Panafrikanisches Freihandelsabkommen: Made in Africa
Am Wochenende soll das Freihandelsabkommen zwischen den 55 Staaten in Kraft treten. Auch das Schwergewicht Nigeria ist nach langem Zögern dabei.
Perspektivisch soll durch die „Afrikanische Freihandelszone“ ein panafrikanischer Binnenmarkt nach EU-Muster entstehen, mit freiem Waren- und Personenverkehr und der Liberalisierung von Dienstleistungen. Afrikas Staaten sollen ab sofort Handelshemmnisse verringern, so den innerafrikanischen Handel ankurbeln und Handelsstreitigkeiten künftig untereinander nach gemeinsamen Regeln klären. All das ist zentraler Baustein des Fernziels der AU: Bis zum Jahr 2063, hundert Jahre nach Gründung des AU-Vorgängers OAU (Organisation für Afrikanische Einheit), soll Afrika geeint und wohlhabend sein.
Ein entscheidendes Land fehlte bisher: Nigeria. Der größte Ölexporteur des Kontinents hat eine Bevölkerung von rund 200 Millionen Menschen und ist vor Südafrika die größte Volkswirtschaft Afrikas. Abhängig von Nigeria ist vor allem der mit 11 Millionen Einwohnern relativ kleine Nachbar Benin. Benin hat AfCFTA bislang ebenfalls nicht unterschrieben, auch nicht das abgeschottete Eritrea.
Nach langem Zögern hat Nigeria wenige Tage vor dem AU-Gipfel doch noch eingelenkt. Per Twitter kündigte Präsident Muhammadu Buhari an, das Abkommen zu unterzeichnen, um Einfluss auf seine Umsetzung nehmen zu können. Man wolle „Schutzmaßnahmen gegen Schmuggel und Dumping“, so die Mitteilung der Präsidentschaft, und: „Afrika braucht nicht nur eine Handelspolitik, sondern eine kontinentweite Industriepolitik. Unsere Vision für den innerafrikanischen Handel ist Freizügigkeit für Waren ‚Made in Africa‘“.
„Nigeria hat sich um die Konsequenzen gesorgt, vor allem, wenn es um die lokale Produktion geht“, beschreibt Gbenga Adebija, Direktor der Nigerianisch-Deutschen Wirtschaftsvereinigung mit Sitz in Lagos, die bisher ablehnende Haltung. Diskutiert worden sei auch, ob Freihandel minderwertige Waren in das Land bringen würden. Und was offene Grenzen für die Sicherheit bedeuten.
„Es ist absolut notwendig“
„Gibt es auf dem Kontinent Firmen, die dieselben Produkte herstellen und dann nach Nigeria exportieren? Das könnte ganze Industriezweige zerstören“, fasst Eze Onyekpere, Leiter des Zentrums für soziale Gerechtigkeit in Abuja, weitere Bedenken in Nigeria zusammen. Mitunter würde sich das riesige Land auch nicht für wettbewerbsfähig genug halten. „Welche Dienstleistungen und Güter lassen sich überhaupt exportieren? Oder bleibt das Land letztendlich nur Konsument?“
Doch ohne eine Unterschrift würde Nigeria bei künftigen Gesprächen rund um AfCFTA nicht mitreden können. Das gab den Ausschlag, doch teilzunehmen. Laut Gbenga Adebija wird sich Nigeria dabei dafür einsetzen, dass Arbeitsplätze entstehen und die Geschäftsmöglichkeiten für Unternehmer sich verbessern.
Unmittelbares Ziel des Freihandelsabkommens ist es, den Handel zwischen den 55 Staaten der AU, in denen mehr als 1,2 Milliarden Menschen leben, anzukurbeln. Aktuell wird nur ein Fünftel des Handels auf dem Kontinent mit anderen afrikanischen Staaten abgewickelt.
Gehandelt wird stattdessen mit den einstigen europäischen Kolonialmächten sowie zunehmend mit China. Einerseits liegt es daran, dass der Kontinent bis heute meist Rohstofflieferant geblieben ist. Doch auch die schlechte Infrastruktur und die in einigen Ländern massive Korruption wirken bremsend. Wer etwa in Nigeria Güter durch das Land fährt, muss an jedem Checkpoint Geld lassen, das Sicherheitskräfte mal diskret, mal sehr offen in die Taschen stecken. An vielen afrikanischen Grenzen sieht es ähnlich aus.
Auch das soll sich dank AfCFTA ändern, indem Staaten miteinander kooperieren, um den Grenzverkehr zu erleichtern. Eze Onyekpere vom Zentrum für soziale Gerechtigkeit ist sich sicher: Es ist an der Zeit, dass Afrikas Wirtschaft enger zusammen rückt. „Es ist absolut notwendig, eine Handelszone für den ganzen Kontinent zu schaffen, durch die Güter ohne Grenzen und staatlichen Protektionismus transportiert werden können. Wenn Nigeria zweifelt, sollte das eher Anlass sein, die Bedingungen zu verbessern.“
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