Parlamentswahl in Australien: Aktivistin gewinnt Parlamentssitz gegen Oppositionsführer
Oppositionsführer Peter Dutton ist nicht australischer Premier geworden – und hat gegen eine Behinderten-Aktivistin der Labor-Partei seinen Parlamentssitz verloren.
Davor kannte man Ali France vor allem als Kämpferin für Barrierefreiheit, soziale Gerechtigkeit und Inklusion. Sie sprach aus Erfahrung – und das machte sie glaubwürdig. Dazu setzte sich für Umweltfragen ein, für Gleichstellung, für Flüchtlinge, für gerechtere Chancen für alle Australier:innen. Ihre Überzeugungen waren nicht radikal – sie waren menschlich.
2019 wagte sie den großen Schritt: Sie kandidierte im konservativen Wahlkreis Dickson in Queensland – gegen keinen Geringeren als Peter Dutton, einen der bekanntesten und umstrittensten Politiker des Landes. Dutton war ein politisches Schwergewicht – ehemaliger Verteidigungsminister, Vertreter einer harten Linie in Sachen Sicherheit, Migration und nationaler Identität.
Als Einwanderungsminister in einer früheren konservativen Regierung wurde er als kompromissloser Verfechter der von humanitären Organisationen als Folter kritisierten Zwangsinternierung von Flüchtlingen bekannt. Der Wahlkampf war hart – und am Ende verlor sie. Im selben Jahr starb einer ihrer beiden Söhne an Leukämie. Statt zu resignieren, lernte sie. Sie beobachtete, baute auf. Trotzdem verlor sie 2022 nochmals gegen den Ex-Polizisten Dutton.
Bis 2025 hatte sich das politische Klima in Australien verändert. Die Bevölkerung schien – sollte sich herausstellen – zunehmend unzufrieden mit alten Machtstrukturen, mit der Politik des konservativen Oppositionsführers und potenziellen Premierministers. Es war eine Politik, die Angst und Hass schürte, statt Hoffnung zu geben. Ali France wagte es noch einmal.
Ihre Kampagne war basisdemokratisch, lebendig, nahbar. Während Dutton hinter geschlossenen Türen mit Seinesgleichen sprach, war France auf Schulhöfen, Marktplätzen und Gemeindefesten unterwegs. Sie hörte zu, diskutierte offen, fragte nach. Ihre Stärke war nicht Lautstärke, sondern Echtheit.
Peter Dutton hingegen setzte auf seine bewährte Strategie: Macht durch Kontrolle. Er warnte vor „linken Träumern“, verurteilte „woke“, versprach Sicherheit durch Grenzen, Härte und Patriotismus. Er appellierte an den im Volk noch immer weit verbreiteten Rassismus.
Sein Ton und viele seiner politischen Pläne kamen bekannt vor: Man hatte das meiste schon von US-Präsident Donald Trump gehört. Doch wie sich zeigen sollte, hatten viele Menschen genug von der Rhetorik. Während Dutton Zahlen und Bedrohungen zitierte, sprach France von Menschen: von einer alleinerziehenden Mutter mit Rollstuhl, die keine barrierefreie Wohnung findet. Von einem Jugendlichen, der an den Folgen des Klimawandels leidet.
Am Wahlabend dann, nach langem Warten, die Entscheidung: Ali France hatte Peter Dutton besiegt – und mit ihm die Symbolfigur konservativer Politik. In ihrer Siegesrede sagte Ali France: „Es ist der Sieg aller, die immer wieder gesagt bekamen: ‚Du passt nicht ins System.‘ Heute sagen wir: Doch, wir gehören hierher. Genau hier.“ Peter Dutton trat als Führer der Konservativen zurück. Seine liberal-nationale Koalition ist am Boden zerstört. Die Labor-Regierung hat im Parlament eine klare Mehrheit.
Ali France’s Sieg veränderte Australien. Er sendete ein Signal: dass man gegen alte Machtstrukturen gewinnen kann. Dass Erfahrung und Empathie stärker sein können als Macht und Kontrolle. Und dass eine Frau mit einem künstlichen Bein mehr bewegen kann als ein ganzes Heer von Politikern ohne Vision.
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