Panne im AKW Krümmel: CDU geht auf Distanz zu Vattenfall
Kurz vor der Bundestagswahl wird der Union die Panne im Atomkraftwerk Krümmel unheimlich. Spitzenpolitiker von CDU und CSU kritisieren nun den Konzern Vattenfall.
Gut eine Woche nach der erneuten Panne im Atomkraftwerk Krümmel bekommt der Betreiber Vattenfall nun auch von eher ungewohnter Seite Gegenwind: Politiker der Union haben am Wochenende den schwedischen Energiekonzern scharf angegriffen. Sie äußerten Zweifel an der Zuverlässigkeit Vattenfalls und seiner Informationspolitik. Gleichzeitig wird der Wahlkampf um das Thema Laufzeitverlängerung immer lauter.
Zu den Vattenfall-Kritikern in den Unions-Reihen gehören Hessens Ministerpräsident Roland Koch und sein baden-württembergischer Amtskollege Günther Oettinger (beide CDU). "Die Dummheit der Energiekonzerne in ihrer Kommunikation ist kaum noch beschreibbar", sagte Koch dem Hamburger Abendblatt. Betreiber, die sich verhielten wie Vattenfall in Krümmel, würden "unfreiwillig selbst zu den größten Gegnern der Kernkraft". Oettinger sagte am Samstag bei der Jungen Union Baden-Württemberg in Asperg bei Ludwigsburg, der Umgang von Vattenfall mit dem Vorfall sei "nicht verantwortlich, nicht entschuldbar und schadet dem Ansehen der Kernkraft". Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust (CDU) drohte in der Süddeutschen Zeitung, dem Konzern die Betriebsgenehmigung für Krümmel zu entziehen, sollte er die Probleme nicht schnell lösen.
Trotz der Kritik an Vattenfall rückt die Union nicht von ihrer generellen Haltung zur Atomkraft ab. Allerdings scheint es in der Frage der Laufzeiten Differenzen zu geben. "Wir wollen alle politischen Laufzeitbeschränkungen aufheben", sagte Koch. Bayerns Umweltminister Markus Söder (CSU) will laut Spiegel die Laufzeiten "pauschal für alle sicheren Reaktoren um jeweils mindestens acht bis zehn Jahre gegenüber dem rot-grünen Ausstiegsplan verlängern". Der saarländische Umweltminister Stefan Mörsdorf (CDU) verlangte, Reaktoren vom Typ Krümmel beschleunigt abzuschalten und ihre Reststrommengen auf jüngere Atomkraftwerke zu übertragen.
Greenpeace-Experte Heinz Smital sagte dazu der taz: "Wenn es wenigstens so weit kommt, dass es einen politischen Konsens gibt, die ältestens Kraftwerke sofort abzuschalten, sind wir zumindest einen Schritt weiter." Insgesamt zeige sich, dass die Union mit ihrer Unterstützung der Atomindustrie jetzt in einer Zwickmühle stecke.
Derweil forcieren SPD und Grüne das Thema immer stärker als Wahlkampf. SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier attackierte die Union: "Ich begreife wirklich nicht, warum die CDU Kernkraft zur Öko-Energie des 21. Jahrhunderts erklärt und sich derart zum Sprachrohr der Atomlobby macht", sagte er der Welt am Sonntag. Grünen-Spitzenkandidatin Renate Künast sagte im Tagesspiegel am Sonntag: "Die acht unsichersten AKWs inklusive des Pannenreaktors Krümmel können sofort stillgelegt werden, ohne dass in Deutschland der Strom knapp wird. Schwarz-Gelb muss endlich aufhören, Lügen über die Versorgungssicherheit in Deutschland zu verbreiten."
Unterdessen soll im Kraftwerk Krümmel am Montag die Analyse der Brennstäbe beginnen. Nachdem es vor gut einer Woche einen Kurzschluss in einem Transformator gegeben hatte, war am Freitag der Deckel des Reaktors geöffnet worden, um ein möglicherweise beschädigtes Brennelement auszutauschen. Nach Spiegel-Informationen waren vor dem Wiederanfahren des AKW Mitte Juni große Metallspäne aus dem Reaktorsicherheitsbehälter geholt worden. Ob sich weitere Metallspäne dort befinden, habe sich nicht genau ermitteln lassen. Sollten weitere Späne gefunden werden, müsste womöglich der gesamte Kern aus dem Reaktorsicherheitsbehälter geräumt werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Neue israelische Angriffe auf Damaskus