Parlament in Griechenland: Die Volksbefragung kommt
Die Gespräche mit der Eurogruppe sind am Ende, das Parlament in Athen stimmte dennoch für ein Referendum über das Sparprogramm. Die EZB tagt heute.
Mit 178 Ja- und 120 Nein-Stimmen votierten die Abgeordneten in Athen für die Volksabstimmung über die von den internationalen Gläubigern ursprünglich vorgelegten Spar- und Reformmaßnahmen. Eine erste Zählung von 179 Ja-Stimmen wurde nachträglich korrigiert. Die Rechts-Links-Koalition hat im Parlament 162 der insgesamt 300 Sitze. „Das Referendum wird stattfinden, ob die Partner es wollen oder nicht“, sagte Tsipras im Parlament. Zugleich betonte er, niemand könne Griechenland aus dem Euro drängen.
Bei dem für kommenden Sonntag geplanten Referendum sollten die Griechen ein „großes Nein zum Ultimatum“ der Gläubiger sagen, forderte Tsipras im Parlament. Zugleich sollten sie „ein großes Ja zu Europa und zur Solidarität“ aussprechen. Der Regierungschef zeigte sich überzeugt, dass durch ein „stolzes Nein“ die Verhandlungsposition Griechenlands gegenüber den Gläubigern gestärkt werden würde.
Der Ausgang des Referendums scheint ungewiss. In zwei noch vor der Referendums-Ankündigung abgehaltenen Umfragen sprach sich die Mehrheit der Griechen für eine Einigung mit den Gläubigern aus. So votierten auf die Frage „Wie würden sie abstimmen, wenn es zu einem Referendum kommt?“ 47,2 für ein Abkommen und 33 Prozent dagegen. Fast 20 Prozent zeigten sich in der Umfrage für die Wochenzeitung „Vima“ unentschlossen.
„Zickzackkurs macht einen fassungslos“
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier übte in einem Gespräch mit der Welt am Sonntag harsche Kritik an der griechischen Regierung. „Ich verstehe nicht, wie eine gewählte griechische Regierung seinem Volk empfiehlt, den europäischen Vorschlag abzulehnen und die Menschen in Griechenland damit in Geiselhaft nimmt, um Europa weitere Konzessionen abzutrotzen“, sagte er. „Der Zickzackkurs der griechischen Regierung in den letzten Stunden und Tagen macht einen doch fassungslos.“
Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem sagte nach einem Krisentreffen am Samstag: „Angesichts der Situation müssen wir mit Bedauern zu dem Schluss kommen, dass das Programm Dienstagnacht ausläuft.“ Damit würden bereitstehende Hilfen der Europäer und des Internationalen Währungsfonds (IWF) für Athen von insgesamt gut 18 Milliarden Euro verfallen. Ende Juni muss Athen IWF-Kredite zurückzahlen. Über Konsequenzen berieten die anderen 18 Euro-Finanzminister anschließend ohne den griechischen Ressortchef Gianis Varoufakis.
Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) kommt am Sonntag zu einer Krisensitzung zu Griechenland zusammen. Ohne weitere Finanzhilfen droht dem griechischen Bankensystem der Kollaps, da die Bankkunden aus Sorge vor dem Bankrott des Landes seit Tagen massiv Geld von ihren Konten abheben. Die EZB hatte in den vergangenen Wochen immer wieder die Nothilfe für die griechischen Banken erhöht, um einen Engpass zu vermeiden. Die EZB muss entscheiden, ob sie griechische Banken weiter stützt. Dreht sie den Geldhahn endgültig zu, spitzt sich die Lage nochmals zu.
Nach Einschätzung der Eurogruppe zwingt das Ende des Programms die Athener Regierung zu Notmaßnahmen. Dijsselbloem zufolge soll es technische Hilfe von den Geldgeber-Institutionen geben, um die Stabilität des griechischen Finanzsystems zu sichern.
Einlagen werden abgezogen
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble bekräftigte wie seine Kollegen, dass Griechenland Mitglied der Euro-Zone und Teil der EU bleibe. Allerdings steuere Griechenland nun auf akute Schwierigkeiten zu. Es werde schwierig für Athen, Verpflichtungen zu erfüllen. Schon am Samstag seien bei griechischen Banken Einlagen in außergewöhnlich hohem Niveau abgezogen worden. „Die Enttäuschung ist schon sehr groß. Das ist kein guter Tag“, sagte Schäuble weiter.
Die Euro-Länder waren von der Ankündigung des Referendums von Tsipras in der Nacht zum Samstag, kurz vor der Krisensitzung der Euro-Finanzminister, überrascht worden.
Griechenland braucht dringend frische Milliarden. Am Dienstag muss das Land 1,54 Milliarden Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF) zahlen. Eine Zahlungsunfähigkeit schon unmittelbar am 1. Juli bei endgültig gescheiterten Verhandlungen gilt aber als ausgeschlossen. Seit 2010 gab es bereits zwei Rettungsprogramme für Athen mit einem Umfang von insgesamt rund 240 Milliarden Euro.
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