Pädophilie-Aufarbeitung: Grüne machen's lieber selbst
Die Partei will einen Arbeitskreis mit Zeitzeugen gründen, um die Parteigeschichte aufzuarbeiten. Eine parteieigene Opferhotline ist nicht geplant.
BERLIN taz | Die Grünen wollen aktiver als bisher die pädophilen Verirrungen in der Parteigeschichte aufarbeiten. Am Wochenende beschloss der Bundesvorstand die Einrichtung eines Arbeitskreises aus „Grünen-VertreterInnen, Grünen-Zeitzeugen und Experten“. Das beim Bundesvorstand angesiedelte Gremium soll intern klären, wie pädophilenfreundliche Beschlüsse zustande kommen konnten.
Die Parteispitze bat alle Mitglieder, die etwas beitragen könnten, „sich aktiv daran zu beteiligen“. Damit wollen die Grünen die Aufarbeitung durch das Göttinger Institut für Demokratieforschung ergänzen. Die Arbeit des Kreises soll mit einem Bericht beendet werden. Über seine Zusammensetzung entscheidet der neue Vorstand, der Mitte Oktober gewählt wird.
Der Kreis „wird auch als Kontakt für Betroffene dienen“, heißt es in dem Beschluss. Eine Anlaufstelle für Opfer mit professionell geschulten Kräften soll das Gremium aber nicht sein. Man wolle klären, „wie wir uns Personen zuwenden, denen im grünen Umfeld oder in Bezug auf grüne Positionen Leid angetan wurde und wie wir darauf als Partei angemessen reagieren können“, heißt es in dem Beschluss.
Als während des Bundestagswahlkampfes pädophilenfreundliche Dokumente und Beschlüsse aus den achtziger Jahren auftauchten, gerieten die Grünen stark unter Druck. Unions-Politiker, aber auch Mitarbeiter von Opferverbänden forderten die Einrichtung einer parteieigenen Opferhotline. Diese lehnten führende Parteimitglieder stets ab. Die Grünen seien „nicht Ort der Täter“, sagte Fraktionschefin Renate Künast damals. Da die Partei, im Gegensatz zur Kirche, selbst keine Institutionen wie Internate betrieben hat, können Straftaten streng genommen nur Individuen zugeschrieben werden.
Walter: „Habe kein Monopol auf die Aufarbeitung“
Der mit der externen Aufarbeitung beauftragte Forscher Franz Walter zeigte sich überrascht von dem neuen Arbeitskreis. Sein Institut habe davon aus den Medien erfahren. „Ich habe kein Monopol auf die Aufarbeitung“, sagte er der taz. „Wenn es jetzt eine zweite Instanz geben soll, akzeptiere ich das.“
Walters Auftrag läuft bis Ende 2014, dann soll er einen Abschlussbericht vorlegen. Parallel plant das Göttinger Institut eine Buchveröffentlichung, die sich nicht nur mit den Grünen, sondern auch mit Pädophilie in den neuen sozialen Bewegungen der Bundesrepublik befassen soll.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Leak zu Zwei-Klassen-Struktur beim BSW
Sahras Knechte
Friedensforscherin
„Wir können nicht so tun, als lebten wir in Frieden“
Nach Hitlergruß von Trump-Berater Bannon
Rechtspopulist Bardella sagt Rede ab
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Bildungsforscher über Zukunft der Kinder
„Bitte nicht länger ignorieren“