Paragraf 218: Nachhilfe für Marco
Der Paragraf 218 StGB regelt, dass Schwangerschaftsabbrüche eine Straftat sind. Das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung fordert eine Neuregelung.
Ärztinnen, Expertinnen, sogar Pfarrerstöchter und, oh Wunder: auch zwei Männer haben sich vor das Bundesgesundheitsministerium in der Mauerstraße verirrt, um eine Neuregelung des Paragrafen 218 aus dem Jahr 1871 zu fordern. Richtig gehört: 1871! Mehr als 150 Jahre später dürfen Frauen noch immer nicht selbst über ihren Körper bestimmen.
In dem Bestreben, dem Ziel zumindest etwas näher zu kommen, hat die Ampelregierung 2023 wenigstens eine Expert*innenkommission einberufen, die die Möglichkeiten einer Regelung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des StGBs prüft. An diesem Montagmorgen tagt sie im Ministerium, während davor ein Flashmob des Bündnisses für sexuelle Selbstbestimmung unter dem Motto „Legal, einfach, fair“ stattfindet.
Forderungen nach Streichung des Paragraf 218
Ihre Forderungen sind einfach: Gewollte Schwangerschaftsabbrüche sollen aus dem StGB gestrichen werden, die Beratungspflicht abgeschafft und die Kosten durch die Krankenkassen übernommen werden. „Zudem fordern wir Vertrauen von Politik und Gesellschaft gegenüber Schwangeren“, sagt Scheibe. Warum auch nicht: Warum vertrauen wir selbstfahrenden Autos mehr als Schwangeren, die richtige Entscheidung für sich zu treffen?
Nachmittags stehen die Ergebnisse der Kommission fest: Die Rechtswidrigkeit von Schwangerschaftsabbrüchen hält weder Völker- noch Europa- oder Verfassungsrecht stand. Sie fordern daher die Legalisierung von Abbrüchen, zumindest in den ersten 3 Monaten. Zur Forderung, den Paragrafen 218 komplett zu streichen, äußert sie sich nicht eindeutig.
Der Bericht ist für die Regierung nicht bindend. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sprach von einer „äußerst anspruchsvollen rechtlichen“ und „ethisch äußerst sensiblen“ Frage. Warum müssen Männer alles immer so kompliziert machen? „So, und jetzt ab in den Kneipe!“, ruft Scheibe am Ende des Flashmobs. Wenn Frauen doch bloß die Welt regieren würden …
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!