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Papstgedenken in Buenos AiresDer argentinische Unruhestifter

Bei den Trauerfeierlichkeiten in Argentiniens Hauptstadt wird des verstorbenenen Franziskus gedacht. Der setzte sich dort einst für die Armen ein.

Trauergäste halten ein Gemälde des Verstorbenen außerhalb der Pfarrkirche der Jungfrau von Caacupé in Buenos Aires Foto: Natacha Pisarenko/ap

Buenos Aires taz | Mit einer Messe in einem Armenviertel endete in Buenos Aires am Samstag die Trauerkarawane für Papst Franziskus. Auf einem riesigen Spruchband wurden die Worte „Eine Kirche der Armen für die Armen“ durch die Straßen der Haupststadt getragen.

Immer wieder fanden Gedenkstopps an Orten statt, die zu Zeiten von Papst Franziskus, als er noch Erzbischof Jorge Bergoglio von Buenos Aires war, wichtig waren. So endete die Karawane auch an der kleinen Pfarrkirche der Jungfrau von Caacupé im Armenviertel „Villa 21-24“, wo er sich mit den Curas Villeros, den Priestern in den Armenvierteln, getroffen hatte.

Die überwiegend fröhliche Stimmung war vor allem der großen Zahl junger Leute zu verdanken. „Wir sind gekommen, um Unruhe zu stiften“, lachte der 16-jährige Marco und erinnerte damit an den Ausruf des Papstes „hagan lío – stiftet Unruhe“ beim Weltjugendtag 2013 in Rio de Janeiro. „Ich glaube, er hätte gewollt, dass wir lachen, auch wenn wir traurig sind, dass unser Papst nicht mehr da ist“, sagte er.

Während die Trauerfeierlichkeiten in Rom um 5 Uhr morgens Ortszeit in Argentinien begannen, war es vor der Kathedrale in Buenos Aires noch ruhig. Einige Gruppen hatten eine Mahnwache abgehalten und warteten auf den Beginn der Messe, die auf den Stufen vor der Kathedrale abgehalten wurde. „Ich möchte in diesem Moment dabei sein“, sagte eine Trans*-Frau. „Ich bin sehr traurig, mich von einem Papst verabschieden zu müssen, der die LGBT-Community eingeladen hat, in die Kirche zu kommen“, sagte sie.

Rivalität zur reaktionären Organisation Opus Dei

„Franziskus war ein guter Vater für alle, aber am meisten kümmerte er sich um die Schwächsten, die Ausgegrenzten, die von der Gesellschaft Weggeworfenen“, sagte Jorge García Cuerva zum Auftakt der Messe vor er Kathedrale. García Cuerva lebte und arbeitete als Cura Villero in einer Armensiedlung, bevor ihn der Papst vor zwei Jahren zum Erzbischof von Buenos Aires ernannte.

1978 gründeten acht Priester die Gruppe Padres en Villas Emergencias de la Ciudad de Buenos Aires. Sie orientierten sich an der so genannten Theologie des Volkes, die sie mit Blick auf das Alltagsleben der einfachen Menschen entwickelten, und hielten sich von der katholischen Hierarchie fern. Das änderte sich, als Jorge Bergoglio 1998 Erzbischof von Buenos Aires wurde.

Sein Name erscheint nicht auf der Liste der lateinamerikanischen Befreiungstheologen. Bergoglio definierte sich nie so, obwohl eine seiner ersten Gesten als Papst Franziskus darin bestand, Gustavo Gutiérrez, den Begründer der Befreiungstheologie, in den Vatikan einzuladen. Dagegen hat sich der Papst mit dem Opus Dei angelegt und versucht, dessen eigenmächtiges Agieren innerhalb der katholischen Kirche einzuschränken.

Die Ernennung des Jesuiten Jorge Bergoglio war der erzreaktionären Organisation ein Dorn im Auge, zumal die Rivalität zwischen dem Jesuitenorden und Opus Dei eine lange Tradition hat. Die Organisation hat 90.000 Mitglieder in fast 70 Ländern, davon rund 5.000 in Argentinien.

Milei: „Bedeutendster Argentinier der Geschichte“

Letzte Woche sollte das Werk Gottes auf seinem Kongress in Rom auf Anweisung des Papstes eine Änderung seiner Statuten beschließen. Nach seinem Tod endete der Kongress jedoch ohne Beschluss. Stattdessen dürfte es jetzt, insbesondere in Argentinien, zu dem Versuch eines Rollbacks kommen. Die Positionen der ultrarechten Gemeinschaft zu sozialer Gerechtigkeit, gleichgeschlechtlicher Ehe und Geschlechtsidentität sind weitaus kompatibler mit denen des libertären Präsidenten Javier Milei als mit denen des verstorbenen Papstes.

„Ob einem Papst Franziskus gefällt oder nicht, Jorge Bergoglio ist der bedeutendste Argentinier der argentinischen Geschichte“, sagte Präsident Milei vor seinem Abflug nach Rom. Dort angekommen, gab er sich versöhnlich. Er habe sich beim Papst für seine Beleidigungen entschuldigt, und der hätte sie ihm als jugendliche Fehler verziehen, erklärte Milei erstmals öffentlich in einem Interview. Bei den Trauereierlichkeiten saß er prominent in der ersten Reihe.

Papst Franziskus bereiste während seiner zwölfjährigen Amtszeit 60 Länder. Die Frage, warum er nicht nach Argentinien kam, hat er nie beantwortet. Alles darüber ist Spekulation. Als er vor einigen Jahren gefragt wurde, wie er sich seinen Tod vorstelle, antwortete er: „Als Papst, entweder im Amt oder emeritiert. Und in Rom. Ich werde nicht nach Argentinien zurückkehren.“ Vielleicht schloss García Cuerva seine Rede vor der Kathedrale deshalb mit den an den Verstorbenen gerichteten Worten: „Geh in den Himmel und stifte von dort hier unten Unruhe.“

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2 Kommentare

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  • Und so ganz ohne Beziehungen zur Theologie in Deutschland und einer Neu-Ausrichtung ist das Pontifikat dann auch sicherlich nicht gewesen:



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    "Johann Baptist Metz (*1928)



    Eine Theologie mit dem Gesicht zur Welt



    Johann Baptist Metz ist einer der profiliertesten und einflussreichsten Theologen der Gegenwart. Seine Theologie der weltzugewandten, offenen Augen, vor allem gegenüber dem Leid und der Not, erlebt unter Papst Franziskus eine neue Blüte. Theologie aber fällt nicht einfach vom Himmel. Jeder Mensch bringt seine persönlichen und geschichtlichen Erfahrungen mit. Daran hat Johann Baptist Metz, der Begründer der «neuen politischen Theologie», immer wieder erinnert."



    www.kirchenzeitung...ist-metz-1928-9755

    Weiter dort:



    "Es gibt kein Leid in der Welt, das uns nicht angeht.» Dieser Satz könnte als Titel über dem gesamten Werk von Johann Baptist Metz stehen. Empfindsamkeit für das Leid des anderen – das ist sein «Weltprogramm des Christentums». Nicht zum vagen Mitgefühl oder folgenlosen Mitleid, sondern zur «teilnehmenden Wahrnehmung fremden Leids» sind die Christen aufgerufen."



    Hier ist d. dtsch. Theologe Karl Rahner als Protagonist u. Nestor mit gemeint.

  • Danke. Quel homme 💐