sprung in die Stichwahl zu.

Wie schon die frühere Senatorin Ingrid Betancourt haben die Neugrünen mit Ökologie wenig am Hut - sie wollen sich vielmehr als "ethische" Politiker im zutiefst korrupten System Kolumbiens profilieren. Doch was in Bogotá mehrfach funktioniert hat, ist landesweit schwer vorstellbar, wie die Wahlen vom Sonntag gezeigt haben. Einheimische und internationale Wahlbeobachter prangerten "massiven Stimmenkauf" an. Immerhin habe der Druck bewaffneter Gruppen nachgelassen, sagte Pedro Santana von der kolumbianischen Wahlbeobachtermission.

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10 Kommentare

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  • CC
    Carlos Castro

    Bimsbart:Die Statistiken kenne ich, Kolumbien schneidet bei der Mehrheit besser ab als Venezuela, um mal auf Kolumbien zurückzukommen. Ich kann nur jedem empfehlen, besucht Kolumbien, besucht Venezuela und vergleicht selbst!

  • B
    Bimsbart

    Hugo Chavez wird vor allem deswegen gewählt, weil er eine gute Arbeit macht. Der BIP sagt nicht wirklich etwas über den volkswirtschaftlichen Wohlstandes eines Landes aus.

    Dafür sagen nachfolgend aufgeführte Indizes sehr viel über den volkswirtschaftlichen Wohlstandes eines Landes aus:

     

     

    -http://en.wikipedia.org/wiki/Quality-of-life_index

    -http://en.wikipedia.org/wiki/File:World_happiness.png

    -http://en.wikipedia.org/wiki/Satisfaction_with_Life_Index

    -http://en.wikipedia.org/wiki/Happy_Planet_Index

  • CR
    Carlos Roldán

    @Carlos Castro: Meine Kritik bezog sich auf den Kommentar von mehrdad, der einen Artikel, in dem es in der Tat um Kolumbien geht, zum Anlass nahm, eine Tirade über Chávez loszulassen. Das Phänomen, die ekligsten Erscheinungen in der lateinamerikanischen Politik - von Uribe bis zum Putsch in Honduras - durch Beschwörung des allgegenwärtigen Schreckgespenstes Hugo aus Caracas zu rechtfertigen, ist mir in Internetforen und Leser_innenkommentaren leider schon öfter begegnet. Mit der realen Bedeutung Chávez' in Lateinamerika hat diese Rhetorik insgesamt recht wenig zu tun, denn die ist viel geringer, als die Uribe- und Micheletti-Fans im deutschsprachigen Internet wahrhaben wollen.

     

    Dass es Nazis gibt, die Chávez bewundern, will ich gar nicht bestreiten. Das heißt aber nicht, dass ich im Umkehrschluss mit allen Chávez-Basher_innen gut Freund bin. Das ginge schließlich nur nach dem altbekannten, allzusimplen Motto, dass der Feind meiner Feinde mein Freund ist.

     

    Es gibt an Chávez - von links - viel zu kritisieren: Militarismus, Kumpelei mit Achmadinedschad u.a. Totalitär und Nazi ist er deswegen aber noch lange nicht. Gewählt wird er m.M.n. einfach deswegen, weil das Pro-Kopf-Einkommen in Venezuela zwischen 1970 und 1997 um 8% gesunken ist. Betrachtet man allein die Arbeiterklasse, ist es in dieser Zeit sogar um ca. 50% gesunken. Dagegen ist der Anteil der Armen an der Bevölkerung zwischen 1984 und 1991 von 36% auf 68% explosionsartig angestiegen. Chávez hat seine politische Basis unter diesen Armen, und wer Chávez nicht will, muss in Venezuela entweder die Armut oder die Armen beseitigen. Das nur, um ein wenig den Mythos vom angeblich reichen und stabilen Venezuela vor Chávez zu dekonstruieren.

     

    Soviel zur Klärung. Hoffentlich geht es hier in Zukunft um Kolumbien, wie es sein sollte.

  • CC
    Carlos Castro

    @Carlos

    Verwechsle mal nicht Berichterstattung mit Leserkommentaren. Im Artikel ging es schon um die Parlamentswahl in Kolumbien. Ich persönlich wünsche mir für Kolumbien mehr Ökologie und Sozialpolitik, unter Uribe ist das leider etwas zu kurz gekommen. Sicher die Bekämpfung der FARC und damit die weitgehende Befriedung des Landes war ebenfalls wichtig für die Menschen hier, aber der Preis dafür war ein sehr hoher. Mockus hat meine volle Unterstützung, auch wenn es diesmal sicherlich noch nicht reichen wird.

    Du sagst, dass einige "Rechtsableger" Chavez kritisieren. Wie kommst Du darauf, das die Kritik von "rechts" kommt? Schaue ich in Foren oder Beiträgen sogenannter Rechtsradikaler, sehe ich da viel Unterstützung für Chávez. Gut, vielleicht liegt es nur daran, dass NPD und Konsorten in Wirklichkeit Linke sind. Sozialismus ist ja links und damit wohl auch Nationalsozialismus. So gesehen ist Chávez wohl auch ein Linker und damit von allen Linken dieser Welt zu verteidigen.

    Dann soll mich nur keiner mehr einen Linken nennen! Für mich bleibt Cháves ein Nationalsozialist und totalitärer Führer mit vielen Parallelen zu Stalin, Hitler, Honnecker oder Chauchescu.

  • CR
    Carlos Roldán

    Das Anstrengende an der Berichterstattung deutscher Medien über lateinamerikanische Politik (und zwar völlig unabhängig davon, worum es konkret geht) ist ja, dass sie stets irgendwelche Rechtsausleger dazu veranlasst, über Chávez und Venezuela loszuschwadronieren.

     

    Da es hier aber, wie eigentlich allen klar sein dürfte, um Kolumbien und nicht um Venezuela geht: Bleibt zu hoffen, dass sich in den kommenden Präsidentschaftswahlen eine neue Perspektive zeigt und der Kriegshetzer Uribe und seine Getreuen ihre Herrschaft nicht perpetuieren. Es wäre dem letzten lateinamerikanischem Land, in dem noch immer im großen Stil Menschen verschwinden, sehr zu wünschen.

     

    CR (Buenos Aires)

  • C
    Cartacha

    @ mehrdad:

     

    wie gut "abwählbar" diese rechten Parteien sind, sieht man ja an dem "massiven Stimmenkauf" und an den auch sonst stets demokratisch verlaufenden Regierungsgeschäften in Kolumbien.

    Und warum der ultrakonservative Ahmadinedschad in deiner Liste der "linken Rattenfänger" auftaucht frage ich mich auch.

     

    Und nun zu dem Punkt des Herunterwirtschaftens.

    Der Armutsanteil liegt in Kolumbien nach 10 Jahren Uribe bei sage und schreibe 46%. 2002 lag er bei 51 %, nur 5 Prozentpunkte reduziert, damit fällt die Armutsreduzierung in dieser Zeit unter Uribe am geringsten in ganz Lateinamerika aus.

     

    Zum Vergleich, Lula in Brasilien hat in dieser Zeit 40 Millionen Menschen aus der Armut geholt, den Anteil um 12% auf 25,8% reduziert. Sogar Peru ( Armutsanteil 36%) und Ecuador (39%) schneiden besser ab. Und auch Venezuela, bei aller Kritik an Chavez, steht mit 27,6 % Armutsanteil deutlich besser da, die Armut wurde um ganze 50% reduziert.

     

    Also bitte erstmal informieren, bevor man Parolen wie linke Rattenfänger auspackt!

    Gut, dass Senor Uribe kein drittes Mal amtieren darf!

  • B
    Bimsbart

    Bis auf das gute Abschneiden der Grünen sind das keine guten Ergebnisse.

    Wie wäre es, wenn die taz mal ein bißchen was über Mockus, Penalosa und Garzon schriebe und zuvor genannte vorstellen würde?

     

    Wenn das in der Printausgabe erschiene, könntet Ihr dann auf der homepage dies kenntlich machen.

    Ich habe kein Abo, aber ich kauf mir bisweilen die print-Ausgabe.

     

    ;-)

  • M
    mehrdad

    da sind sie wieder..die "rechten parteien" als schimpfwort.

     

    zumindest sind diese rechte parteien abwählbar, anders als ahmadinejad oder ein chavez, der venezuela zugrunde gewirtschaftet hat und mehr und mehr zum diktator mutiert.

     

    sieht aus, als ob die kolumbianer zu intelligent sind für die parolen der linken rattenfänger ala chavez, castro&co. sie haben eben keine lust zu sehen, wie ihr land wie das einstmals reiche venezuela immer mehr verkommt und sozialistisch herruntergewirtschaftet wird.

     

    in dem zusammenhang sind die kolumbianer intelligenter als die 50-55% deutsche, die bei wahlen die linksfront (rot, rot, grün erbibg als farbkombination braun) wählen würden.

  • PU
    Primitivo Usnavy

    Ich kann Omar nur zustimmen, zumindest was den Spitzenkandidaten Antanas Mockus angeht, er hat in seiner Bürgermeisterzeit in Bogotá sehr wohl ökologische Ziele durchgesetzt, insbesondere mit ausgefallenen pädagogischen Massnahmen. In seiner Amtszeit, so belegen Umfragen, hat sich die Lebensqualität in Bogotá stark verbessert, er ist erfolgreich gegen übermässigen Resourcenverbrauch angegangen. Wenn das nicht Ökologie ist, was dann?

  • OA
    Omar Acosta

    I do not agree with the author by saying that the Green party has nothing to do with environmental issues.

     

    Maybe you should travel to Bogota and see it by yourselve. Under the administration of Mockus, Penalosa and Garzon the city has become an example of sustainable urban management for many other cities around the world.

     

    You should also analyse that the epistemic community of Mr Mockus as well as the community of practice have been involved in environmental programs in Colombia and abroad.

     

    Maybe this documentary of the Public Broadcasting in the US might help you:

     

    http://www.pbs.org/e2/episodes/209_bogota_building_sustainable_city_trailer.html