Parlamentarische Minderheitsrechte: Opposition bleibt schwach

Die Linkspartei fühlt sich als Oppositionspartei benachteiligt. Zu Unrecht, urteilt das Bundesverfassungsgericht.

Gregor Gysi wird von Journalisten mit Kamera und Mikrofon befragt

Herr Gysi und seine Partei hat kein Glück mit ihrer Beschwerde Foto: dpa

KARLSRUHE taz | Wenn die Opposition zu schwach ist, um die im Grundgesetz garantierten Minderheitsrechte zu nutzen – dann hat sie eben Pech gehabt. Das Bundesverfassungsgericht lehnte es nun ab, Oppositionsrechte auch gegenüber einer Großen Koalition zu garantieren.

Seit der letzten Bundestagswahl stellt die Opposition (aus Linken und Grünen) nur rund zwanzig Prozent der 631 Abgeordneten. Die meisten parlamentarischen Minderheitsrechte erfordern aber ein Viertel der Volksvertreter. Als freiwilliges Zugeständnis änderte die Mehrheit daraufhin die Geschäftsordnung des Bundestags in einigen Punkten. Beispielsweise soll ein Untersuchungsausschuss schon dann eingerichtet werden, wenn 120 Abgeordnete dies fordern. Auch bei den Redezeiten werden kleine Fraktionen bevorzugt.

Die Linke war damit noch nicht zufrieden. Sie forderte zusätzlich das Recht, jedes Gesetz dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorzulegen (abstrakte Normenkontrolle). Dafür klagte sie bei eben diesem Verfassungsgericht. Allerdings ohne Erfolg.

Zwar betonten die Richter ausführlich, dass die Opposition für die Demokratie geradezu „konstitutiv“ ist. Die Demokratie beruhe auf der Idee des offenen Wettbewerbs unterschiedlicher Kräfte. Deshalb enthalte das Grundgesetz den Grundsatz „effektiver Opposition“.

Allerdings folgt aus diesem Grundsatz nichts, wenn die Opposition zu schwach ist, um sich auf die im Grundgesetz garantierten Minderheitsrechte berufen zu können. Weder könnten Oppositionsfraktionen solche Rechte direkt aus der Verfassung ableiten, noch gebe es eine Pflicht, die 25-Prozent-Schwelle im Grundgesetz im Falle solcher Konstellationen abzusenken.

Alle Abgeordneten sind gleich

Zur Begründung verwies Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle auf den ausdrücklichen Wortlaut des Grundgesetzes. An diesen sei auch das Bundesverfassungsgericht gebunden. Die relativ hohen Schwellen für die Wahrnehmung von Minderheitsrechten seien nicht unbedacht ins Grundgesetz geschrieben worden, sondern, um „Missbrauch“ zu vermeiden.

Außerdem, so Voßkuhle, seien alle Abgeordneten gleich. Wenn bestimmte Rechte für Oppositionsvertreter leichter zugänglich wären, würde die Opposition gegenüber den Mehrheitsabgeordneten bevorteilt. Das sei nicht zu rechtfertigen.

Wären Rechte für Oppositionsvertreter leichter zugänglich, würden sie bevorteilt

Praktisch heißt dies für die laufende Wahlperiode: Grüne und Linke haben keinen Anspruch auf Nachbesserung ihrer Rechte. Auch die Zugeständnisse der Mehrheit zu Beginn der Wahlperiode waren freiwillig und könnten jederzeit rückgängig gemacht werden. Beispielsweise, um einen unerwünschten Untersuchungsausschuss zu verhindern. Manche dieser freiwilligen Minderheitsrechte stehen nun sogar selbst in Verdacht, verfassungswidrig zu sein: Weil sie nur der Opposition zustehen, so wie etwa die überproportionalen Redezeiten. Insofern ist die Verfassungsklage der Linken geradezu nach hinten losgegangen.

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