Panzer für die Saudis: "Geld statt Demokratie"
Die Bundesregierung liefert kaum Informationen, dafür aber Panzer. Der Staatssekretät schwadroniert von Saudi-Arabien als regionaler Großmacht.
BERLIN taz | Hans-Joachim Otto wird heute wenig sagen, aber für dieses wenige beantragt der Mann erst mal eine Extraportion Zeit. Die vorgesehene Antwortzeit von einer Minute in der Fragestunde des Bundestages reicht ihm nicht, er bricht seinen kleinen Vortrag über Waffenhandel zwischen Regierungen ab, schaut von der Regierungsbank zum Bundestagspräsidenten und gestikuliert: "Das dauert doch länger."
Otto, FDP, ist parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium und damit am Mittwochnachmittag der Mann mit dem unangenehmsten Job in der Bundesregierung. Er muss im Bundestag das Rüstungsgeschäft verteidigen, bei dem die Bundesregierung 200 Kampfpanzer nach Saudi-Arabien geliefert hat. Otto rechtfertigt die Lieferung als Stärkung Saudi-Arabiens gegenüber dem Iran: "Es ist jedermann hier im Hause bekannt, dass Saudi-Arabien auch eine regionale Großmacht darstellt im Verhältnis gegenüber dem Iran." Raunen im Plenum.
Es entwickelt sich eine Auseinandersetzung, wie man sie gelegentlich im Bundestag erlebt, wenn die Themen wirklich pikant sind. Auf der einen Seite findet sich dann ein Regierungsvertreter aus der zweiten Reihe eines Ministeriums - hier: Hans-Joachim Otto -, der die Anweisung hat, möglichst nonchalant um den heißen Brei herumzureden.
Und auf der anderen Seite eine Opposition, die durch immer trickreichere Fragetechniken versucht, doch noch etwas aus dem Auskunftsunwilligen herauszupressen. So versucht die Opposition, Otto vor allem an zwei verschiedenen Stellen zu packen: durch die Einschätzung der Menschenrechtslage in Saudi-Arabien, denn würde diese negativ bewertet, wäre auch eine Panzerlieferung nicht zu rechtfertigen; zudem mit der Verwicklung Saudi-Arabiens in die jüngsten Auseinandersetzungen in Bahrain.
Doch was auch immer die Opposition fragt - Otto sagt wenig. Oft zieht er sich auf seine Geheimhaltungspflicht zurück, und damit er dann nicht gar nichts sagen muss, antwortet er "als Staatsbürger", der die Presseberichte verfolgt. "Welche Frage sollen wir Ihnen eigentlich stellen?", fragt der Grüne Uwe Kekeritz irgendwann: "Sie suchen immer Ausflüchte."
Grundsätzlich geheim
Wie Staatssekretär Otto schwieg zuvor auch Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch in Berlin. Die Sitzungen des Bundessicherheitsrats, in dem die Entscheidungen über die Geschäfte gefallen sind, seien grundsätzlich geheim, sagte er. "So wird es gehalten, so muss es auch gehalten werden."
Bei der Bundestagsdebatte am späten Mittwochnachmittag kam es zum Schlagabtausch. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin kritisierte die Regierungspolitik als nicht wertegeleitet. "Geld ist Ihnen wichtiger als Demokratie", sagte Trittin.
Linken-Fraktionschef Gregor Gysi mahnte, dass Deutschland drittgrößter Waffenexporteur der Welt sei. "Das ist nicht zu fassen nach unserer Geschichte", sagte Gysi. SPD-Parteichef Sigmar Gabriel forderte Kanzlerin Angela Merkel auf, sich und ihre Außenpolitik zu erklären.FDP-Mann Martin Lindner verteidigte die Regierungspolitik. Sie sei nachrangig an Wirtschaftsinteressen orientiert. "Und das sage ich als wirtschaftspolitischer Sprecher", sagte Lindner.
Wie das ARD-Hauptstadtstudio unter Berufung auf Koalitionskreise berichtete, hatte der Bundessicherheitsrat in der vergangenen Woche den Export von 200 "Leopard"-Kampfpanzern grundsätzlich gebilligt. Die Süddeutsche Zeitung vom Mittwoch zitierte Koalitionskreise mit den Worten: "Die Grundsatzentscheidung ist gefallen, noch wird über Details der Lieferungen verhandelt."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken