piwik no script img

Palästinensische Häftlinge in IsraelÄrzte verweigern Zwangsernährung

Die Zwangsernährung von hungerstreikenden Häftlingen ist in Israel erlaubt. Ärzte weigern sich jedoch, den gefährlichen Eingriff durchzuführen.

Khader Adnan (mit Bart) ist der berühmteste und erfolgreichste hungerstreikende Gefangene auf palästinensischer Seite. Foto: ap

Jerusalem taz | Weil sie die Methode für grausam und gefährlich halten, weigern sich israelische Ärzte, hungerstreikende Häftlinge zwangszuernähren. Seit 54 Tagen nimmt Mohammed Allaan nur noch Wasser zu sich und befindet sich, wie Ärzte des Internationalen Roten Kreuzes warnen, in unmittelbarer Lebensgefahr.

Erst Ende Juli verabschiedete die Knesset eine Rechtsreform, die die Zwangsernährung unter ärztlicher Aufsicht ermöglicht. Allaan war zunächst in das Soroka-Krankenhaus in Beerscheva gebracht worden und von dort weiter nach Ashkelon ins Barsilai-Krankenhaus, nachdem es die Ärzte in Beerscheva ablehnten, eine Zwangsernährung vorzunehmen.

„Soweit wir hören, weigern sich auch die Ärzte vom Barsilai-Krankenhaus“, erklärte Murad Jadallah, Sprecher der palästinensischen Nicht-Regierungs-Organisation Addameer, die sich für „Gefangenenhilfe und Menschenrechte“ stark macht, auf telefonische Nachfrage. „Wir begrüßen diese Entscheidung.“ Der 31jährige Häftling sei schwach, aber bei Bewußtsein.

Hungerstreiks sind vor allem unter palästinensischen Verwaltungshäftlingen eine bevorzugte Methode, um Hafterleichterungen oder ihre Entlassung zu erzwingen. Israel verhängt die umstrittene Administrativhaft ohne Anklage, ohne Prozess und mit stark eingeschränkten Besuchsrechten.

Nach einer Serie mörderischer Brandanschläge, die mit großer Wahrscheinlichkeit auf das Konto jüdischer Extremisten geht, schickten Richter vor ein paar Tagen die ersten jüdischen Israelis für zunächst sechs Monate in Administrativhaft.

In diesem Zustand jemanden zu betäuben, käme einem Todesurteil gleich

Prof. Rafi Walden

Die Gefängnisbehörden sind verpflichtet, Häftlinge am Suizid zu hindern. In Ernstfällen bleibt nur die Wahl zwischen einer Zwangsernährung und einer Entlassung. „In diesem Zustand einen Menschen zu betäuben, käme einem Todesurteil gleich“, warnte Prof. Rafi Walden, stellvertretender Direktor des Shiba Krankenhauses in Tel Aviv und Vorsitzender der Organisation Ärzte für Menschenrechte.

Walden nennt die von der Knesset verabschiedete Reform als „grausames Recht“. Die Ärzte „dermaßen unter Druck zu setzen“, entbehre jeder Moral, sagte Walden im israelischen Hörfunk. Natürlich seien die Mediziner dazu verpflichtet, Menschenleben zu retten, „aber die Lösung darf nicht mit Gewalt erreicht werden, sondern nur durch ein Gespräch“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • zur neuesten entwicklung, nämlich freilassung des komatösen gegen deportation http://972mag.com/supreme-court-discusses-release-of-palestinian-hunger-striker/110568/

  • um auf dem laufenden zu bleiben... http://972mag.com/breaking-palestinian-in-coma-after-60-day-hunger-strike/110342/

     

    im übrigen weiß ich nicht, was in den letzten 60 tagen so schwierig gewesen wäre, eine ordentliche anklageschrift zu verfassen, mindestens jedoch einblick in die ermittlungsakten zu geben.

    so es denn etwas gibt, welches sich anklagen läßt/ließe.

    und wenn es das nicht gibt, dann gibt es keinen grund, den mann festzusetzen. punkt.

  • In Israel wird sich schon ein Arzt finden, der sich für diese Schweinerei hergibt und für eine Zwangsernährung bedenkenlos das Leben des Gefangenen aufs Spiel setzt. Wir kennen das von der in Israel vom höchsten Gericht gebilligten Folter an Administrativhäftlingen. Auch die überlebt bei weitem nicht jeder. Wann hat es dagegen den letzten öffentlichen Aufschrei gegeben?

     

    Im Artikel heißt es: „Nach einer Serie mörderischer Brandanschläge, die mit großer Wahrscheinlichkeit auf das Konto jüdischer Extremisten geht, schickten Richter vor ein paar Tagen die ersten jüdischen Israelis für zunächst sechs Monate in Administrativhaft.“

    Administrativhaft ist aber gerade die Verschleppung in Kerker des Staats ohne richterliche Anordnung. Sie ist schon deshalb überflüssig, weil es zur willkürlichen Verhaftung keinerlei Voraussetzungen bedarf.

     

    Wird aber, wie hier, jemand bei einem dringenden Verdacht einer Straftat, die mit einer sehr hohen Strafe bedroht ist, verhaftet, um so die Strafverfolgung zu sichern, nennt man das Untersuchungshaft. Gegen die lässt sich nichts Grundsätzliches einwenden. Die Behauptung, die Administrativhaft sei jetzt auch auf jüdische Mörder ausgeweitet worden, verbunden mit dem Hinweis auf eine richterlichen Anordnung, soll offensichtlich die Tatsache verschleiern, dass die seit Bestehen Israels gegen Palästinenser übliche Praxis nichts mit Strafverfolgung zu tun hat, rein willkürlich erfolgt und auch Kinder davon betroffen sind. Sollte das tatsächlich auch auf die übrigen Bevölkerung ausgewietet werden, wird jeder Besuch Israels höchst riskant. Doch noch risikoreicher wäre es, in Opposition zur Regierung zu stehen.

  • Serie? Ein Anschlag, mit zwei Toten und einigen Verletzten, die Täter werden von der Polizei gesucht und wenn sie erwischt werden, wovon man bei Israels Polizei ausgehen kann werden sie vor Gericht landen und nach einem rechtstaatlichen Verfahren lange Zeit im Gefängnis verrotten. Der Zusammenhang zwischen Terroristen die von den Palestinesern mit Geld versorgt und als Helden verherrlicht werden erschließt sich nicht direkt, liegt eventuell im leicht Antisemitschen Bild des Palestineserfreundlichen NGO Berichters.

    Warum solche Figuren nicht selber über ihr ableben bestimmen dürfen ist wohl eins der Mysterien dieses Konfliks, in Europa kamm noch kein Terrorist wegen eines Hungerstreiks auf freien Fuß,aber einige ins Grab, sollte auch in Israel nicht klappen und über sein weiterleben entscheidet jeder Mensch in letzter Konsquenz selber, also lasst sie.

    • 1G
      1393 (Profil gelöscht)
      @horst schmitzberger:

      Schon witzig, keine Ahnung und dennoch gleich Antisemitismusverleumdungen gegen den Autor.

       

      Dabei kann man hier z.B. nachforschen, wo Siedler Feuer gelegt haben. Das neben vielfachen Schussawaffenangriffen und in der Regel alle üblen Verbrechen mit dem Schutz der IDF. http://nad-plo.org/userfiles/file/Press%20release/List_Settler_Violence.pdf

      (einfach mit "STR+F" "set fire" bzw. "opened fire" im PDF suchen!)

       

      Verlinkt ist es auf der Homepage der PLO Ger http://palaestina.org/index.php?id=160&tx_ttnews%5Btt_news%5D=482&cHash=2bd4dbe43e3d7084e86ae8b749d3967d

       

      Und dass für Sie eingesperrte Palästinenser auch ohne Gerichtsverfahren als Terroristen gelten, zeigt wie bedauenswert der Humanismus hier in Deutschland mittlerweile ist, wenn es um den Rassismus gegen Moslems geht, oder wie leicht Israelische Propaganda hier Werbung für Menschenrechtsverbrechen an Palästinensern machen kann.

    • @horst schmitzberger:

      Herr Schmitzberger, Sie verwechseln da einiges: Es geht nicht um strafrechtlich verurteilte Terroristen, sonder beispielsweise um einem Sportler, dem wegen seines Könnens eine erfolgreiche Karriere vorausgesagt wurde, aber dummerweise Palästinenser ist. Da wurde keine Anklage erhoben, ja es wurde nicht einmal nach einer Straftat gesucht, sondern lediglich die sportliche Konkurrenz ausgeschaltet.

       

      Alles wurde versucht, um ihn freizubekommen. Doch nicht half. Erst nach einem langen Hungerstreik wurde er gesundheitlich ziemlich ruiniert schließlich freigelassen. Doch kaum hatte er sich erholt, verschwand er wieder im Israelischen Verlies. Und dort befindet er sich immer noch.

      • @Müller Peter:

        Wenn ich den Artikel richtig verstanden habe, soll die Zwangsernährung nicht nur für palästinensische, sondern für jedewelche hungerstreikenden Häftlinge gelten, also auch für hungernde jüdische Extremisten/Terroristen. Insofern verstehe ich Ihren hinweis auf die palästinensische Nationalität der Hungernden nicht. Die ist doch in dem Zusammenhang, ob man eine Zwangsernährung gut oder schlecht findet, völlig schnuppe.

        • 1G
          1393 (Profil gelöscht)
          @Nicky Arnstein:

          So schwer ist es doch nicht zu verstehen. Müller Peter weist Schmitzberger darauf hin, dass dieser , manche nennen es gutgläubig, andere rassistisch, die Palästinenser verleumdet, entweder Terroristen zu sein oder Terroristen zu unterstützen.

           

          Bei Palästinensern wird die Administrativhaft unter anderem gern genutzt, den sportlichen Erfolg von Palästinensern zu unterbinden, damit die nicht bei internationalen sportlichen Wettkämpfen auf die vielen Verbrechen Israels aufmerksam machen können.

           

          Deswegen gab es ja zuletzt das Theater bei der FIFA, als Israel bedroht war, ausgeschlossen zu werden, weil es auch die Fußballer Gazas wie den Rest der Bevölkerung verbrecherisch der Freiheit beraubt.

          https://electronicintifada.net/blogs/adri-nieuwhof/how-israel-derails-promising-careers-palestinian-football-stars

          http://mondoweiss.net/2015/05/palestinian-netanyahu-facilitate

           

          Die Frage ist nun, ob Sie es überhaupt verstehen wollen, nachdem man es Ihnen erklärt hat.