Pädophiler Aktivismus: Neue Heimat im Internet
Die politische Pädophilenszene der 80er Jahre hat sich aufgelöst. Ein paar Verbliebene kämpfen unverdrossen weiter für gesellschaftliche Akzeptanz.
„Pädophilie – Verbrechen ohne Opfer“, „ein Herz für Kinderschänder“. Mit Schauder und aus sicherem Abstand bestaunt man heute, wie in den 70er und 80er Jahren „Pädo-Aktivisten“ öffentlich „freie Liebe“ zwischen Kindern und Erwachsenen forderten. Und damit nicht nur bei den Grünen Gehör fanden. Doch diese Zeiten sind zum Glück vorbei. Heute wagt niemand mehr, öffentlich die Legalisierung von Pädophilie zu fordern. Geschweige denn sich selbst als pädophil zu outen. Oder?
Anfang Februar luden die Hamburger Grünen zur öffentlichen Diskussion über ihre pädophilenfreundliche Parteivergangenheit ein. Im Publikum saßen auch bekennende Pädophile. Einer sagte, er fände „einvernehmlichen“ Sex zwischen Kindern und Erwachsenen immer noch okay. Man kenne den Mann, hieß es hinterher aus dem Büro des Grünen-Vorstands, wolle aber seinen Namen nicht nennen. Der Mann sei ein Mitstreiter, dessen Persönlichkeitsrechte aber geschützt werden müssten, sagt ein Mann, der immer live dabei ist, wenn irgendwo in Deutschland über Pädophilie gesprochen wird: Dieter Gieseking.
Er betreibt das Onlineportal „K13“, auf dem er wissenschaftliche Studien, legale Literatur und Medienberichte zum Thema Pädophilie und Päderastie sammelt – und im Sinne der Pädophilen kommentiert.
Über die Diskussion in Hamburg schreibt Gieseking: Es „waren auch drei Boylover, ein Girllover und ein schwuler Bürgerrechtler anwesend. Eine Pro- und Contra-Debatte wurde nicht zugelassen […]. Trotzdem kann man am Ende des Tunnels ein kleines Licht erkennen. Dieses Licht zum Leuchten zu bringen, muss primär die Zielsetzung der heutigen Pädophilenszene und neutralen Aktivisten sein.“
FKK-Bilder sind okay
Dieter Gieseking ist 58 Jahre alt und ehemaliger Beamter des Bundesgrenzschutzes. Gieseking ist pädophil, er steht auf Jungs. Derzeit läuft gegen ihn ein Verfahren wegen Verdachts des Besitzes kinderpornografischer Schriften. Er selbst hat dagegen Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingelegt. Für ihn sind FKK-Bilder von „Boys“ ebenso okay wie die Verlinkung auf Seiten, die eine komplette Abschaffung des Schutzalters für sexuelle Kontakte fordern.
Gieseking sieht sich im Recht – und geriert sich, zusammen mit den Aktivisten in Hamburg, als einer der letzten aufrechten Kämpfer der „Pädo-Bewegung“. Sein Kreis nutzte die 2013 aufflammende Diskussion um die Vergangenheit der Grünen, um sich wieder öffentlich ins Gespräch zu bringen – nach Jahren der Funkstille. Einschlägige Organisationen wie die Arbeitsgemeinschaft Humane Sexualität sind seit Jahren weitgehend inaktiv, die Vorgängerorganisation Deutsche Studien-und Arbeitsgemeinschaft Pädophilie hatte sich bereits 1983 aufgelöst. Jetzt, wo ihr Lebensthema wieder im Fokus steht, suchen Gieseking und seine Mitstreiter vermehrt die Öffentlichkeit. Sie spülten seitenweise Kommentare in die Onlineforen der taz, der Zeit, des Spiegels und anderer Medien.
Während sich die meisten hinter Pseudonymen verstecken, tritt Gieseking stets namentlich, meist sogar mit Foto auf. Gegen Sperrung seines Accounts, wenn er wieder allzu offensiv Sex mit Kindern verherrlicht oder Missbrauchsopfern die Glaubwürdigkeit abgesprochen hatte, wehrte sich Gieseking mit lauten Zensurvorwürfen und Beschwerdebriefen. Zu Weihnachten schickte er der taz überraschend „pädophile Weihnachtsgrüße“.
Im Zuge der Edathy-Affäre hat sich gezeigt: Es gibt sie noch, die Hardcore-Pädophilen, die ihre sexuelle Orientierung nicht als Krankheit sehen, sondern als legitime sexuelle Identität. Die sich von Staat, Mehrheitsgesellschaft und Presse verfolgt fühlen – wo sie doch nur Kinder „lieben“. Im Unterschied zu früher haben sie kaum noch eigene Organisationen, auch aus den politischen Parteien sind sie ausgeschlossen. Ihre neue Heimat ist das Internet: Dort treffen sie sich zum Tausch legaler und illegaler Medien und zur Selbsthilfe. Während die illegalen Aktivitäten der Szene in verschlüsselten Foren und Netzwerken stattfinden, gibt es auch offene Treffpunkte wie das Deutsche Jungsforum. In Blogs teilen sendungsbewusste Einzelne ihre Sicht auf die Welt mit.
Anerkennung statt Therapie
Dieter Gieseking hat sie alle auf seinen „K13 online news“. Das Portal ist so etwas wie das Sammelbecken der (legalen) politischen Pädo-Bewegung von heute. Verrückt ist Gieseking nicht – so wie der frühere Indianerkommunarde Uli Reschke, der seitenlange paranoiagesättigte Litaneien in regenbogenfarbener Schrift verschickt. Ein angenehmer Gesprächspartner ist Gieseking, der wegen des Vertriebs von Kinderpornografie bereits zweimal im Gefängnis war, aber auch nicht: Seit 1993 versucht er mit der von ihm gegründeten Organisation „Krumme 13“, benannt nach dem Album eines dänischen Kinderstars, für die Pädophilie zu werben.
Seitdem die Eintragung der „Krummen 13“ als gemeinnütziger Verein erst in Trier, dann in Hamburg scheiterte, ist Gieseking vorsichtig geworden. Der Mann, der gelernt hat, wie man sich haarscharf am Rande der Illegalität bewegt, kann wohl am besten Auskunft geben über den Teil der Pädophilen, der nicht die Absicht hat, sich therapieren zu lassen. Und stattdessen gesellschaftliche Teilhabe einfordert.
Auf eine Interviewanfrage reagiert Gieseking sofort: „Mich wundert etwas, dass Sie sich erst jetzt an mich wenden“, mailt er und fordert erst einmal eine gründliche Beschäftigung mit seinen Publikationen ein. Vor einem möglichen Treffen in Pforzheim, seinem Wohnort und Sitz der K13-Online-Redaktion, steht ein langes Telefonat, an dessen Ende er fragt: „Und, habe ich Sie nun überzeugt?“
Als weitere „vorbereitende“ Telefonate nicht gewährt werden, sagt Gieseking das Treffen ab. Er äußere sich lieber schriftlich – ohnehin habe er wegen sich häufender Medienanfragen zum Fall Edathy nur wenig Zeit. Giesekings Antworten sind dennoch ausführlich. Und sie lassen erahnen, warum der Mann trotz des angeblich so großen Medieninteresses bislang kaum zu Wort kam.
Im Ernst?
Dass es sexuelle Gewalt an Kindern gibt, bestreitet Gieseking nicht. Nur: von „Pädophil-Liebenden“ gingen solche Gewalttaten nicht aus. Schließlich machten die Kinder in solchen Beziehungen alles freiwillig. Im Ernst? „Bei Babys, Kleinkindern und Grundschülern ist der sexuelle Anteil in einer solchen ’Beziehung‘ problematisch“, räumt Gieseking ein. Aber: „Ein 12-jähriger Junge/Mädchen weiß heutzutage, was Sexualität ist. Es gibt Jungs/Mädchen, die in einer freundschaftlichen und sexuellen Beziehung zu einem Pädosexuellen selbst die Initiative ergreifen.“ Deshalb bedürfe es einer „Sexualstrafrechtsreform, die allen Beteiligten gerecht wird“. Nämlich einer Abschaffung des Paragrafen 176, die Sexualbeziehungen zwischen unter 14-Jährigen und Erwachsenen unter Strafe stellt. „Es gibt keine einzige Studie, die besagt, dass sexuelle Beziehungen zwischen Kindern und Erwachsenen immer einen Schaden beim Kind verursachen MÜSSEN“, meint Gieseking. Daher seien solche Beziehungen grundsätzlich zu erlauben.
Woher will Gieseking eigentlich wissen, dass es „Einvernehmlichkeit“ beim Sex mit Kindern gibt – wo doch zahlreiche Aussagen von Missbrauchsopfern belegen, dass sie zwar „mitgemacht“ hätten, aber das rückblickend nicht als Freiwilligkeit empfinden? Die Antwort Giesekings öffnet ein Fenster in die verquere Weltsicht eingefleischter Pädophiler: „Die Opfer sexueller Gewalt in der Kindheit sehen bei der Bewertung der Einvernehmlichkeit nur ihren eigenen erlebten Missbrauch. Das mag verständlich sein, aber Sie müssen erkennen, dass es eben auch die Einvernehmlichkeit gibt. Das kann nicht ernsthaft bestritten werden.“
Als Beweise führt Gieseking „Erlebnisberichte“ an und Studien wie die sogenannte Rind-Studie von 1988. Die Meta-Analyse besagte, dass frühe sexuelle Kontakte nicht automatisch zu psychischen Schäden führten. Andere Studien, auf die er verweist, stammen etwa von Frits Bernard und Edward Brongersma – zwei bekennenden Pädophilen aus den Niederlanden.
Angst vor Ausgrenzung
Mit einem Pädophilen wie Gieseking zu diskutieren, ist in etwa so, als spreche man mit einem Strenggläubigen. Gieseking will missionieren, er will die Pädophilie aus der Tabuzone holen und „Respekt, Anerkennung und Akzeptanz“ für seinesgleichen. Damit, so seine erstaunliche Logik, würden auch die Kinder vor sexueller Gewalt geschützt: „Wenn sich ein Pädophiler ohne Angst vor Ausgrenzung oder gar Verteuflung outen kann, dann ist dies die beste Prävention vor Kindesmissbrauch. Das Motto müsste lauten: Mein Freund ist pädophil – na und?“
Eine Therapie für sich lehnt Gieseking ab. Seiner Meinung nach leidet er nicht an einer Störung, sondern gehört einer sexuellen Minderheit an, die zu Unrecht verfolgt wird. Er, der wiederholt den Wohnort wechseln musste, als seine Aktivitäten bekannt wurden, fühlt sich besonders von der „Hetze“ der „Mainstream-Medien“ verfolgt. Deshalb stellt er auch beim Gespräch mit der taz besondere Forderungen: Kein Artikel ohne ausdrückliche Freigabe seiner Zitate. Erneutes Vorlegen der Zitate, wenn etwas gekürzt wurde. Die Vorsicht ist aus seiner Sicht angebracht, weil er sich von einem antipädophilen Zeitgeist umzingelt fühlt.
Gieseking macht weiter, bemüht Rechtsanwälte, schreibt Petitionen und Leserbriefe. In eigener Sache, aber auch für „die neue Generation“. Er schreibt: „Ich hoffe, dass ich diesen jungen Pädophilen von meinen Erfahrungen etwas auf ihren Lebensweg mitgeben kann.“ Es klingt wie eine Drohung.
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