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Parkschützer über Stuttgart 21„Das ist das Ende des Projekts“

Parkschützer von Herrmann glaubt wieder an einen Erfolg der Tiefbahnhofsgegner – weil die Finanzierung nicht mehr gesichert ist.

„Die Kosten sind um 2,3 Milliarden Euro gestiegen, aber keiner der Projektpartner will mehr bezahlen.“ Bild: dapd
Sebastian Erb
Sebastian Erb
Interview von Sebastian Erb und Sebastian Erb

taz: Herr von Herrmann, Ende 2012 sind die Baukosten für Stuttgart 21 auf 6,8 Milliarden Euro geklettert. Was bedeutet das für Sie als die Gegner des Tiefbahnhofs?

Matthias von Herrmann: Für uns ist das eine sehr positive Entwicklung, weil wir unsere Positionen nun endlich öffentlich bestätigt wiederfinden. Die Summe, vor der wir seit Jahren warnen, liegt jetzt auf dem Tisch. Das ist das Ende des Projekts.

Da sind Sie sicher?

In der Finanzierungsvereinbarung steht ausdrücklich, dass Stuttgart 21 abgebrochen wird, wenn die Finanzierung nicht mehr gesichert ist. Dieser Fall ist nun eingetreten. Die Kosten sind um 2,3 Milliarden Euro gestiegen, aber keiner der Projektpartner will mehr bezahlen.

Laut Bundesverkehrsminister wird der Tiefbahnhof gebaut.

Das sind doch nur Durchhalteparolen von jemandem, der sein Gesicht nicht verlieren will. Dabei würde es der Politik sehr viel mehr nützen zu sagen: Die Bahn hat uns viele Jahre an der Nase herumgeführt, wir geben das Projekt endgültig auf – es bringt verkehrstechnisch nichts, hat Zerstörung gebracht und wird sie weiterhin bringen.

Was ist Ihnen vom Protestjahr 2012 in Erinnerung geblieben?

Das Fällen der Bäume war für viele ein emotional sehr schwerer Moment. Und es wurde ja bis heute gar nichts gemacht im Schlossgarten. Nur einige Probebohrungen, die keine neuen Erkenntnisse gebracht haben. Klar war: Wir machen mit dem Protest weiter. Erstens stehen noch etliche Bäume im Schlossgarten, die durch die Grundwasserabsenkung ebenfalls gefährdet wären. Und es geht um den Rosensteinpark, der sogar unter europäischem Schutz steht. Abgesehen von grundsätzlichen Bedenken wie etwa beim Brandschutz.

MATTHIAS VON HERRMANN

39, studierte Politik, Wirtschaft, Chemie. Er ist Sprecher der Aktiven Parkschützer, die zum Aktionsbündnis gegen S 21 gehören.

Seit fast zwei Jahren hat Baden-Württemberg einen grünen Ministerpräsident, im Januar tritt Fritz Kuhn sein Amt als Oberbürgermeister an. Was ändert es für Sie, wenn die Grünen an der Macht sind?

Man muss ja vergleichen, ob die CDU oder die Grünen in Spitzenpositionen sind. Im Vergleich zum Mappus-Regime machen uns Grüne in Spitzenpositionen das Leben leichter, aber nicht völlig leicht. Sie verfolgen das Projekt nicht mit der Vehemenz, mit der es Stefan Mappus und Günther Oettinger getan haben.

Hätte Ministerpräsident Kretschmann etwas anders machen sollen?

Er hätte von Anfang an öffentlich wahrnehmbar kritische Fragen stellen können. Er hat nie offen angesprochen, dass die Bahn die Kosten nicht im Griff hat und von vorne bis hinten nur Märchen erzählt. Jetzt muss er das Projekt wie in der Finanzierungsvereinbarung festgeschrieben rückabwickeln. Kuhn kann zugleich die Mischfinanzierung angreifen. Es gibt ja nicht mal einen städtebaulichen Nutzen für Stuttgart, da die Gleisflächen nie für etwas anderes als Bahnverkehr genutzt werden dürfen. Das versprochene neue Stadtviertel ist ein Hirngespinst. Er muss jetzt die Gelder, die Stuttgart für diese Flächen bezahlt hat, zurückfordern.

Wie lange werden Sie weiter protestieren?

Wir werden protestieren, bis Stuttgart 21 beerdigt ist. Am 21. Januar tagt der Lenkungskreis das nächste Mal. An diesem symbolischen Datum könnte man S 21 beenden.

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11 Kommentare

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  • HS
    Harald Sidi

    Eigentlich ist ja schon alles gesagt, aber einen Wunsch möchte ich doch noch äußern und zwar, dass die Aufsichtsratsmitglieder diesmal standhaft bleiben und sich nicht mit irgendwelchen Tricks das NEIN abkaufen lassen! Oben bleiben!

  • MS
    M. Stocker

    @Hans König

     

    Bitte nennen Sie mir die Regelung im Finanzierungsvertrag, die eine zwangsweise Beteiligung der Projektpartner über den Umfang von 4,526 Mrd. hinaus an S21 belegt. Der einzige, der hier eine blühende Fantasie entwickelt, wenn es um die Erfindung von Blankoschecks für die DB AG und die Ausstiegskosten geht, sind Sie.

     

    Selbst wenn die Stichtagsregelung aus Sicht der DB keinen Ausstieg ermöglichen sollte: über die Verteilung der Mehrkosten ist dann schlicht und ergreifend NICHTS geregelt. Da eine Vorab-Übernahme der Kosten in unbekannter Höhe illegal wäre, wurde nichts vereinbart, auch in der Hoffnung, dass die Seilschaften der CDU-Hinterzimmerdiktatur Baden-Württembergs den 27. 3. 2011 politisch überleben, und damit die Milliarden aus dem Staatshaushalt ungebremst fließen können.

     

    S21 ist ein sog. 'Eigenwirtschaftliches Projekt' von Stadt und Land Baden-Wü., mit den zwei Pseudo-Projektpartnern Flughafen Stgt. und Verband Region Stuttgart aufgefüttert, damit die öffentliche demokratische Kontrolle minimal ist, sobald die hirntoten Abnicker des Baden-Württembergischen Landtags das Ganze durchgewunken haben. Leider hat dieses Konstrukt für die S21-Aficionados auch einen Nachteil. Wenn die DB nicht den 'Rest', also ca. 5 Mrd., des Schwachsinnsprojekts bezahlt, dann wird sich auch kein Gericht finden lassen, das die 'Fehlkalkulation' (aka Kostenlüge) der DB-AG in eine Zwangsbeteiligung des Landes oder der Stadt Stuttgart ummünzt.

     

    Einfach mal überlegen, wie das im realen Leben einer Industriegesellschaft läuft: Wenn Sie sich als Anbieter einer Fertigungsanlage verkalkuliert haben, dann sind Sie arm oder platt. Zu recht! Eine Klage gegen den Auftraggeber ist vollkommen aussichtslos. Vor Gericht gilt die Unterschrift unter den Finanzierungsvertrag als Bestellung für einen funktionierenden Bahnhof. Nicht für einen Torso, Murks und überteuerten Rückbau der Infrastruktur.

  • E
    EuroTanic

    "Ich hätte gerne einen neuen Volksentscheid"

    Was nützen Volksentscheide, wenn die Menschen die Thematiken nicht durchblicken? Denn hier stimmen Menschen ab, die nicht begreifen, dass der Staat ihnen für jede Milliarde an Projektkosten direkt in die private Tasche greift. Dies wird durch (indirekte) Steuern, Preise und Gebühren aber "verdeckt".

    Man sollte jeden einzelnen Bürger fragen: "Bist du bereit 85 Euro aus deinem Privatbesitz (6,8 Mia / 80 Mio Bürger) für das S21 Projekt abzugeben? Dann, und nur dann ist eine persönliche Entscheidung mit persönlichen Konsequenezen erkennbar.

  • GH
    Gottfried Hellwach

    Gestiegene Kosten - kein Ausstiegsgrund!

     

    Es ist eine Illusion, zu glauben, mit den rasant wachsenden Kosten für "Stuttgart 21" - die übrigens von den Gegnern dieses Megaprojekts längst schon vorausgesehen wurden - könne sich dieses extrem umweltschädigende Spekulationsobjekt sozusagen "von selbst" erledigen. Dagegen entspricht allein schon die Tatsache, dass die daran beteiligten bzw. verdienenden Monopole ein Interesse an dieser Verteuerung haben, da so die Überakkumulation des eigenen Kapitals wirkungsvoller abgebaut werden kann.

     

    Wäre dann nicht wenigstens die Sorge der Deutschen Bahn um die eigene Kapitalrendite bei einer weiteren Kostensteigerung ein Grund für ihren Ausstieg aus "Stuttgart 21"? Immerhin mußte Volker Kefer zugeben, dass die eigene Kapitalrendite bei einer Kostensteigerung von 1,1 Milliarden Euro auf unter 2% sinkt. Das hat dann auch zunächst prompt zur Hoffnung auf einen Ausstieg beigetragen, die freilich schnell wieder zunichte gemacht wurde, indem Kefer meinte, immerhin sei die zu erwartende Kapitalrendite noch positiv.

     

    Nicht die Hoffnung auf einen Ausstieg der daran beteiligten Monopole bringt "Stuttgart 21" zu Fall, sondern einzig und allein der anhaltende Widerstand dagegen.

  • HK
    Hans König

    Lesen kann MvH ja nun offenbar nicht, hat aber einen blühende Fantasie.

    Es ist selbstverständlich falsch, dass die Finanzierungsvereinbarung eine solche Regelung enthalten würde.

     

    Diese gefälschte Variante geistert nun schon seit einiger Zeit durch die Köpfe dieser Menschen.

     

    Tatsächlich enthält die Vereinbarung eine Stichtagsregelung (31.12.2009) bis zu welchem im Falle entspr. Kostensteigerungen nach dem Scheitern von Verhandlungen eine Beendigung möglich gewesen wäre. Das ist nun aber schon 4 Jahre überholt.

  • V
    vic

    S21 wird keinesfalls fertiggestellt.

    Doch ich befürchte, dass der Ausstieg erst bei 8-10 MRD Kosten, Bauunfällen oder Umwelt"pannen" stattfindet.

    Leider lassen sich die angerichteten Schäden an Bausubstanz des Kopfbahnhofs, Mensch und Natur nicht rückgängig machen.

  • KD
    Karl derKaefer

    Die öffentliche Schlichtung war ein großer Erfolg. Denn Jeder, der die Zeit und Muße hatte konnte sich vom "Schildbürgertum" bestens überzeugen.

     

    Heiner Geißler hat die Schlichtung hervorragend geleitet. Das seltsame war jedoch, das ER zu dem Ergebnis kam..das Stuttgart 21 unter wenigen Auflagen doch gebaut werden könne. Jetzt wird immer mehr deutlich,..das die Bedingungen unter denen die Schlichtung und der Volksentscheid standen,..gebrochen wurden. 4,5 Mrd. wurden als Reißlinie genannt. Heute werden den Bürgern 6,8 Mrd. offiziell genannt. Dies ist jedoch erst die Spitze vom Eisberg. ..Achja,.bevor nicht alles kaputt ist,..können manche IHRE Fehler wohl nicht zugegeben. ..Au Weiha..da kommt noch einiges auf Stuttgart zu. ( und auf den sog. Steuerzahler und Bahnfahrer....) Ein Abbruch ist keine Schande. Sinnloses Durchknüppeln schon !!!

  • KD
    Karl derKaefer

    Die öffentliche Schlichtung war ein großer Erfolg. Denn Jeder, der die Zeit und Muße hatte konnte sich vom "Schildbürgertum" bestens überzeugen.

     

    Heiner Geißler hat die Schlichtung hervorragend geleitet. Das seltsame war jedoch, das ER zu dem Ergebnis kam..das Stuttgart 21 unter wenigen Auflagen doch gebaut werden könne. Jetzt wird immer mehr Deutschland,..das die Bedingungen unter denen die Schlichtung und der Volksentscheid standen,..gebrochen wurden. 4,5 Mrd. wurden als Reißlinie genannt. Heute werden den Bürgern 6,8 Mrd. offiziell genannt. Dies ist jedoch erst die Spitze vom Eisberg. ..Achja,.bevor nicht alles kaputt ist,..können manche IHRE Fehler wohl nicht zugegeben. ..Au Weiha..da kommt noch einiges auf Stuttgart zu. ( und auf den sog. Steuerzahler und Bahnfahrer....)

  • E
    evalution

    @PeterWolf

     

    absolut d'accord.

  • U
    Ute

    Es wäre schön, wenn das sinnlose Verprassen von Geld, also ein Neubau ohne Verbesserungen, ein Ende fände.

    Das stellt aber die abgerissenen Flügel und die Bäume ncht mehr her, heilt nicht die Wunden und Verletzungen, die man Menschen zugefügt hat - auch körperlich -

    und zieht nicht jene zur Rechenschaft, die wieder mal Unsummen verschwendet haben.

     

    Urban Priol schätzt es wohl richtig ein, wenn er erwartet, dass mit dem Abgesang noch bis nach der Bundestagswahl gewartet werden soll.

  • P
    PeterWolf

    Der letzte Volksentscheid beruhte auf den damalig angegeben Kosten und ist daher mittlerweile obsolet.

    Ich hätte gerne einen neuen Volksentscheid, und zwar mit der Alternative Stuttgart 21 mit aktuellen Kosten ODER Rhein Ruhrexpress + städtebaulich vertretbarer Ausbau der (Güter-)Rheinschiene.

    Mit den beiden letzten Projekten kann man sich als Bahnchef auch ein Denkmal setzen, mit dem Unterschied, dass einem dafür auch noch die Füße geküsst werden.