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ParkChillen zwischen ICE und Rhabarber

Am Gleisdreieck ist ein Raum entstanden, der metropolitan ist und in dem es dennoch um Entschleunigung geht.

Der Park ist ein Knotenpunkt, an dem sich Verkehrswege auf mehreren Ebenen kreuzen Bild: Joanna Scheffel/dpa

Von Erholung kann an der Flotwellstraße keine Rede sein. Wer den neuen Westpark auf dem Gleisdreieck hier betritt, wird vom Tak-tak-tak der Pressluftbohrer empfangen, die letzte Reste der Ursprungsbebauung schleifen. Hochpreisige Wohnungen sollen hier entstehen, sie verengen den frisch eröffneten Park an seinem nördlichen Ende zu einem schmalen Schlauch.

Auch im Inneren der Anlage, die in den vergangenen Jahren auf dem Gelände des ehemaligen Potsdamer Güterbahnhofs entstanden ist, gehört Lärm dazu. Ein dosierter Lärm freilich, dessen Takt der BVG-Fahrplan vorgibt: Auf Viadukten rauschen die Züge der U-Bahnlinien 1 und 2 über die Köpfe der Besucher hinweg. Die U2, die, von der Bülowstraße kommend, zum Gleisdreieck eine scharfe Kurve machen muss, quietscht dabei zum Steinerweichen. Dagegen rauschen die ICEs, die etwas weiter südlich in den Tiergartentunnel eintauchen, sehr dezent.

Dies hier ist eben ein Knotenpunkt, an dem sich Verkehrswege auf mehreren Ebenen kreuzen. Ein sehr urbaner Ort, obwohl hier nach dem Krieg jahrzehntelang Brache und Wildnis war, sich dann Kiesberge und Zementsilos für die Baustellen am Potsdamer Platz breitmachten und sich nun ein Park als Lichtung im Dickicht der Stadt auftut. Die These sei erlaubt: Der jetzt komplette Park am Gleisdreieck ist so ziemlich das Beste, was dem Gelände passieren konnte.

Nicht jeder sieht das so. Ein Blogger schimpft über die „Wüste aus Asphalt, Rasen und Abstellplätzen für Kinder“, und der BUND bemängelte anlässlich der Eröffnung des Westparks am 1. Juni, das Ziel einer naturnahen Parkgestaltung sei „nicht erfüllt und Chancen für eine Pflanzen, Tieren und Menschen nützliche Grünfläche“ seien „vertan“ worden. Der Senat habe mit dem Eigentümer Vivico schlecht verhandelt, der Park falle viel kleiner aus als ursprünglich geplant, die Interessen der Anwohner seien abgebügelt worden.

Diese Argumente sind nicht einfach von der Hand zu weisen. Aber – was die „Asphaltwüste“ angeht – ein Park mitten in der Großstadt kann eben nicht nur Biotop sein, auch wenn die zugewucherten Brachflächen auf dem Gleisdreieck wildromantisch waren. Jetzt gibt es viel freie Fläche, ja: auch Rasen, auch Asphalt, aber Skater und radfahrende Kinder lieben Asphalt, wenn er nicht von Autos zugestellt ist, und auf einer Wiese lässt es sich einfach besser picknicken als im Landschaftsschutzgebiet. Zusammen mit den Hochbahnen, die einen Hauch von West Side Story transportieren, der Skyline des Potsdamer Platzes und dem industriellen Design, das die Landschaftsarchitekten des Atelier Loidl dem Parkmobiliar gegeben haben, entsteht ein metropolitaner Raum, in dem es dennoch um Entschleunigung geht.

Und zum Thema Anwohnerinteressen: Am äußersten westlichen Parkrand ist das vielleicht überraschendste Projekt zu bestaunen: die „Gärten im Garten“, wie es die Parkbetreiber von der Grün Berlin GmbH nennen.

Hier steht Kristiana Elig von Freitag bis Sonntag in einem zum Open-Air-Café umgebauten Container und verkauft selbst gemachten Kuchen, Quiches und alles, was die Espressomaschine hergibt.

Die 40-jährige TV-Redakteurin arbeitet in Teilzeit und betreibt nun zusätzlich das Café Eule. Über Zulauf kann sie sich nicht beklagen: Die aus grobem Holz gezimmerten Sitze und die Strandstühle sind gut besetzt, dabei wirkt alles angenehm unprätentiös und improvisiert. Drumherum: Kleingärten, die dem Klischee so gar nicht entsprechen wollen: üppig wuchernd und bunt, die meisten mit Einblick für Parkbesucher.

Denn die Gärten der Kolonie POG (wie „Potsdamer Güterbahnhof“) sind fester Bestandteil des Parks geworden. „Das ist vor allem dem Engagement von Klaus Trappmann zu verdanken, mit dem wir jahrelang gegen unsere Vertreibung gekämpft haben“, sagt Elig, die hier auch einen Garten hat. Tatsächlich hatte Trappmann, der umtriebige Kolonie-Chef, in langen Verhandlungen mit der Stadtentwicklungsverwaltung und der Grün Berlin GmbH erreicht, dass die POG, eine echte Pflanze des alternativen Westberlin, ins Parkkonzept aufgenommen wurde – und ein bisschen von der sie umgebenden Wildnis auch.

Beim Schlendern durch die Kleingartenwege erfreut man sich dann an der Vorstellung, wie Kreuz- und Schöneberger Kids beim Blick über den Gartenzaun zum ersten Mal Tomaten oder Rhabarber wachsen sehen, um anschließend am „urbanen Strand“ neben dem ICE-Tunnelmund gepflegt zu chillen. Und denkt: Genau so geht Großstadt.

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6 Kommentare

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  • MB
    Matthias Bauer

    Der Park ist ein Kompromiss, und Kompromisse sind oft schmerzhaft. In diesem Fall besonders für die, die die wilde Oase kannten. Trotzdem: der Kampf für den Park hat sich gelohnt, ohne Engagement von unten gäbe es diesen Park nicht und ohne dieses Engagement sähe der Park anders aus.

     

    Siehe hier:

    http://gleisdreieck-blog.de/2013/06/05/baeume-gerettet-dank-buerger_innen-engagement/

     

    und hier:

    http://gleisdreieck-blog.de/2012/11/18/wie-der-ostpark-des-gleisdreiecks-unterschiedlich-gesehen-wird/

  • D
    Doro

    Hässlicher geht nicht mehr, wenn man von U-Bahn aus in den "Park" schaut ekelt es einem richtig von den Architekten, die so etwas entworfen haben! Was haben die im Hirn? Naturvernichtung mit Ausgleichsgeldern für Naturvernichtung - das ist doch ein Witz.

  • LP
    Lisa Park

    Die taz bietet mal wieder leider kaum fundierte Hintergrundinformationen. Der Artikel ist viel zu unkritisch.

     

    Der Gleisdreieckpartk wurde mit 24 Mio. Euro (!) Ausgleichsgeldern für die Bebauuung des Potsdamer Platzes "gestaltet".

     

    Nicht nur der BUND, auch eine BI, die sieben Jahre lang für eine ökologische Gestaltung des neuen Parks gekämpft hatte und dann nach sieben Jahren entnervt aufgegeben hat, weil sich Senat und Bezirke regelmäßig nicht an Vereinbarungen hielten, kritisieren diese wahnsinnige Geldverschwendung.

     

    U.a. die Grünen im Abgeordnetenhaus ignorieren das Thema seltsamerweise seit vielen Jahren, obwohl Bürgerinitiativen immer wieder versucht haben, sie zum Engagement zu bewegen.

     

    Für den Park wurden kurioserweise eratmal massig Bäume abgeholzt. Im ganzen park sind zu wenig Bäume. An heißen Tagen ist kein Mensch auf den riesigen Rasenflächen, die teuer (!) unterirdisch bewässert werden. Die Leute sind unter den wenigen Bäumen im spärlichen Schatten zu finden.

     

    Die Konzeption des Parkes ist offensichtlich einzig dem Ziel untergeordnet, möglichst teuer zu sein und möglichst umfangreiche Bauaufträge vergeben zu können, deshalb auch die häßlichen breiten Asphaltwege, die Joggerinnen zum weinen bringen (Gelenkschmerzen).

     

     

    Der Meinung des taz-Autors stimme ich nicht zu. Man hätte den Gleisdreieckpark viel besser, ökologischer, schöner, menschenfreundlicher und gleichzwitig wesentlich (!) kostengünstiger gestalten können !

     

    Aber Ökologie, Umweltschutz und Steuergeldersparnis haben offenbar keine Lobby im Abgeordnetenhaus.

     

    "Der jetzt komplette Park am Gleisdreieck ist so ziemlich das Beste, was dem Gelände passieren konnte."

  • BH
    Beide Himmelsrichtungen

    Wäre ich noch mal Kind, fände ich den Park cool.

     

    Das stört mich und andere: Auf den Spielplatz wurde so eine Naturschotter als Boden verteilt. So weit, so schön. In einigen Jahren spätestens muss der aber gereinigt werden. Das ist teuer und aufwendig. Die Folge werden unverhältnismäßige Kosten oder ein unhygienischer Spielplatz sein. Wieso nicht gleich anders?

  • H
    Hans

    Keine Frage, wir brauchen Erholungs- und Grünflächen im Innenstadtbereich und der Park ist deutlich hünscher als die Eigentums-Neubau-Sch**** von der Groth Gruppe, aber...

    ...der Park ist hässlich.

    Zu viel Beton, zu wenig Grün, langweilig, nur an wenigen stellen kreativ (z.B. die Integration von Teilen des alten Gleisbettes und alter Anlagen ins Grün). Die Spielgelegenheiten für Kinder wirken künstlich, klein und an zu vielen Punkten im "Park" verteilt.

  • P
    pinkgodzilla

    event event ein lichtlein brennt - das ist tote erde - Bespassung für die "urbanen" die jenigen die vergessen gut finden und alle diejenigen den klimawandel zwar irgndwie auch wahrnehmen aber ohne irgendeine konsequenz daraus zu ziehen.

    na denn - frohes feiern.