Pamphlete im Gerichtssaal: Die Politprop-Show des Merkel-Störers
Ein 26-jähriger Aktivist hat einen Besuch Merkels gestört und steht deshalb vor Gericht. Den Prozess nutzt er als Bühne.
BERLIN taz Seinen versuchten Angriff auf Bundeskanzlerin Merkel bereut er nicht. "Ich wollte bloß meine Meinung kundtun", sagt Roland B. am Freitag kurz vor Beginn seiner Verhandlung im Amtsgericht Berlin-Tiergarten. Nervös tritt der 26-Jährige von einem Bein auf das andere, gleich kommt sein Auftritt: Der Politaktivist nutzt den eigenen Prozess, um seine politischen Überzeugungen zu propagieren.
Penibel vorformuliert verliest er unzählige Anträge: wegen Befangenheit der Richterin und des Gutachters, wegen zu später Akteneinsicht. Eingeflochten sind Botschaften gegen die Vorratsdatenspeicherung, die Regierung, den Kapitalismus. Als der eigentliche Prozess beginnt, sind schon zwei Stunden vergangen.
Roland B. trägt Jeans und einen schwarzen Kapuzenpulli, auf dem "Bomb Squad Specialist" steht. B. ist wegen versuchter Körperverletzung, Widerstand gegen die Staatsgewalt und wegen Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz angeklagt.
Bei einem Staatsbesuch des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy im November letzten Jahres rannte B. auf Merkel und Sarkozy zu. Er sei in die "Sicherheitszone" eingedrungen, sagt Staatsanwaltssprecher Michael Grunwald. Den eingreifenden Polizisten habe er sich massiv zu Wehr gesetzt, einem Beamten in den Bauch geschlagen. Die Annäherung an Merkel und Sarkozy sei aber nicht Gegenstand der Anklage.
Bereits 2006 hatte die Polizei mit einem Sondereinsatzkommando an Heiligabend B.s Wohnung durchsucht. Es habe der Verdacht bestanden, dass B. mit Sprengstoff hantiere, sagt ein Polizeibeamter vor Gericht. Der Grund dafür: ein Video im Internet, in dem B. "einen Baum in die Luft sprengt". Bei der Durchsuchung wurden Sprengstoff und auch Waffen gefunden, deren Besitz B. zuvor untersagt worden war - wegen Verdachts auf eine psychische Erkrankung.
Der Arzt, der ein psychologisches Gutachten erstellt hatte, kommt an diesem ersten Prozesstag nicht mehr zu Wort. Als Stellungnahme auf die Anklagen beginnt B. erneut, ein politisches Pamphlet zu verlesen. Schließlich nimmt er den ersten aufgerufenen Zeugen selbst ins Verhör.
Seine Pflichtverteidigerin spricht mal beruhigend auf ihn ein, meist aber sagt sie einen einzigen Satz: "Ich trage diesen Antrag nicht mit." Während des ganzen Prozesses ist B. hochkonzentriert, mit rotem Gesicht und fahrigen Händen wiederholt er seine Parolen. Als die Richterin ihn auffordert, seine Stellungnahme frei vorzutragen, weigert er sich. Er möchte sich nicht versprechen. Die Verhandlung wird am 14. November fortgesetzt.
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