piwik no script img

Pariser KlimaschutzzieleBank mit grünem Portfolio

Die GLS-Bank hat die Klimabilanz ihres Anlagengeschäfts untersucht. Das Ergebnis: 1,5 Grad sind machbar. Doch die Berechnung hat einen Haken.

Windpark in Brandenburg. Die GLS bietet klimafreundliche Anlagen Foto: Patrick Pleul/dpa

Bochum taz | Als erste Bank in Deutschland verspricht die sozial-ökologisch orientierte GLS, mit ihren Geschäften und Kreditvergaben das Pariser Klimaschutzziel einer Erderwärmung von maximal 1,5 Grad einhalten zu können. Vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie und dem Frankfurter Klima-Startup „right. based on science“ hat die Bank dazu erstmals das Treibhauspotenzial von 98,6 Prozent der Unternehmen berechnen lassen, an denen der Klimafonds der GLS Aktien und Wertpapiere hält.

Danach haben die Unternehmen des Fonds bis zum 31. Juli 2019 Kohlendioxid-Äquivalente von 13.179 Tonnen emittiert. In den Äquivalenten einberechnet sind auch extrem klimaschädliche Gase wie etwa Methan, dessen Treibhaus-Wirkung 28 Mal höher ist als das von Kohlendioxid.

„Das bedeutet: Wenn die gesamte Weltwirtschaft so handeln würde wie die Unternehmen unseres Fonds, wäre das Pariser Klimaziel einer maximalen Erwärmung von 1,5 Grad erreichbar“, sagte GLS-Vorständin Aysel Osmanoglu bei der Bilanz-Pressekonferenz der Bank am Montag in Bochum. Über alle Geschäftsbereiche rechnet das Kreditinstitut mit Klimafolgen von 1,4 Grad Erwärmung – von der Staatengemeinschaft wird eine Begrenzung auf zwei Grad angestrebt. Befürchtet wird aber, dass sich der Planet ohne massive Einschnitte um 4 Grad und mehr erhitzen könnte.

Allerdings: Dieses Ergebnis beruht auf Schätzungen. Denn die Bilanzierung, die von der GLS bereits 2019 angekündigt worden war, ist äußerst aufwändig: Untersucht werden müsste die gesamte Wertschöpfungskette nicht nur der Bank selbst, sondern aller Unternehmen, an die Kredite vergeben wurden. Dabei müssen nicht nur die direkten Emissionen der Kreditnehmer betrachtet werden, sondern auch der Treibhauseffekt der zugekauften Vorprodukte – und die Klimafolgen der Verwendung der hergestellten Güter.

Auch die Rohstoffe müssten betrachtet werden

Bei einer Unternehmen für Hausdämmungen etwa würde also nicht nur der negative CO2-Ausstoß bei der Herstellung des Dämmmaterials selbst, sondern auch der Rohstoffe betrachtet. Positiv bewertet würden dagegen der sinkende Energiebedarf der besser gedämmten Häuser.

„Wir vergeben auch Kredite an viele kleinere Unternehmen, etwa an ökologisch wirtschaftende landwirtschaftliche Betriebe“, erklärt Laura Mervelskemper, die bei der GLS als Referentin für Wirkungstransparenz und Nachhaltigkeit arbeitet, die Schwierigkeiten der unternehmensscharfen Bilanzierung: „Und von diesen kleineren Firmen haben viele keine eigene exakte Klimabilanz.“

Realistisch dürfte das 1,4 Grad-Ziel der GLS dennoch sein: Die 1974 gegründete Bank setzt massiv auf eine kohlenstoffarme Wirtschaft, investiert in die Bereiche klimaschonende Mobilität, nachhaltiges Bauen – und in regenerative Energien, die etwa ein Drittel des Kreditportfolios ausmachen. Im Vergleich zu anderen deutschen Unternehmen steht die Bank damit glänzend da. Das zeigen Berechnungen, die „right. based on science“ im November vorgelegt hat.

Danach würde sich die Welt bis 2050 um 13,82 Grad erwärmen, wenn alle Unternehmen weiter so wirtschafteten wie das Braunkohleverstromer RWE heute – selbst wenn der Essener Konzern seine selbstgesteckten Klimaziele einhielte, wären es noch immer 9,5 Grad. Im Finanzbereich steht die Deutsche Bank danach für einen Treibhauseffekt von 2,8 Grad – und das dürfte sich auch nicht ändern. Immerhin: Der vom Klimawandel selbst massiv getroffene Versicherer Allianz könnte die Auswirkungen seiner Geschäfte von heute 3,2 Grad bei Einhaltung der selbstgesteckten Klimaziele auf Paris-kompatible 1,5 Grad drücken.

Bei der Bilanzpressekonferenz in Bochum warb GLS-Vorstandssprecher Thomas Jorberg deshalb wie schon in den Jahren zuvor eindrücklich für massive Investitionen in klimafreundliche Unternehmen: „Wirtschaftlich geht’s uns gut – aber es brennt überall“, sagte der 63-Jährige. Je länger der „Transformationsprozess“ hin zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft verschoben werde, desto „disruptiver und teurer“ werde er verlaufen – und entsprechend viele Arbeitsplätze kosten.

Warnungen scheinen anzukommen

Zumindest theoretisch scheinen Jorbergs Mahnungen mittlerweile auch bei den Giganten der Finanzindustrie angekommen zu sein. So hat selbst Larry Fink, Chef des sieben Billionen Dollar schweren Finanzinvestors Blackrock, Mitte Januar gemahnt, die Märkte müssten schneller „auf die erheblichen Auswirkungen der Erderwärmung auf das Wirtschaftswachstum und den Wohlstand“ reagieren. Bisher hält Blackrock selbst Anteile an Öl- Kohle- und Gaskonzernen im Wert von 87 Milliarden Dollar. Fink hat aber angekündigt, bis 2025 Geld aus Firmen abzuziehen, die mehr als ein Viertel ihres Umsatzes mit der Kohleproduktion verdienen.

Jorbergs Bank muss eine solche Disruption dagegen nicht fürchten. Die sozial-ökologische GLS – die Abkürzung steht für „Gemeinschaft für Leihen und Schenken“ – ist seit Jahren auf Wachstumskurs. Allein im Geschäftsjahr wuchs die Zahl der Kund*innen um 24.000 auf jetzt 242.000. Die Zahl der Mitglieder der genossenschaftlich organisierten Bank stieg um ein Viertel von 52.200 auf 65.300. Auch die Bilanzsumme kletterte um 18 Prozent auf mehr als 6,7 Milliarden Euro zum Stichtag des 31. Dezember 2019. Um 13 Prozent gestiegen sind auch die ausgereichten Kredite: Knapp 3,8 Milliarden Euro stellt die Bank der nachhaltigen Wirtschaft zur Verfügung.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    Was erwartet man denn sonst von einem Klimafond?



    Wenn man sich schon die Kirschen herauspickt, dann sollten die auch süß sein.

    Womit wird denn das Geld verdient, das die Kunden der GLS in den Fond stecken?