Athentaz | Nach der ersten Prognose des führenden griechischen TV-Senders Mega am Sonntag konnte die Linkspartei Syriza von Ex-Premier Tsipras 30 bis 34 Prozent der Stimmen auf sich vereinen, während die konservative Nea Dimokratia des ehemaligen Parlamentspräsidenten Evangelos Meimarakis 28 bis 32,5 Prozent erreicht.
Andere Sender haben ähnliche Prognosen geliefert. Damit lag Syriza bis Redaktionsschluss Sonntagabend im Vorteil, ein Wahlsieg der Konservativen war jedoch auch nicht auszuschließen. Jedenfalls steht fest, dass die konservative Nea Dimokratia ihren früheren Umfrage-Rückstand innerhalb von vier Wochen zum großen Teil aufholen konnte.
Syriza-Fraktionssprecher Nikos Filis gibt sich trotzdem zufrieden: Die Linkspartei erhalte weiterhin das Vertrauen eines Großteils der Wähler, erklärte er im TV-Interview. Aus Parteikreisen hieß es am Sonntagabend, der Wahlsieg von Syriza sei so gut wie sicher.
Tsipras’ bisheriger Koalitionspartner, die rechtspopulistische Partei Unabhängige Griechen (ANEL), könnte laut ersten Prognosen durchaus die 3-Prozent-Klausel meistern und den Einzug ins Parlament schaffen. Für Alexis Tsipras steht schon längst fest: Der 50-jährige Panagiotis „Panos“ Kammenos ist sein favorisierter Koalitionspartner.
Ernüchterung bei anderen potenziellen Koalitionspartnern: Die sozialdemokratische Pasok wird laut Prognosen anscheinend viertstärkste Kraft mit bis zu 7 Prozent.
Der dritte Platz
Wahl in Griechenland
Linke und Rechtspopulisten weiter Arm im Arm: Der ehemalige und wahrscheinlich zukünftige Ministerpräsident Alexis Tsipras feiert mit Koalitionspartner Panos Kammenos von den Unabhängigen Griechen den Wahlerfolg seines SYRIZA-Linksbündnisses. Das hat am Sonntag 35,46 Prozent der Stimmen erhalten und darf somit weiterregieren.
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Tsipras' Unterstützer haben das Ergebnis vor den Wahllokalen in Athen mit großer Freude aufgenommen.
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Zum vierten Mal binnen drei Jahren waren die Griechen aufgerufen, ein neues Parlament zu wählen. Das wirkte sich auf die Wahlbeteiligung aus. Sie lag bei 56,6 Prozent und damit auf dem tiefsten Stand seit rund 70 Jahren. Im Januar gingen noch 63 Prozent der Berechtigten in die Wahllokale.
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Vor der Wahl in Griechenland am Sonntag war mit einem Kopf-an-Kopf-Rennen gerechnet worden: Von den zehn letzten Umfragen vergangener Woche sahen zwar neun das „Bündnis der radikalen Linken“ (Syriza) vorne, aber zumeist nur knapp vor der konservativen Nea Dimokratia (ND). Ein Institut ermittelte ein Patt.
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Die Umfragen der diversen Institute wichen auch noch auf der Zielgraden mitunter stark voneinander ab. Das lag zum einen an den unterschiedlichen Methoden, die sie anwandten. Zum anderen ist die Demoskopie in Griechenland noch stärker politisch gefärbt als in Deutschland.
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Eine absolute Mehrheit war für keine Partei in Sicht. Aber anders als in Deutschland ist es in Griechenland absolut entscheidend, wer stärkste Partei wird. Denn die bekommt einen Bonus von 50 Mandaten. Was bedeutet: Gegen sie ist eine Regierungsbildung de facto unmöglich.
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Die Wahlkampfabschlussveranstaltung von SYRIZA fand am Freitagabend in Athen auf dem zentralen Syntagma-Platz vor dem griechischen Parlament statt. Mehr als 10.000 Menschen waren gekommen, um Alexis Tsipras ihre Unterstützung zu versichern.
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„Manche glaubten, sie könnten uns leicht loswerden“, sagte Tsipras in seiner knapp einstündigen Rede. „Sie irren sich.“ Am Sonntag gehe es um die Entscheidung zwischen einem Europa der Sparzwänge oder einem „Europa der Solidarität und der Demokratie“.
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Aus europäischer Solidarität mit SYRIZA waren Pablo Iglesias von der spanischen Podemos, Ska Keller von den deutschen Grünen und Pierre Laurent, Generalsekretär der französischen Kommunisten, nach Athen gereist. Mit dabei auch Gregor Gysi, der Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag.
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„Neunzehn Länder haben den Euro, in achtzehn gibt es eine neoliberale Regierung“, sagte Gysi in seiner kurzen Rede. „Ich möchte, dass Griechenland die Ausnahme bleibt.“ Deshalb müsse SYRIZA wieder an die Regierung gewählt werden.
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In den Umfragen lag SYRIZA zwischen 30,7 und 33,9 Prozent. Viele GriechInnen scheinen den proeuropäischen Kurs von Tsipras weiter mitzutragen – trotz der erzwungenen Unterwerfung unter das Diktat der Eurogruppe.
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Sie ist die Partei des alten Establishments: Am Donnerstag hatte die Nea Dimokratia (ND) ihre Anhänger auf dem Omonia-Platz in Athen versammelt. Rund 10.000 Menschen dürften es gewesen sein, die ihrem neuen Hoffnungsträger Evangelos Meimarakis zujubelten.
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Im Juli übernahm der 61-jährige Meimarakis die Führung der konservativen Partei von dem Ex-Ministerpräsidenten Antonis Samaras. Damals galt die ND als völlig heruntergewirtschaftet und lag in den Umfragen weit hinter SYRIZA.
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Nach ihrer schweren Niederlage im Januar schien die ND zwischendurch gute Chancen zu haben, bei der Wahl stärkste Partei im griechischen Parlament zu werden – und damit den nächsten Premier zu stellen. In den Umfragen lag sie zwischen 28,5 und 31,5 Prozent. Am Ende bekam sie 28,1 Prozent.
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Insgesamt traten 19 Parteien und Parteienbündnisse zur Parlamentswahl an. Den Umfragen zufolge hatten neun von ihnen die Chance, die Drei-Prozent-Hürde zu überspringen und damit ins Parlament einzuziehen.
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Erneut drittstärkste Partei konnte die Chrysi Avgi („Goldene Morgenröte“) werden. Obwohl gegen fast die gesamte Führung der faschistischen Partei derzeit ein Prozess wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung läuft, hat sie sieben Prozent der Stimmen geholt. Im September 2013 hatte ein Chrysi-Avgi-Mitglied den linken Aktivisten und Hip-Hop-Musiker Pavlos Fyssas (Killah P) erstochen.
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Deutlich weniger gut gefüllt als bei der Nea Dimokratia war der Omonia-Platz zwei Tage zuvor. Am Dienstagabend hatte hier die zentrale Wahlkampfveranstaltung der Syriza-Linksabspaltung Laiki Enotita (LAE/„Volkseinheit“) stattgefunden.
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Etwas mehr als 2.000 Menschen könnten es gewesen sein, die den Reden des LAE-Vorsitzenden und Ex-Energieminister Panagiotis Lafazanis, der Parlamentspräsidentin Zoi Konstantopoulou und des einstigen antifaschistischen Widerstandskämpfers Manolis Glezos folgten.
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Die „Volkseinheit“, die den Austritt Griechenlands aus der Eurozone propagiert, hatte sich im August von Syriza abgespalten. Ihr Plan, viele enttäusche Syriza-WählerInnen mitzunehmen, ging nicht auf. Sie scheiterte mit 2,9 Prozent knapp an der Drei-Prozent-Hürde.
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Jahrzehntelang hatte sich die „Panhellenische Sozialistische Bewegung“ (PASOK) mit der Nea Dimokratia an der Regierung abgewechselt. Dann folgte der rasante Abstieg: Im Jahr 2009 noch Wahlgewinnerin mit rund 44 Prozent, landete sie im Januar 2015 nur bei 4,7 Prozent.
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Die arg geschrumpfte Anhängerschaft der sozialdemokratischen PASOK ist auch nicht mehr die jüngste, wie die etwas mehr als 1.000 Menschen auf ihrer zentralen Wahlkampfveranstaltung am Dienstagabend vor dem Athener Rathaus anschaulich dokumentierten.
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Bei der Wahl am Sonntag trat die die PASOK gemeinsam mit der „Demokratischen Linken“ (DIMAR) an. Die DIMAR hatte sich 2010 von Syriza abgespalten. Bei der Wahl im Januar scheiterte sie an der 3-Prozent-Hürde. Die gemeinsame Liste kam nun auf 6,28 Prozent.
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Veranstaltungen auf öffentlichen Plätzen sind nicht die Sache von To Potami („Der Fluss“). Die erst im vergangenen Jahr gegründete liberale Partei des TV-Moderators Stavros Theodorakis lag in den Umfragen zwischen 4,5 und 6 Prozent, was nicht ganz an ihr Ergebnis bei der Wahl im Januar (6 Prozent) heranreichte. Am Wahlsonntag wurden es dann nur noch 4,09 Prozent.
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Bei der KKE herrschen noch revolutionäre Disziplin und Ordnung. Am Mittwochabend hatte die kommunistische Partei für 20 Uhr zu ihrer zentralen Kundgebung auf dem Athener Syntagma-Platz geladen – und Punkt 20 Uhr begann Generalsekretär Dimitris Koutsoumbas seine Rede.
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Die KKE ist ausschließlich mit sich selbst koalitionsbereit. Vor mehr als 10.000 Menschen wetterte der rhetorisch etwas limitierte Koutsoumbas gegen die EU, gegen den Euro, gegen ALLE anderen griechischen Parteien - und vor allem immer wieder gegen Alexis Tsipras.
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50 Minuten lang sprach der KKE-Chef, dann wurden die Winkelemente wieder eingesammelt und die Veranstaltung war vorbei. Sie schaffte das gleiche Ergebnis wie bei der Wahl im Januar (5,5 Prozent).
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Allerdings hatte sich die neue Parteichefin Fofi Gennimata durchaus Hoffnungen auf den dritten Platz gemacht. Noch hinter Pasok landet vermutlich die sozialliberale Gruppierung To Potami des Journalisten Stavros Theodorakis. Dabei hatte Theodorakis vor der Wahl 10 Prozent als Wahlziel angegeben.
Ähnliches erleidet die „Volkseinheit“ des ehemaligen Energieministers Panagiotis Lafazanis, die sich nach dem sommerlichen Referendum über die Sparauflagen von Syriza abspaltete und bei der Wahl am Sonntag das Wählerreservoir der Nein-Befürworter reichlich abschöpfen wollte. Doch laut ersten Prognosen müssen die Euro-Skeptiker um ihren Einzug ins Parlament bangen.
Die Reaktion der ND
Bei der Parlamentswahl in Griechenland hat der Chef der konservativen Nea Dimokratia (ND), Evangelos Meimarakis, seine Niederlage eingeräumt. „Ich gratuliere Herrn Tsipras und fordere ihn auf seine Regierung zu bilden“, sagte er am Sonntagabend im griechischen Fernsehen. (dpa)
Der ehemalige Sozialminister Dimitrios Stratoulis, einst ein Weggefährte von Tsipras und nun fast schon die rechte Hand von Lafazanis, ist sich jedoch sicher: Die Volkseinheit werde die 3-Klausel-überwinden.
Wie erwartet, landet die rechtsradikale Partei Goldene Morgenröte auch bei dieser Wahl laut Prognosen auf dem dritten Platz mit bis zu 8 Prozent der Stimmen. Das ist ein verblüffendes Ergebnis, wenn man bedenkt, dass gegen die Führungsriege der Rechtsradikalen ein Strafverfahren wegen „Bildung einer kriminellen Organisation“ läuft.
Neonazis wollen Opposition anführen
Nun will die Neonazi-Partei den Oppositionschef stellen, sollten sich Linkspolitiker Tsipras und Konservativen-Chef Meimarakis notgedrungen auf eine Große Koalition einlassen.
Seit Langem fordern die Konservativen eine derartige, noch nie da gewesene Links-rechts-Koalition zur Umsetzung von Sparauflagen, für die Tsipras und Meimarakis ohnehin gemeinsam im griechischen Parlament gestimmt haben. Der Syriza-Chef sträubt sich dagegen mit dem Hinweis, eine Koalition mit den Konservativen sei „unnatürlich“.
Die Parlamentswahl vom Sonntag war der fünfte Wahlgang seit dem Jahr 2010. Allein in diesem Jahr war es das dritte Mal, dass die Griechen zur Stimmabgabe aufgerufen waren.
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