Papst in Osttimor: Franziskus feiern trotz Gewalt
In Osttimor spricht Papst Franziskus sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche nur indirekt an. Ein Affront für die Betroffenen.
In Osttimors Hauptstadt Dili hat Papst Franziskus am Dienstag mit rund 600.000 Menschen eine Messe unter freiem Himmel gefeiert. Das sind etwa 40 Prozent der Gesamtbevölkerung von 1,5 Millionen Menschen. Katholiken stellen in dem asiatischen Land den größten Bevölkerungsanteil. Der katholische Glaube hatte die Menschen in ihrem Widerstand gegen die indonesischen und überwiegend muslimischen Soldaten während der Annexion (1975–2002) durch Jakarta vereint.
Berichten zufolge erwähnte der Papst bei seinem Auftritt das Thema sexueller Missbrauch nicht erneut. Am Vortag hatte er in einer Rede im kleinen Kreis dazu aufgefordert, Kindesmissbrauch entschieden entgegenzutreten. Osttimors Kirche war in den vergangenen Jahren von Missbrauchsskandalen erschüttert worden. „Wir sind alle aufgerufen, alles zu tun, um jede Art von Missbrauch zu verhindern“, soll Papst Franziskus am Montag gesagt haben. Er ging jedoch weder auf konkrete Fälle ein, noch räumte er eine Verantwortung des Vatikans ein.
Der Vatikan hatte den früheren Bischof und Friedensnobelpreisträger von 1996, Carlos Filipe Ximenes Belo, im Jahr 2020 wegen jahrelangen Missbrauchs sanktioniert. Dies wurde aber erst im Jahr 2022 bekannt. Belo wurde nach Aufgabe seines Amtes zunächst nach Mosambik geschickt, wo er anfangs ausgerechnet in der katholischen Jugendarbeit beschäftigt war. Inzwischen lebt er in Portugal abgeschirmt von der Öffentlichkeit in einer Gemeinschaft von Salesianern. In Osttimor gilt er weiterhin als Held.
In einem anderen Fall war der ehemalige US-Priester Richard Daschbach 2021 wegen Sexualverbrechen in einem Kinderheim in Osttimor zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden.
„Der Papst hat jetzt den Missbrauch nur indirekt angesprochen. Er hat damit die Opfer im Regen stehen lassen und eine gesellschaftliche Auseinandersetzung vermieden,“ kritisierte Monika Schlicher gegenüber der taz. Die Osttimor-Expertin ist Geschäftsführerin der Stiftung Asienhaus in Köln. „Die Betroffenen sind die einsamsten Menschen Osttimors, denn ihre Missbrauchserfahrungen wollen nicht gehört werden.“
Schon vor dem Besuch des 87-jährigen Papstes gab es Kritik, weil die Behörden für die Messe mehrere Hektar Land beschlagnahmt und 180 Familien umgesiedelt hatten. Am Mittwoch reist der Papst zum Abschluss seiner Südostasienreise nach Singapur.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin