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PUTIN WILL WEISSRUSSLAND – ER HAT ALLE TRÜMPFE IN DER HANDMoskau greift um sich

Wer hätte das gedacht: Die weißrussische Opposition hat seit Mitte der Woche einen neuen, potenten Partner: Russlands Präsidenten Wladimir Putin. Denn sollte sein Szenario zur Vereinigung der beiden Staaten Wirklichkeit werden, wäre Weißrusslands autokratischer Präsident Alexander Lukaschenko wohl endgültig weg vom Fenster.

Putin hat dabei alle Trümpfe in der Hand: International hat sich Moskau zurückgemeldet und ist seit dem 11. September 2001 einer der bevorzugten Partner im Antiterrorkampf. Innenpolitisch dürfte die historische Rolle eines „Einigers der Slawen“ bei den Parlaments- und Präsidentenwahlen 2003 und 2004 wertvolle Punkte bringen. Die Sehnsucht vieler Russen und Weißrussen nach vergangenen goldenen Sowjetzeiten ist groß. Vor diesem Hintergrund ist ein – von Putin vorgeschlagenes – Referendum über die Vereinigung ohnehin reine Formsache. Angesichts der bevorstehenden Erweiterung von EU und Nato auf das Baltikum wäre zudem die Position Moskaus hinsichtlich der russischen Exklave Kaliningrad erheblich gestärkt.

Dem hat Lukaschenko, der wirtschaftlich vollkommen von Russland abhängig und international komplett isoliert ist, nicht das Geringste entgegenzusetzen. Schlimmer noch – in der irrigen Annahme, einmal als Oberhaupt einer gemeinsamen Union in den Kreml einzuziehen, hat er jahrelang das Projekt eines Zusammenschlusses massiv befördert und damit sein Grab zu einem großen Teil selbst mit ausgehoben.

Doch nun, da der Rahmen von Putin abgesteckt ist und Lukaschenko den Verlust seiner Macht vor Augen hat, könnte der weißrussische Präsident versucht sein, plötzlich die nationale Karte zu spielen. Und da träfe er sich auf wundersame Weise mit jenen, die ihn bislang am entschiedensten bekämpft haben. Denn aller Freude zum Trotz, sich des Autokraten entledigen zu können – für die unterdrückte Opposition ist die Souveränität ihres Landes das höchste Gut. So könnte die weißrussische Innenpolitik, solange es sie überhaupt noch gibt, künftig merkwürdige Allianzen zeitigen.

BARBARA OERTEL

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